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Der Zaungast an den Toren der Verheißung. Popmusikalische Referenzen in Frank Witzels Die Erfindung

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Frank Witzel

Part of the book series: Kontemporär. Schriften zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ((KSDG,volume 4))

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Zusammenfassung

Direkt nach dem Roman ist kurz davor. An welcher Stelle in Frank Witzels 2015 erschienenem Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 das letzte Wort fällt, ist durchaus diskutierbar: Schließt er mit jenem, vom erwachsenen Teenager erinnerten und den Leser aus der Diegese entlassenden, „verschneiten Tag im Januar“ (802), an dem er die erzählte Welt – „Es ist ein verschneiter Tag im Januar“ (9) – auch betritt, und wird dergestalt jener an den Anfang des Romans zurückkehrende Lektüre-„Neuanfang“ in ironischer Weise insinuiert, von dem die Kapitelüberschrift des letzten, 98. Kapitels („Der Befrager rät von einem Neuanfang ab“), gerade abzuraten scheint? Sind die zwar am Ende des Buches im Inhaltsverzeichnis, jedoch nicht im fortlaufenden Text angeführten Kapitelüberschriften, zu denen die Leserin im Strom der Zeichen als mehr oder weniger Orientierung stiftenden Lektürebojen bei jedem neuen Kapitel vorausblättern kann, bloße Bestandteile eines informierenden Paratextes, oder gehören sie – das Erzählte mal sentenzenhaft zusammenfassend, mal ironisch kommentierend, mal in einen intertextuellen Kontext rückend, mal Hochkulturelles travestierend, – noch zur textuellen Welt? Oder ist das „Zündplättchen“ (818), das das fortlaufend paginierte und, so Witzel, von ihm selbst angelegte, man könnte auch sagen: komponierte Register beschließt, das letzte Wort? Ein weiterer, aussichtsreicher Kandidat, wenn auch nicht – ob der eben angeführten Grenzverwirrungen – für das definitiv letzte, so doch immerhin für eine Art Schlusswort in einem Roman, der im wahrsten Sinne des Wortes kein Ende finden kann und will, wäre schließlich auch jene popmusikalische Referenz, mit der, als resümierendem Motto, die im engeren Sinne peritextuelle Rahmung der erzählten Welt abgeschlossen wird.

„Now Reader, I have told my Dream to thee;

See if thou canst Interpret it to me“

(John Bunyan: The Pilgrim’s Progress)

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Notes

  1. 1.

    Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. Berlin 2015. Im Folgenden werden Zitate aus dem Roman stets im Fließtext mit der entsprechenden Seitenangabe in Klammern belegt.

  2. 2.

    Die dergestalt nahegelegte zyklische Romanstruktur fügt sich zum einen in das neu-frühromantische, auf prinzipielle Unabschließbarkeit angelegte, poetologische Konzept eines Autors, der „[d]as geschlossene Narrativ des linear angelegten und auf ein Ziel zusteuernden Romans […] als Kennzeichen einer Verdrängungsleistung“ (Frank Witzel: Über den Roman – hinaus. Heidelberg 2018, 78) ablehnt; zum anderen bildet die durch die zyklische Struktur insinuierte Aufforderung, die Leserin möge den Roman ein weiteres Mal lesen, ein literaturhistorisch relativ stabiles Element im Rahmen der öffentlichen Inszenierung besonders umfangreicher, in überdurchschnittlichem Maße Lese- wie Lebenszeit beanspruchender Romane. Man denke etwa an Thomas Manns poetologisch begründete Forderung – erhoben 1939 im Rahmen seiner „Einführung in den Zauberberg“ vor Studenten der Universität Princeton –, „daß man es [das Buch] zweimal lesen soll.“ (Thomas Mann: Einführung in den „Zauberberg“. In: Ders.: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden. Frankfurt am Main 1990, Bd. 11, 602–617, hier: 610).

  3. 3.

