Zusammenfassung
Comics und Graphic Novels, denen literarische Texte zugrunde liegen (im Folgenden ›Literaturcomics‹ genannt), existieren in vielen Spielformen (vgl. Hangartner 2009; Schmitz-Emans 2012; Schmitz-Emans 2012a; Trabert/Stuhlfauth-Trabert/Waßmer 2015). Vor allem der Einzug von Graphic Novels in die Büchersammlungen einer kulturell interessierten Leserschaft stimulierte hier eine verstärkte Nachfrage, die Comiczeichner verschiedener Sprachräume bedienen. Literaturcomics unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Nähe zum Ausgangstext, aber auch hinsichtlich der Motive für die Wahl der literarischen Vorlage. So kann (1) die Bildererzählung in den Dienst der Textvorlage treten, insofern sie Wissen über diese vermitteln möchte; entsprechende Beispiele präsentieren sich oft auch auf paratextueller Ebene als informative Sachcomics (vgl. Kap. 17). Andererseits (2) kann die Vorlage als Stoffieferantin und Spielmaterial zur Realisierung ästhetischer Eigeninteressen der Comic-Künstler (Zeichner und Szenaristen) fungieren; die Übergänge zwischen Information über und Spiel mit der literarischen Vorlage sind aber fießend. Besonders beliebte Hypotexte sind die großen weltliterarischen Klassiker (etwa Dantes Divina Commedia, Shakespeares Dramen, Goethes Faust, Melvilles Moby Dick, Texte Kafkas), sei es im Rahmen der Nutzung des Comics zur Verbreitung von Kanonwissen, sei es, weil so beim Leser am ehesten ein solches Wissen bereits vorausgesetzt werden kann; Letzteres ist vor allem bei parodistischen Klassiker-Referenzen wichtig.
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Primärliteratur
[Div. Zeichner:] Moga Mobos 100 Meisterwerke der Weltliteratur. Berlin 2001.
Casanave, Daniel/Robert Cara: L’Amérique. 3 Bde. Frontignan 2005, 2007, 2008.
Eisner, Will: Fagin, the Jew. New York 2003.
Flix: Faust. Der Tragödie erster Teil. Hamburg 2010/14.
Flöthmann, Frank: Grimms Märchen ohne Worte. Köln 2013.
Heuet, Stéphane: Marcel Proust: À la recherche du temps perdu. Paris 1998–2013 (dt. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 2010–2014).
Kardinar, Alexandra/Volker Schlecht: Das Fräulein von Scuderi. Frankfurt a. M. 2011.
Meurisse, Catherine: Mes hommes de lettres. Petit précis de littérature française. Paris 2008.
Montellier, Chantal/David Zane Mairowitz: Franz Kafka: The Trial. London 2008.
Nordmann, Falk: Faust. Der Tragödie erster Teil. Hamburg 1996.
Rowson, Martin: Tristram Shandy. London 1996 (dt. Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman, 2011).
Simmonds, Posy: Gemma Bovery. London 1999 (dt. Gemma Bovery, 2011).
Vandermeulen, David: Littérature pour tous. Montpellier 2002.
Grundlegende Literatur
Backe, Hans-Joachim: Under the Hood. Die Verweisstruktur der Watchmen. Bochum/Essen 2010. [Der Band analysiert die Watchmen-Comics von Moore/Gibbons unter Akzentuierung ihrer intertextu-ellen Prägung; kommentiert werden Motive, Konzepte und Zitate aus biblischen und weltliterarischen Texten, aus Liedern, philosophischen und wissenschaftlichen Werken. So wird exemplarisch deutlich, wie sich stofiche Elemente, Figuren- und Motivsemantisierungen literarischer Provenienz als Zitate funktionalisieren lassen, um vielschichtige Comics zu konstruieren.]
Lohse, Rolf: »Acquefacques, Oubapo & Co. Medienreflexive Strategien in der aktuellen französischen bande dessinée«. In: Ditschke/Kroucheva/Stein 2009, 309–334. [In dieser exemplarischen Studie wird deutlich, inwiefern sich die Bildgeschichten Marc-Antoine Mathieus in die Geschichte der Literatur einschreiben: nicht nur auf der Ebene von Zitaten und Modellen, Figuren und Handlungselementen aus Einzeltexten, sondern auch durch Anknüpfungen an literarische Strömungen wie Oulipo.]
Schmitz-Emans, Monika (Hg.): Comic und Literatur: Konstellationen. Berlin/Boston 2012. [2012a] [Die Beiträge des Bandes beleuchten anhand konkreter Beispiele die Beziehungen zwischen Literatur und Comic auf verschiedenen Ebenen: auf der der Comicadaption literarischer Texte (Beispiele zu Dante, Poe, Proust, Saint-Exupéry u. a.), auf der der Comicvariante literarischer Gattungen (wie etwa der Biografie und der historischen Erzählung), auf der einer Reinszenierung von Mythen (wie etwa Orpheus) sowie auf der einer selbstbewusst entfalteten Zitatästhetik.]
