Zusammenfassung
Dieses Kapitel ist Konzepten einer radikalen Moralkritik gewidmet. Den Anfang bilden die antiken Sophisten, deren moralische Einstellung durchaus unterschiedlich ist. Einige von ihnen betonen die Gleichheit aller Menschen, andere das ‚Recht des Stärkeren‘. Zu diesen gehören Thrasymachos und Kallikles, die beide in platonischen Dialogen auftreten. Sie kritisieren das herrschende geltende Recht, das von den vielen Schwachen und im Interesse der Schwachen geschaffen wurde, während das von Natur aus geltende Recht der Starken unterdrückt wird. Karl Marx und Friedrich Engels kritisieren demgegenüber die Moral der herrschenden bürgerlichen Klasse, die gegenüber dem Proletariat jedoch eine Minderheit darstellt. Erst nach der revolutionären Abschaffung der Klassen ist eine allgemeine menschliche Moral möglich, in der die individuellen Kräfte des Menschen sich frei entfalten können. Friedrich Nietzsche schließt mit seiner Moralkritik dagegen wieder an die Sophisten an. Die herrschende Moral, die er kritisiert, ist eine ‚Sklavenmoral‘, die sich in Europa durch die Verbreitung des Christentums entwickelt hat. Die laut vertretene christliche Nächstenliebe ist seiner Meinung nach in Wahrheit voller Ressentiment gegen die starken und ‚vornehmen‘ Menschen. Daher plädiert er für die Renaissance einer antiken, aristokratischen ‚Herrenmoral‘. Bemerkenswert ist jedoch, dass in allen drei Varianten der Moralkritik nicht Moral selbst verworfen wird, sondern nur die jeweils ‚herrschende‘ durch eine andere, bessere, ersetzt werden soll.
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Pleger, W. (2020). IX Konzepte radikaler Moralkritik. In: Das gute Leben. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04980-3_10
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