    Das keineswegs auf einsinnige Orientierung angelegte Verhältnis der Kapitelüberschriften zum Haupttext wäre durchaus eine eigene Untersuchung wert. So liefert etwa – um hier nur einige Beispiele zu nennen – die Überschrift des siebzehnten Kapitels, „Während der Hamburger RAF-Tage überholt das Persönliche erneut das Politische“, eine sentenzenhafte Zusammenfassung eines der Grunddilemmata, die den mentalen Zustand des Teenagers kennzeichnen, „Claudia und Bernd lassen sich nicht schnappen“ (1. Kapitel) knüpft in ironischer Weise an den Gestus einschlägiger Jugendbücher an, „Die Philosophie des Unterhemds“ (10. Kapitel) travestiert – in der Kombination zweier weit auseinanderliegender Bildbereiche – hochkulturell nobilitierte Schreibweisen und das intertextuelle Assoziationsspektrum der „Rede des Erwachsenen Teenagers vom Weltgebäude der Spezialambulanz für Persönlichkeitsstörungen des Universitätsklinikums Eppendorf herab“ reicht von barocken Betitelungsgewohnheiten über Jean Pauls „Rede des toten Christus vom Weltengebäude herab, daß kein Gott sei“ aus dessen Roman Siebenkäs (1796/1797) bis zu Peter Weiss’ Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade (1964).

  4. 4.

    S. dazu das Werkstattgespräch mit Frank Witzel im vorliegenden Band. Auch das Register hat – jenseits des Ordnung und Orientierung stiftenden Werts, den es nicht zuletzt für die literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Roman hat – eine gleichsam poetische Dimension. Indem es Elemente in eine bisweilen geradezu paradoxe Nachbarschaft rückt (etwa: „Derrick, Stephan“ und „Derrida, Jacques“, 808) und zudem leitmotivisch noch einmal alle zentralen Motive des Romans rhapsodiert, ließe es sich als eine ironische Kontrafaktur jener Erzähltechnik begreifen, die James Joyce – allerdings zur Eröffnung – im elften Kapitel des Ulysses zum Einsatz bringt: Leitmotivisch werden hier eingangs über zwei Seiten Geräusch-, Gesprächs- und Erzählfetzen aus der dann erst folgenden, vergleichsweise konventionell erzählten Szene in der Bar des Ormond-Hotels wie in einer klang- und nicht mehr sinnstiftenden Sprachmaterial-Ouvertüre montiert (vgl. James Joyce: Ulysses. Hg. von Hans Walter Gabler. London 1986, 210–211).

  5. 5.

    Zur Einleitung der peritextuellen Rahmung s. den Beitrag von Jürgensen/Weixler in diesem Band.

  6. 6.

    Procol Harum: Pilgrim’s Progress. Auf: Dies.: A Salty Dog. Regal Zonophone 1969.

  7. 7.

    Zieht man Witzels ebenso kenntnisreiche wie leidenschaftliche Vertrautheit mit dem œuvre der Beatles sowie die poetologische Spiegelungsfunktion vor allem des Sgt.-Pepper’s-Albums (s. dazu unten) in Betracht, so mögen die strukturellen Parallelen, die diese literarische Schlussgestaltung mit einem der berühmtesten Song-Finales der Popgeschichte aufweist, nicht nur im Auge des Verfassers liegen: Beenden doch die Beatles ihren letzten Song auf dem epochemachenden Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, A Day in The Life, nach einem vielstimmigen, dissonanten Orchester-Crescendo mit einem gewaltigen, den Eingangsakkord des Stückes wieder aufgreifenden, gleichsam alle vorherigen Turbulenzen (vorübergehend) auflösenden und lange aushallenden E-Dur-Akkord. Dieser Akkord ist jedoch genauso wenig das ‚letzte Wort‘ des Albums, wie das Procol-Harum-Zitat das tatsächliche Ende von Witzels Roman markiert. Während bei Letzterem noch – wie oben angeführt – das in seinem textuellen Status unklare Register und das Verzeichnis der Kapitelüberschriften folgen, endet das Beatles-Album in einem in die Auslaufrille gepressten (und deshalb in Zeiten der manuellen Plattenspielerbedienung prinzipiell unendlichen) Stimmengewirr, aus dem sich ganz unterschiedliche Sätze heraushören lassen. In der Beatles-Philologie herrscht bis heute Uneinigkeit darüber, welcher Satz genau das ‚letzte Wort‘ des Albums ausmacht (s. dazu Frank Witzel: „The Inner Groove of Sgt. Pepper. Die Beatles und ihr Übergangsritus“. In: Gerhard Kaiser/Christoph Jürgensen/Antonius Weixler (Hg.): Younger Than Yesterday. 1967 als Schaltjahr des Pop. Berlin 2017, 11–28 und 237–240, hier: 28 und 240.) Witzel selbst gehört laut Selbstauskunft zu jener „Fraktion, die ‚Never could be any other way‘ hört, und zwar auf allen vier unterschiedlichen Pressungen.“ (ebd., 240)

