Zusammenfassung
Am 6. Dezember 1949 schreibt Thomas Mann einen sehr ausführlichen Dankesbrief an den Bühnenbildner Emil Preetorius, der ihm sein Buch über Wagner. Bild und Vision1 zugesandt hatte. Zu Beginn bekennt er, er habe das Bändchen »in einem Zug gelesen«, was selten bei ihm vorkomme, sich indessen der »klug und liebevoll eindringenden, aus tiefer Beschäftigung kommende Darstellung« verdanke, die sich zu »einer aus Eingeweihtheit kühnen Umschreibung und Explizierung des ganzen kolossalen Phänomens überhaupt« ausweite. Doch nach solcher Zustimmung folgen Vorbehalte: Preetorius glaube Wagner allzuviel, lasse »unwillkürlich und notwendigerweise zuviel weg von dem, was gräßlich an ihm war« und verkläre noch dessen »Welterfolg, dass es fast schon ans Unglaubliche« grenze. Denn der sei der »deutschen Mischung aus Barbarismus und Raffinement … plus Erotismus« zu danken, »wie er in Gesellschaft noch nie exhibiert worden war.« Und Thomas Mann fügt an: »Es ist da, in Wagners Bramarbasieren, ewigem Perorieren, Alleinreden-Wollen, über alles Mitreden-Wollen eine namenlose Unbescheidenheit, die Hitler vorbildet, — gewiß, es ist viel ›Hitler‹ in Wagner, und das haben Sie ausgelassen, mußten es natürlich auslassen, — wie sollten Sie das Werk, dem sie dienen, mit Hitler in Verbindung bringen. Es hat lange genug mit ihm in Verbindung gestanden.«2
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Literatur
Emil Preetorius,Wagner. Bild und Vision, Godesberg 1949.
Thomas Mann, Brief an Emil Preetorius vom 6. Dezember 1949, in: Thomas Mann, Briefe 1848–1955 und Nachlese, Frankfurt/M. 1965, S. 113 ff. Die ersten Zitate S. 113 f.; das letzte Zitat S. 115. Emil Preetorius (1883–1973) war einer der bedeutendsten Bühnenbildner der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er studierte ursprünglich Jura, Kunstgeschichte und Naturwissenschaften, promovierte zum Dr. jur., wurde als Zeichner und Illustrator tätig. Ab 1909 leitete er verschiedene künstlerische Werkstätten und wirkte ab 1928 als Professor für Bühnenbildkunst an der Münchner Hochschule für Bildende Künste. Er gehörte zum Freundeskreis von Thomas Mann, illustrierte einige seiner Werke, war seit 1923 für die Münchner Kammerspiele, seit 1932 für die Bayreuther Festspiele tätig. 1942 denunziert als judenfreundlich, kam er kurz in Gestapo-Haft, auf Anordnung Hitlers wieder frei und erhielt 1943 vom NS-Regime die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Nach dem Krieg war er von 1948 bis 1968 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Veröffentlichungen u. a.: Vom Bühnenbild bei Richard Wagner, 1938; Weltbild und Weltgehalt, 1947; Geheimnis des Sichtbaren, 1963.
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Bermbach, U. (2011). Hitlers nazifizierter Wagner. In: Richard Wagner in Deutschland. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05295-7_9
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