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Hagiographie als Kultpropaganda: Die Rolle der Auftraggeber und Autoren hagiographischer Texte des Frühmittelalters

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Literarische Interessenbildung im Mittelalter

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

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Zusammenfassung

Lassen Sie mich mit einer Binsenweisheit beginnen, nämlich mit der Feststellung, daß Literatur — erbauliche, theologische, wissenschaftliche — nicht im zweckfreien Raum entsteht, sondern einer Vielzahl von Bedingungen ihre Existenz verdankt, die Literatur überhaupt erst ermöglicht. Daß damit keineswegs die künstlerische, die wissenschaftliche oder seelsorgerische Intuition des Autors geleugnet wird, versteht sich von selbst, wenn auch dieses personale Element erst relativ spät in Erscheinung tritt und etwa mit dem Genie-Kult des späteren 18. Jahrhunderts sogleich eine extreme Form annimmt. Ziel dieses Vortrags soll sein, in der lateinischen kirchlichen Literatur des Frühmittelalters, speziell in den Legenden und Viten, jene Faktoren aufzuzeigen, die den Anstoß für Texte gaben, wobei — gemäß dem Generalthema dieses Symposions — vor allem die jeweiligen, oft recht unterschiedlichen Interessen im Vordergrund stehen müssen, die dabei eine Rolle spielten. Für die bildenden Künste des Mittelalters ist bekanntlich dieser Aspekt viel früher erkannt und wissenschaftlich bearbeitet worden, vor allem was die Funktion des Auftraggebers anbetrifft.1 Gerade in diesem Fall darf nicht übersehen werden, daß der Auftraggeber, der sich oft auch sehr intensiv in die Sinngebung und äußere Gestaltung eines Baus oder eines Kunstwerks einmischt, nicht immer mit dem Stifter gleichzusetzen ist.2 Ein geradezu klassischer Fall ist Abt Suger von St. Denis (um 1080–1151), Staatsmann und Historiker, der als Auftraggeber zugleich den Bau seiner Kirche in allen Einzelheiten geplant und kontrolliert hat und damit ein extremes persönliches Interesse bewies.

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Notizen

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Prinz, F. (1993). Hagiographie als Kultpropaganda: Die Rolle der Auftraggeber und Autoren hagiographischer Texte des Frühmittelalters. In: Heinzle, J. (eds) Literarische Interessenbildung im Mittelalter. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05559-0_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05559-0_9

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