  8. 8.

    Beide Seiten sind unpaginiert, bei fortlaufender Zählung handelt es sich um die Seiten 802 und 803.

  9. 9.

    Wie stark Witzels Romanpoetik an frühromantische Positionen anknüpft, wird deutlich, wenn er in seiner Poetikvorlesung die „Textstruktur als Netz“ begreift, „das in unendliche Weiten und nach allen Seiten hin aufgespannt ist und an jedem Knotenpunkt einen Diamanten hat, in dem sich alle anderen Diamanten spiegeln“ (Frank Witzel: Über den Roman – hinaus [wie Anm. 2], 71) Witzel selbst beruft sich in diesem Zusammenhang zwar auf Derrida, doch erinnern seine Ausführungen vor allen Dingen im Blick auf die Metaphorik des Spiegelns an Friedrich Schlegels Forderung aus dem 116. Athenäums-Fragment, der romantische Roman müsse „auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen.“ (Friedrich Schlegel: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Hg. von Ernst Behler. München/Paderborn/Wien 1958, Bd. 2, 183).

  10. 10.

    Unter „Popmusik“ soll hier im Sinne Diedrich Diederichsens jener „ungefähr seit der Mitte des letzten Jahrhunderts“ beobachtbare „Zusammenhang aus Bildern, Performances, (meist populärer) Musik, Texten und an reale Personen geknüpfte Erzählungen“ verstanden werden, den „die Hörer, die Fans, die Kunden von Pop-Musik selbst“ stiften (Diedrich Diederichsen: Über Pop-Musik. Köln 2015, XI). Dass dieser weite Begriff von Popmusik mit einem extensional wie intensional engeren, historisch wie stilistisch spezifischeren (nicht immer reibungslos) koexistiert, kann im Rahmen der vorliegenden Überlegungen außer Acht gelassen werden (s. zu den Verwendungsweisen des Begriffes Thomas Hecken: „Pop“. In: Ders./Marcus S. Kleiner (Hg.): Handbuch Popkultur. Stuttgart 2017, 44–53).

  11. 11.

    S. zu Bluemoon Baby den Beitrag von Jan Borkowski in diesem Band.

  12. 12.

    Zu den Gesprächen und Essays s. Frank Witzel/Klaus Walter/Thomas Meinecke: Plattenspieler. Hamburg 2005 (s. dazu den Beitrag von Christopher David Assmann in diesem Band); Frank Witzel/Klaus Walter/Thomas Meinecke: Die Bundesrepublik Deutschland. Hamburg 2009; Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir. Berlin 2016; Frank Witzel: „The Inner Groove of Sgt. Pepper“ (wie Anm. 7). Neben den Jazzplatten, an denen Witzel beteiligt ist, sei hier auf seinen Song Suicidal Glue, ein von ihm komponiertes und eingespieltes Beatles-pastiche, hingewiesen, der sich auf der Hörspielfassung der Erfindung findet (Frank Witzel: Suicidal Glue. Auf: Ders.: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. Bayerischer Rundfunk 2016). Zu dieser Hörspielfassung s. den Beitrag von Anke Detken in diesem Band.

  13. 13.