Schmitz-Emans, Monika (in Zusammenarb. m. Christian A. Bachmann): Literatur-Comics. Adaptationen und Transformationen der Weltliteratur. Berlin/Boston 2012. [2012b] [Ausgehend von einem Versuch, das weite Feld des Literaturcomics zu kartieren und dabei verschiedene Spielformen der Comicadaption literarischer Texte, Motive und Figuren differenzierend zu beschreiben, werden Schwerpunktbereiche der Literatur-Adaption durch Comiczeichner anhand von Beispielen erörtert. Schwerpunkte liegen auf der Selbstbespiegelung des Comics in anderen Künsten sowie auf seiner Beziehung zur Geschichte der Konzeptualisierungen von ›Weltliteratur‹.]
Trabert, Florian/Stuhlfauth-Trabert, Mara/Waßmer, Johannes (Hg.): Graphisches Erzählen. Neue Perspektiven auf Literaturcomics. Bielefeld 2015. [Der Band versammelt Beiträge zu verschiedenen Spielformen der Literaturadaption durch Comiczeichner, zu den Literaturadaptionen einzelner Zeichner, zu exemplarischen, teils ›kanonischen‹ Einzelwerken, zu Strategien der Parodie, der Variation und der Modernisierung, aber auch zur Vorgeschichte des Comics in frühen Bilderzählungen.]
Sekundärliteratur
Bachmann, Christian A./Sina, Véronique/Banhold, Lars (Hg.): Comics Intermedial. Essen 2012.
Becker, Thomas (Hg.): Comic. Intermedialität und Legitimität eines popkulturellen Mediums. Essen/Bochum 2011.
Blackbeard, Bill (Hg.): 100 Jahre Comic Strips. 2 Bde. Hamburg 1995 (engl. The Comic Strip Century: Celebrating 100 Years of an American Art Form, 1995).
Ditschke, Stephan/Kroucheva, Katerina/Stein, Daniel (Hg.): Comics. Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums. Bielefeld 2009.
Ferstl, Paul: »Novel-Based Comics«. In: Mark Berninger/Jochen Ecke/Gideon Haberkorn (Hg.): Comics as a Nexus of Cultures. Essays on the Interplay of Media, Disciplines and International Perspectives. London 2010, 60–69.
Genette, Gérard: Palimpsestes. La Littérature au second degré. Paris 1982.
Hangartner, Urs: »Von Bildern und Büchern. Comics und Literatur — Comic-Literatur«. In: Text + Kritik, Sonderband: Comics, Mangas, Graphic Novels (2009), 35–56.
Jans, Michel/Cuozzo, Mariadelaide/Lador, Pierre-Yves/Péju, Pierre/Pratt, Hugo/Toppi, Sergio: Battaglia. Une Monographie. St Egrève 2006.
Kannenberg, Gene (Hg.): 500 essential Graphic Novels. The Ultimate Guide. New York/Cambridge 2008.
Leinen, Frank: »Spurensuche im Labyrinth. Marc-Antoine Mathieus Bandes dessinées zu Julius Coren-tin Acquefacques als experimentelle Metafiktion«. In: Frank Leinen/Guido Rings (Hg.): Bilderwelten — Textwelten — Comicwelten. Romanistische Begegnungen mit der neunten Kunst. München 2007, 229–263.
McCloud, Scott: Comics richtig lesen. Die unsichtbare Kunst [1994]. Hamburg 2001 (engl. Understanding Comics: The Invisible Art, 1993).
Platthaus, Andreas: Im Comic vereint — Eine Geschichte der Bildgeschichte. Frankfurt a. M./Leipzig 2000.
Platthaus, Andreas: »Über Proust hinaus erzählen. Stéphane Heuets Adaption von Un amour de Swann«. In: Schmitz-Emans 2012a, 67–83.
Reichmann, Wolfgang: »›Was lesen wir denn da?‹ Über Nicolas Mahlers visuelle Verdichtung und intertextuelle Fortschreibung von H. C. Artmanns Frankenstein in Sussex«. In: Trabert/Stuhlfauth-Trabert/Waßmer 2015, 125–141.
Schmitz-Emans, Monika: »Der Comic als ›übersetzte‹ Literatur? Literaturcomic, Übersetzung und Kulturtransfer bei Tezuka Osamu«. In: Hiroshi Yamamoto/Christine Ivanovic (Hg.): Übersetzung — Transformation. Umformungsprozesse in/von Texten, Medien, Kulturen. Würzburg 2010, 123–142. [2010a]
Schmitz-Emans, Monika: »Weltliteratur im Comic«. In: Alexandra Kleihues/Barbara Naumann/Edgar Pankow (Hg.): Intermedien. Zur kulturellen und artistischen Übertragung. Zürich 2010, 531–551. [2010b]
Schmitz-Emans, Monika: »Sprechblasen. Der Comic und seine Bedeutung für literarisch-poetische Experimente in den 1960er und 1970er Jahren«. In: Christoph Zeller (Hg.): Literarische Experimente: Medien, Kunst, Texte seit 1950. Heidelberg 2012, 173–207. [2012c]
Schmitz-Emans, Monika: »Nicolas Mahlers Literaturcomics«. In: Trabert/Stuhlfauth-Trabert/Waßmer 2015, 19–42.
Schüwer, Martin: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Trier 2008.
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Schmitz-Emans, M. (2016). Literaturcomics. In: Abel, J., Klein, C. (eds) Comics und Graphic Novels. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05443-2_16
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