Diskussionsbericht

Zusammenfassung

Zu Lienen: Diskutiert wurde, ob die im Prolog ostentativ geäußerte »Interesselosigkeit« (S. 266) als Bekenntnis zu künstlerischer Autonomie im modernen Sinn gemeint sei und das Werk selbst sich entsprechend verstehen lasse. Man unterstrich zunächst die außerliterarische Funktion der Prolog-Aussage als »Huldigung an den Gönner« (S. 266) und äußerte die Vermutung, daß hier das Gottfriedsche Modell eines elitären Kenner-Publikums adaptiert werde. Dieses Publikum sei bei Gottfried wie bei Konrad im Text als Publikum von litterati entworfen und müsse auch historisch als sozial homogen vorgestellt werden. Man war sich jedoch einig, daß der Text keineswegs in der so zu fassenden Funktion der Bildung und Bestätigung von literarischen Zirkeln aufgehe. Die Frage nach dem bestimmenden Moment der Textkonstitution jenseits solcher pragmatischen Bindung wurde als Frage danach gestellt, ob die Ästhetisierung des Stoffes als Vehikel einer Auflösung der historischen Verbindlichkeit zugunsten eines spielerischen und insoweit autonomen Umgangs mit ihm fungiere. Voten, die in diese Richtung gingen, wurde entgegengehalten, daß Geschichtsdichtung im Mittelalter immer zugleich auf Vermittlung und Ästhetisierung von Fakten angelegt sei. Im Rahmen dieser Tradition habe Konrad den Trojastoff als Paradigma eines geschichtlichen Ereignisses gedeutet. Ob sich eine solche Intention noch dem Interesse-Begriff subsumieren läßt, blieb umstritten.