Zusammenfassung
Als im Mai 1941 endlich alle nötigen Papiere vorlagen, verließ Brecht mit Margarete Steffin, Ruth Berlau und seiner Familie Finnland und fuhr über Leningrad und Moskau nach Wladiwostok, von wo aus er am 21. Juli, einige Wochen nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion, zu Schiff Los Angeles erreichte. Mehr als sechs Jahre in den Vereinigten Staaten von Amerika lagen vor ihm. Es war allerdings nicht seine erste Berührung mit diesem Land, denn schon von Oktober 1935 bis Februar 1936 hatte er sich in New York aufgehalten, um die Inszenierung des Stückes Die Mutter an einem Arbeitertheater zu begleiten. Und seine literarische Beschäftigung mit der Neuen Welt reicht noch viel weiter zurück. Bereits einige seiner frühen balladesken Gedichte machen den Kontinent Amerika zum Schauplatz abenteuerlicher Erlebnisse, in deren Mittelpunkt die Konfrontation des Menschen mit einer übermächtigen elementaren Natur steht. Zu nennen sind insbesondere Das Lied von der Eisenbahntruppe von Fort Donald, dessen erste Fassung aus dem Jahre 1916 stammt, die Ballade von des Cortez Leuten und Vom Tod im Wald. Amerika dient hier aber bloß als exotische Kulisse, die sich ohne weiteres austauschen ließe. Es ist bezeichnend, dass in der Urfassung des zuletzt genannten Gedichts, die den Titel Tod im Walde trägt, der Amerika-Bezug noch fehlt (vgl. 11, S. 307 f.), den Brecht erst in der Version der Hauspostille herstellte, indem er in den Eingangsversen die Ortsnamen »Hathourywald« und »Mississippi« einfügte (11, S. 80). Offenkundig macht es kaum einen Unterschied, ob das Geschehen in einer namenlosen Wildnis oder in einer durch wenige Versatzstücke notdürftig gekennzeichneten nordamerikanischen Landschaft angesiedelt ist. Den »exotischen Schauplätzen und Motiven« kommt in solchen Texten lediglich »die Funktion zu, einen (poetischen) Vorstellungsraum zu öffnen, der von den realen Bedingungen des modernen Lebens entlastet.«1
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Notes
Katharina Grätz: Korallenchor und Matrosenpuff: Entwürfe des Exotischen bei Benn und Brecht. In: Gottfried Benn–Bertolt Brecht. Das Janusgesicht der Moderne. Hrsg. von Achim Aurnhammer, Werner Frick und Günter Saße. Würzburg 2009, S. 131–152, hier S. 137.
Detlev J.K. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne. Frankfurt a.M. 1987, S. 179f.
Herbert Lehnert: Verschollener Ruhm der Riesenstadt New York. Widerstrebender Verzicht auf eine Faszination. In: Gedichte von Bertolt Brecht. Interpretationen. Hrsg. von Jan Knopf. Stuttgart 1995, S. 93–103. Ähnlich argumentiert schon Franz Norbert Mennemeier: Bertolt Brecht als Elegiker. In: Der Deutschunterricht 23 (1971), H. 1, S. 59–73, hier S. 63 f.
James K. Lyon: Bertolt Brecht in Amerika. Aus dem Amerikanischen von Traute M. Marshall. Frankfurt a. M. 1984, S. 124, listet die zahlreichen Filmautoren, Produzenten, Regisseure und Schauspieler auf, mit denen Brecht in Verbindung stand.
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Kittstein, U. (2012). Brecht und Amerika. In: Das lyrische Werk Bertolt Brechts. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05340-4_11
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