Zusammenfassung
Als sich 1876 im neuerbauten Bayreuther Festspielhaus erstmals der Vorhang hob, erlebte das dort versammelte Publikum die Uraufführung des Ring des Nibelungen. Zwar waren Teile der Tetralogie bereits Jahre zuvor in München, auf Wunsch Ludwigs II. und gegen den ausdrücklichen Willen Wagners aufgeführt worden — so Rheingold 1869 und Die Walküre 1870 –, aber die erste Aufführung der gesamten Tetralogie blieb am Ende doch, dem Willen Wagners gemäß, Bayreuth vorbehalten. Die dort versammelten Zuhörer, darunter eine Vielzahl prominenter Musikkritiker, hörten und sahen dann freilich ein Werk, das sie nicht sofort einzuordnen verstanden, weil es, gemessen an ihren bisherigen Erfahrungen, alle Dimensionen des Musiktheaters gesprengt hatte. Vor dem scheinbar maßlosen Anspruch Wagners versagte vielfach die Urteilskraft, und folglich war die Resonanz durchaus gespalten. Das änderte zwar nichts daran, dass das Werk bald eine weite Verbreitung fand; Angelo Neumanns ›wanderndes Wagnertheater‹ führte den Zyklus 1882/83 in zweiundzwanzig europäischen Städten auf und in den nachfolgenden Jahren wurde die Tetralogie mehr und mehr zu einem Repertoirestück nicht nur großer Häuser, sondern auch kleinerer Hoftheater, für die — mit Zustimmung Wagners — eine eigene Fassung für reduziertes Orchester erstellt worden war. 1906 gab es, um ein Beispiel zu nennen, in dreiunddreißig Theatern insgesamt 68 Aufführungen und nach 1932/33 spielten sechzehn Theater den Ring, darunter auch kleine Bühnen wie Coburg, Mainz, Bremen, Breslau und Königsberg.1
»Ich glaube, daß das Theater der Ort ist, wo Ideen sich verkörpern, wo Abstraktionen, Ideologien und Dialektiken anschaulich gemacht werden und gezeigt werden können.«
Patrice Chéreau, Bayreuther Programmhefte IV/1977
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Literatur
Als ein Beispiel vgl. F. Müller, Der Ring des Nibelungen. Eine Studie zur Einführung in die gleichnamige Dichtung Richard Wagners, 1862.
Paul Lindau, Nüchterne Briefe aus Bayreuth. Vergeblicher Versuch im Jahr 1876, Zeit und Geister Richard Wagners zu bannen, Breslau 1876 (Neuaufl age Berlin 1989). Die folgenden Zitate auf den Seiten 31; 37; 44; 53; 58; 60; 54.
Paul Lindau, Götter, Helden und Wagner. Ein Brief post festum, in: Gartenlaube 1876; hier zitiert nach Susanne Großmann-Vendrey, Bayreuth in der deutschen Presse, S. 59.
Hubert Kolland, Die kontroverse Rezeption von Wagners Nibelungen-Ring 1850–1870, Köln 1995.
Robert Donington, Richard Wagners Ring des Nibelungen und seine Symbole, Stuttgart 1976.
Bernhard Diebold, Der Fall Wagner. Eine Revision, Frankfurt/M. 1928.
Vgl. dazu Nora Eckert, Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001, S. 155 ff.
Wieland Wagner (Hg.), Richard Wagner und das neue Bayreuth, München 1962. Die folgenden Zitate auf S. 7.
Willy Jäger und Hans Oesch (Hg.), Der Fall Bayreuth, Basel/Stuttgart 1962.
Theodor W. Adorno, Versuch über Wagner, Frankfurt/M. 1952; München/Zürich 1964 sowie in: derselbe, Die musikalischen Monographien, Gesammelte Schriften Bd. 13, Frankfurt/M. 1971, S. 7 ff.
Dieter Borchmeyer (Hg.), Wege des Mythos in der Moderne. Richard Wagners Der Ring des Nibelungen, München 1987.
Lutz Köpnick, Nothungs Modernität. Wagners Ring und die Poesie der Macht, München 1994, S. 40. Die folgenen Zitate auf den Seiten 10; 74.
Klaus Theweleit, Männerphantasien, 2 Bde., Frankfurt/M. 1977.
Dieter Schickling, Abschied von Walhall. Richard Wagners erotische Gesellschaft, Stuttgart 1983. Das Zitat S. 19. Das folgende Zitat S. 179 ff.
Peter Berne, »Falb f elen die Blätter, dürr darbte der Baum«–Gedanken über Wagners Ring und die ökologische Krise der Gegenwart, in: Wagner-Rezeption heute. Der Ring des Nibelungen, Schriftenreihe der Deutschen Richard-Wagner-Gesellschaft, Bd. 2, 1994, S. 37 ff.
Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos, München 1985, S. 257. Die folgenden Zitate auf den Seiten 266; 279; 390; 392.
Kurt Hübner, Die moderne Mythos-Forschung —– eine noch nicht erkannte Revolution, in: Dieter Borchmeyer (Hg.), Wege des Mythos in die Moderne. Richard Wagner Der Ring des Nibelungen, München 1987, S. 257. Die folgenden Zitate S. 258.
Kurt Overhoff, Wagners Nibelungen-Trilogie. Eine zeitgemäße Betrachtung, Salzburg/München 1976.
Jürgen Kühnel, Richard Wagners Ring des Nibelungen. Stoffgeschichtliche Grundlagen. Dramaturgische Konzeption. Szenische Realisierung, Siegen 1991.
Herbert Hubert, Richard Wagner. Der Ring des Nibelungen. Nach seinem mythologischen, theologischen und philosophischen Gehalt Vers für Vers erklärt, Weinheim 1988.
Tobias Janz, Klangdramaturgie. Studien zur theatralen Orchesterkomposition in Wagners)Ring des Nibelungen‹, Würzburg 2006.
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Bermbach, U. (2011). Stationen der Ring-Deutungen seit 1876. In: Richard Wagner in Deutschland. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05295-7_7
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01884-7
Online ISBN: 978-3-476-05295-7
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