Zusammenfassung
Eine Tatsache, deren man sich bewußt sein muß, wenn man die Frage der deutschen Besucher im London des neunzehnten Jahrhunderts untersuchen will, ist die, daß der Deutsche in London sich keineswegs als Fremder in einem fremden Inselreich zu fühlen brauchte. [1] Im Gegenteil, London war seit Jahren Heimat für eine große Anzahl von Deutschen, und der Neuankömmling war jederzeit in der Lage, Kontakt mit Landsleuten in London aufzunehmen. Nach der Volkszählung von 1871 hatten 105000 Fremde ihren Wohnsitz in Großbritannien, und 34000 von diesen waren Deutsche, die zum größten Teil in London wohnten. [2] London war zum Magnet für deutsche Arbeitnehmer aller Berufsarten und aller Klassen geworden. Arm und reich, groß und klein, alles strömte nach London. [3] So konnte das London der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts im Dockviertel und im East End eine verarmte Schicht ungeschulter deutscher Arbeiter beherbergen, die in schrecklichstem Elend lebte. Gleichzeitig aber wurden in der Presse und anderswo Stimmen laut, weil eine Invasion deutscher Bürokräfte stattfand, mit dem Ergebnis, daß die besten Stellen im kommerziellen Leben der englischen Hauptstadt von deutschen Angestellten besetzt wurden. [4] Ein deutliches Zeichen für die Verbreitung der Deutschen war die Gründung von Vereinen jeglicher Art. In seinem Londonbericht macht George Sims darauf aufmerksam, daß die Mitgliederzahlen der vielen deutschen Vereine in die Tausende gestiegen waren. Er beschließt seinen Bericht folgendermaßen:
London hat sein berühmtes Deutsches Hospital, das stattliche Institut in Dalston, welches der Freigebigkeit der Deutschen in London sein Fortgedeihen verdankt. Es hat auch seine deutsche »Londoner Zeitung« und sein Börsenblatt, »Die Finanzchronik«. Innerhalb seiner Grenzen befinden sich viele modische Stadthäuser; Königliche Hoheiten und Durchlauchten, Aristokraten mit Adelspatent, begüterte Bankiers, fürstliche Kaufleute, weltbekannte Ingenieurs, berühmte Gelehrte und ruhmvolle Künstler bewohnen die Paläste und Villen des Westens und führen ein zurückgezogenes Leben. [5]
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Anmerkungen
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Gregory Anderson: Victorian Clerks. Manchester UP 1976
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Malwida von Meysenbug: Memoiren einer Idealistin. 2 Bände, Stuttgart 1922.
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Peter Hille: Gesammelte Werke. Hrsg. von seinen Freunden. Eingeleitet von Julius Hart. Berlin 1916, S. 19.
Ulrich Linse: Organisierter Anarchismus im deutschen Kaiserreich von 1871. Berlin 1969, S. 128.
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Ritchie, J.M. (1988). Das Bild Londons in dem Romanwerk des deutschen Anarchisten John Henry Mackay. In: Wiedemann, C. (eds) Rom-Paris-London. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05555-2_38
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