    Bezeichnenderweise kommt Witzels bisher letzter (und wahrscheinlich dunkelster) Roman, Direkt danach und kurz davor (2017) völlig ohne derartige Bezüge aus. Dies mag nicht nur am historischen sujet – der unmittelbaren Nachkriegszeit, will sagen: dem Zeitalter vor dem kulturgeschichtlichen ‚Siegeszug‘ der Popmusik – liegen, sondern vielleicht auch an einem gewissen Unbehagen des Autors daran, ‚bloß‘ auf die Rolle eines gleichsam popliterarischen Archivars der alten Bundesrepublik festgelegt zu werden.

  14. 14.

    Helmut Böttiger: „Das Schlagzeug der Sprache“. In: Süddeutsche Zeitung, 15.06.2015.

  15. 15.

    Zum Begriff der Singularisierung s. Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. Frankfurt am Main 2017.

  16. 16.

    Frank Witzel/Klaus Walter/Thomas Meinecke: Die Bundesrepublik Deutschland (wie Anm. 12), 114.

  17. 17.

    Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir (wie Anm. 12), 58. Felsch greift in diesem Zusammenhang auf den Begriff der „Zaungäste“ des Historikers Reinhard Mohr zurück, der damit jene Generationsgenossinnen Witzels meint, die im Schatten „eine[r] etwas ältere[n], große[n] Jugendbewegung“ (ebd., 59) stehen. Den Begriff des „innocent bystander“ verwendet Witzel selbst für sich (s. Frank Witzel: Die Politik des Pop. In: Ders./Klaus Walter/Thomas Meinecke. Plattenspieler (wie Anm. 12), 157–160, hier: 158).

  18. 18.

    Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir (wie Anm. 12), 135; oder auch – so mag man hinzufügen – gleich gegen die ältere Generation als solche, wie etwa in dem song My Generation von The Who, in dem es heißt: „People try to put us down (Talkin’ ’bout my generation)/ just because we get around/ […] Why don’t you all fade away/ […]I hope I die before I get old“ (The Who: My Generation. Brunswick Records 1965).

  19. 19.

    Deren Unzulänglichkeit erteilt etwa das Sänger-Ich in Satisfaction von den Rolling Stones eine Absage: „When I’m watchin’ my tv and a man comes on and tells me/ How white my shirts can be/ But, he can’t be a man ’cause he doesn’t smoke/ The same cigarettes as me/ I can’t get no satisfaction“ (The Rolling Stones: Satisfaction. Decca 1965).

  20. 20.

    The Doors: When the music’s over. Auf: Dies.: Strange Days. Elektra 1967.

  21. 21.

    Frank Witzel: „The Inner Groove“ (wie Anm. 7), 12.

  22. 22.

    Zur Übertragung des Koselleckschen Begriffs der Sattelzeit auf die Popmusik der zweiten Hälfte der 1960er Jahre s. Gerhard Kaiser: „‚Make them vomit‘. Heroin von The Velvet Underground“. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 46/2 (2016), 183–200, hier: 186.

  23. 23.

    Phillip Felsch/Frank Witzel: BRD Noir (wie Anm. 12), 150.

  24. 24.

    Frank Witzel: „The Inner Groove“ (wie Anm. 7), 13–14.

  25. 25.

    Leslie A. Fiedler: „Cross the Border – Close the Gap“. In: Playboy 12 (1969), 151, 230, 252–254 und 256–258.

  26. 26.

    Susan Sontag: „Die Einheit der Kultur und die neue Erlebnisweise“ [engl. 1965]. In: Dies.: Kunst und Antikunst. 24 literarische Analysen. Reinbek bei Hamburg 1968, 285–295, hier: 295. Auf diese Passage beruft sich auch Witzel selbst in seinem Beatles-Essay (s. Frank Witzel: „The Inner Groove“ [wie Anm. 7], 14–15).

  27. 27.

    Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir (wie Anm. 12), 150. Falsche Appropriationen im richtigen Medium, an denen sich eine generelle Entkopplung von ästhetischen und politischen Haltungen ausmachen lässt, diagnostiziert Witzel als Signum der Gegenwart: „Diese Lager [die politischen] lassen sich heute nicht mehr ausmachen. Heute spielt die CDU ‚Angie‘ von den Stones, wenn Angela Merkel reinkommt. Man kann Leute nicht mehr nach Frisur, nach Aussehen oder nach Musikgeschmack einteilen“ (ebd., 130).

