Birtwistle, Harrison

Zusammenfassung

Der Kupferstich »Triumph der Zeit« von Pieter Breughel dem Älteren zeigt eine makabre Prozession: Auf einem Wagen die Figur der Zeit, ein Kind verschlingend und in der anderen Hand eine Schlange haltend, im Kreis gewunden, ihren eigenen Schwanz im Maul; hinter dem Wagen reiten auf einer klapprigen Mähre der Tod und auf einem prachtvollen Elefanten der Ruhm. The Triumph of Time (1971–72), B.s erstes Werk für großes Orchester nach einer Reihe von Ensemble- und Vokalwerken und inspiriert von Breughels Bild, reflektiert den Doppelaspekt von Zeit: die lineare Zeit, die alles vergehen läßt, alles »verschlingt«, ist repräsentiert durch ein dreitöniges Saxophonmotiv, die zyklische Zeit wird dargestellt durch eine weiche Englischhorn-Melodie — Werden, Vergehen, Wiedergeburt — die Folge der Jahreszeiten als Symbole eines nichtlinearen Zeitgefühls. Ein riesenhaftes Adagio, fast in der Art eines Mahlerschen Trauermarsches, zeigt paradigmatisch die Formideen B.s: klassische, traditionelle Konzeptionen meidet er, an ihre Stelle treten immer wieder Vorstellungen von Prozession, Ritual, Zyklus, orientiert an Prinzipien mittelalterlicher Musik wie Isorhythmie, Organum oder Hoquetus, während die Romantik, trotz des Mahler-nahen (Kon-) Duktus, ihm fernsteht.