Zusammenfassung
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Popularität von Goethes Faust – bei aller Zurückhaltung, die der zweite Teil seiner Dichtung bei vielen Lesern hervorrief – so sehr, dass nunmehr kaum noch Faust-Dichtungen entstanden, die nicht in irgendeiner Weise auf Goethes Drama Bezug nahmen, affirmativ oder kritisch, parodierend, imitierend, und nicht selten mit kühnem Über- oder trotzigem Unterbietungsgestus. In dem Maße, in dem Goethes Faust im humanistischen Gymnasium des Kaiserreichs und der Weimarer Republik zum festen Bestandteil des Deutschunterrichts wurde, stieg die Zahl der deutschen Faust-Imitationen und -Parodien noch einmal beträchtlich. Sehr vieles davon war mit leichter Hand geschrieben, für die rasche, oft auch flüchtige Lektüre gedacht und häufig mit tagesaktuellen oder begrenzten lokalen Bezügen versehen. Aus Faust, Mephisto und Gretchen wurden in dem Jahrhundert nach Goethes Tod populäre, oft holzschnittartig auf wenige Charakterzüge reduzierte Typen, die eine feste Verankerung im kollektiven Gedächtnis fanden – und das nicht nur in Deutschland. Isolierte Zitate aus Goethes Faust mutierten zu geflügelten Worten, die sich auch ohne Kenntnis des ursprünglichen Kontextes verbreiteten und deren Wiedererkennungseffekt für ganz unterschiedliche Zwecke genutzt wurde, nicht anders als es auch Versen aus Schillers Dramen und Gedichten erging (s. Kap. 37). Die Etablierung der ›Klassiker‹ Goethe und Schiller spiegelt sich so auch in der zunehmenden Popularisierung und Trivialisierung ihrer bekanntesten Werke.
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Literatur
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Doering, S. (2018). Literatur. In: Rohde, C., Valk, T., Mayer, M. (eds) Faust-Handbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05363-3_32
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Online ISBN: 978-3-476-05363-3
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