  28. 28.

    Ebd., 56.

  29. 29.

    Auf fiktionaler Ebene wird diese gleichsam romantische, in der ungebrochenen Begeisterung für Popmusik sich Ausdruck verleihende Weigerung des ewigen Jünglings, erwachsen werden zu wollen, ironisch gespiegelt, wenn in einem der Verhöre/Befragungen der Gesprächsführer dem gealterten Teenager vorwirft: „[D]enn es ist doch wieder einmal typisch für Ihre infantile Art, genau an einem nicht gerade unwichtigen Punkt unseres Gesprächs in Ihre kindliche Begeisterung für Beatgruppen abzugleiten, von der Gleichsetzung Ihrer Pop-Märtyrer mit einer terroristischen Vereinigung einmal ganz abgesehen. Es fehlt noch, dass Sie Ihr altes Beatles-Heft rausholen, wo Sie Sich diese ganzen Sachen notiert und Zeitungsausschnitte eingeklebt haben. Gleichzeitig bestätigen Sie meine Theorie, indem Sie den frühen Tod [von Hendrix, Joplin, Morrison, Cobain und Jones; GK] erwähnen, denn natürlich stirbt der puer aeternus als Knabe. Da er sich standhaft weigert zu altern, bleibt ihm nur der Tod“ (499).

  30. 30.

    Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir (wie Anm. 12), 57.

  31. 31.

    Frank Witzel/Klaus Walter/Thomas Meinecke: Plattenspieler (wie Anm. 12) 26.

  32. 32.

    Die Engführung von religiösem und pomusikalischem Diskurs zieht sich leitmotivisch durch den Roman. So etwa, wenn der Erzähler die Beatles mit Apostel- und Heiligennamen assoziiert, „Johannes der Täufer, Paulus der Apostel, Georg der Drachentöter und Ringo Starr“ (169), das Verhältnis der zeitgenössischen Popgruppen mit einer „Ordnung der Engel“ (171) vergleicht, ein „Bild von John und Yoko“ wie ein Heiligenbildchen immer in „[s]einem Portemonnaie“ (398) bei sich trägt, oder wenn er schließlich zentrale Erlebnisse der eigenen Popsozialisation in jenes Glaubensbekenntnis, das in der Regel fälschlicherweise Augustus zugeschrieben wird, münden lässt: „Kann ich noch einmal zurückgehen ins Eltviller Schwimmbad, als ein Kofferradio zum ersten Mal A Whiter Shade of Pale spielte? Oder in das kleine Zimmer bei Rainer Schmitt, als Penny Lane aus der Musiktruhe der Eltern kam? […] Ja, Paperback Writer, auch wenn ihr euch auflöst und sterbt und euch erschießen lasst und unbedeutend werdet. Ja, dieser Moment. Ja. Credo quia absurdum.“ (763–764) Es kennzeichnet den im Schillerschen Sinne sentimentalischen Modus der Erfindung, wenn Witzel seinen gealterten Erzähler diese naive Ersetzung der „Kirche durch Pop“ (462) gleich mitreflektieren lässt.

  33. 33.

    Dieses Authentizitätspotenzial der Popmusik wird wiederum auch innerhalb der Diegese verhandelt, wenn der Erzähler anlässlich eines Songs von Tokio Hotel zu der Einsicht gelangt, „dass wirkliche Erkenntnis, wirkliche emotionale Erkenntnis nur von Zwanzigjährigen kommen kann und dass diese Erkenntnis nur von Vierzehnjährigen begriffen wird, weil sie alle noch die Sprache der Mystiker sprechen, weil sie glauben“, so der Erzähler nun auf einen Songtitel der Band Ton, Steine, Scherben anspielend, „dass der lange Weg, der vor uns liegt, Schritt für Schritt ins Paradies führt.“ (766) Hierzu wiederum passt, dass auch Witzel selbst das „Fantum“ als eine Art kunstreligiöse Schicksals- und Ergriffenheitsgemeinschaft begreift, insofern er „die Tatsache [betont], dass man sich für das wahre Fantum eigentlich nicht entscheiden kann, dass man da quasi reingeboren wird. Ob man Beatles ist oder Stones, das ist wie katholisch oder evangelisch.“ (Philipp Felsch/Frank Witzel: BRD Noir (wie Anm. 12), 136) S. zum Fantum auch den Beitrag von Assmann in diesem Band.

