Zusammenfassung
Die allgemeine kunstgeschichtliche Bedeutung der Emblematik liegt darin, daß sie eine riesenhafte Bilderenzyklopädie zugleich abbildender, deutender und praxisbezogen-normativer Wirklichkeitserschließung darstellt. [1] Ein Blick bereits in die Gliederung des monumentalen Handbuchs von Henkel und Schöne vermittelt einen Eindruck von ihrem umfassenden Anwendungsbereich, der vom Makrokosmos über Pflanzen und Tiere bis zur Menschenwelt und ihrer Geschichte und Mythologie reicht. [2] Mit den Worten eines barocken Emblemtheoretikers: Nulla res est sub sole, quae materiam Emblemati dare non possit. [3] So läßt sich motivgeschichtlich beobachten, daß viele Gegenstände der Natur und der menschlichen Erfahrungswelt zum ersten Mal in einem Emblem dargestellt, d.h. bildwürdig wurden. Die der Emblematik konstitutiv zugrunde liegende bildliche Erschließung der umgebenden Wirklichkeit ist nicht eine mehr oder weniger zufällige Erweiterung des mittelalterlichen Darstellungsrepertoires um vereinzelte Motive. Hierbei handelt es sich vielmehr um den zentralen kunstgeschichtlichen Vorgang, der zur Ausprägung des perspektivisch distanzierten, auf das betrachtende Subjekt bezogenen Raumbildes führte. Die Gegenstandsabbildung verbindet sich dabei immer mit einer Auslegung, die entweder im Bild selbst schon durch auffällige Motivgruppierung oder erst — in der literarischen Emblematik — mit Hilfe des begleitenden Textes faßbar ist, und zielt als orientierendes Leitbild damit auf die Lebenswirklichkeit menschlicher Verhaltensweisen in historisch variierender Intensität des Anspruchs und der Verbindlichkeit.
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Anmerkungen
Im Hinblick auf den Wirklichkeitsaspekt grenzen Henkel-Schöne, 1976, S. XIV (nach Schöne, 1964, S. 32) das Emblem innerhalb eines weiter gefaßten Allegoriebegriffs folgendermaßen ab: »Während das konkrete Zeichen des allegorischen Bildes im strengen Sinne allein der Absicht dient, jenen abstrakten Begriff sinnfällig zu machen, auf den es verweist, also ganz und gar aufgeht in dieser Funktion, allererst lebensfähig wird durch die Bedeutung, für die es einsteht, zeigt sich die Res picta des Emblems existent vor aller Bedeutungsentdeckung, lebensfähig auch ohne den Sinnbezug, den die Subscriptio namhaft macht.« Vgl. zur Diskussion um Schönes idealtypische Emblemdefinition bes. Hessel Miedema: The term ›emblema‹ in Alciati, JWCI 31 (1968), S. 234–250
Sibylle Penkert: Zur Emblemforschung (Besprechung von Henkel-Schöne, 1967, und Schöne, 1968), Göttingische Gelehrte Anzeigen 224 (1972), S. 100–120, bes. S. 109–113.
Henkel-Schöne, 1976, S. VI-VII. Vgl. als Gesamtüberblick Heckscher-Wirth; zu den Gliederungsprinzipien Henkel-Schönes: William S. Heckscher/Cameron F. Bunker: Besprechung Henkel-Schöne, 1967, RQ 23 (1970), S. 60–65, bes. S. 61 f.; Penkert [s. Anm. 1], S. 108 ff.
Erwin Panofsky: Early Netherlandish painting. Its origins and character. 2. Aufl. Cambridge, Mass., 1958, Bd. I, S. 131–148, bes. 142 f.; Millard Meiss: Light as form and symbol in some fifteenth-century paintings, The Art Bulletin 27 (1945), S. 175–181.
Konrad Hoffmann: Antikenrezeption und Zivilisationsprozeß im erotischen Bilderkreis der frühen Neuzeit, Antike und Abendland 24 (1978), S. 146–158.
Vgl. zum Zusammenhang: Guido Kisch: Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel. Eine bibliographische Einführung und Übersicht mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsgeschichte, ArchK 40 (1958), S. 194–221; zu Alciati/Peutinger: Heinrich Lutz: Conrad Peutinger. Beiträge zu einer politischen Biographie (Abh. z. Gesch. d. Stadt Augsburg 9), Augsburg 1958, S. 129–131.
Ernst H. Kantorowicz: Mysteries of state. An absolutist concept and its late medieval origins, Harvard Theological Review 48 (1955), S. 65–91 (jetzt in E. H. K.: Selected Studies, Locust Valley, N.Y., 1965, S. 381–398, cf. 393–395); ders.: The king’s two bodies. A study in medieval political theology, Princeton 1957, S. 173 ff.
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Hoffmann, K. (1979). Alciati und die geschichtliche Stellung der Emblematik. In: Haug, W. (eds) Formen und Funktionen der Allegorie. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05550-7_28
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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