  34. 34.

    Bezeichnenderweise legt Witzel hier mit dem „garstigen Graben der Geschichte“ dem Teenager gerade jene Formulierung Lessings in dem Mund, mit der dieser – in seiner im Umfeld des „Fragmentenstreits“ entstandenen Schrift Über den Beweis des Geistes und der Kraft (1777) – den Umstand zusammenfasst, dass kein direkter, d. h. notwendiger Weg von den „historischen Wahrheit[en]“ zu „metaphysischen und moralischen Begriffe[n]“ führt. „Das“, so Lessing, „das ist der garstige breite Graben, über den ich nicht kommen kann, so oft und ernstlich ich auch den Sprung versucht habe.“ (Gotthold Ephraim Lessing: Über den Beweis des Geistes und der Kraft. In: Ders. Werke 1774–1778. Hg. von Arno Schilson. Frankfurt am Main 1989, 437–445, hier: 443).

  35. 35.

    Aus der Perspektive Novalis’ erschiene der Popsong mithin als ideales „Logarithmisierungs“medium, das seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die „Märchen und Gedichte“ ablöst: „Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbekannte, Mystische, Unendliche – dies wird durch diese Verknüpfung [des „Gemeinen“ mit einem „hohen Sinn“; GK] logarythmisiert – Es bekommt einen geläufigen Ausdruck […] Lingua romana.“ (Novalis: Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs. Hg. von Hans-Joachim Mähl, Richard Samuel. München 1978, Bd. 2, 334).

  36. 36.

    Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater. In: Ders.: Sämtliche Werke und Briefe. Hg. von Helmut Sembdner. Frankfurt am Main 2001, 338–345, hier: 345.

  37. 37.

    So der Autor im Rekurs auf Roland Barthes in seiner Heidelberger Poetikvorlesung, die man auch als eine Grundlegung zur Metaphysik der eigenen Romankunst lesen kann (Frank Witzel: Über den Roman – hinaus [wie Anm. 2], 67).

  38. 38.

    In der Vorlesung schildert Witzel das durch Schwerverständlichkeit erzeugte Überforderungsgefühl als sein persönliches positives, literarisches Initiationserlebnis: „Die Begeisterung für Literatur stellte sich also bei mir vor allem dadurch ein, dass ich auf etwas gestoßen war, das sich mir widersetzte und verschloss.“ Der Umgang mit „Texten, von denen ich auch durch intensive Lektüre nicht in Erfahrung bringen konnte, womit sie sich befassten oder was sie erzählten, wenn sie denn überhaupt erzählten“ (ebd., 6–7), habe schließlich zu den ersten, eigenen Schreibversuchen geführt.

  39. 39.

    Ebd., 28–30.

  40. 40.

    Ebd., 96. Diese für Witzels Poetologie zentrale, auf Barthes zurückgehende Denkfigur einer Begierde, die sich nur im Nicht-Erfüllen, d. h. indem und solange das Begehren als und in Bewegung bleibt, erfüllen kann, wird im Roman bezeichnenderweise wiederum mit Procol Harum in Verbindung gebracht, wenn der Erzähler über den „Schlagzeugeinsatz“ als „eine der wichtigsten Entdeckung [sic] der Rockmusik“ (792) philosophiert und im Schlagzeugspiel des Drummers der Band, B.J. Wilson, die Rhythmus gewordene Umsetzung von Barthes Philosophie des Begehrens erkennen will: „Und konnte man seinerzeit [d. h. hier: 1971; GK] erkennen, dass der Schlagzeugeinsatz der nützliche Irrtum der Begierde war, zu meinen, das Erwartete führe zum Begehrten, wo in Wirklichkeit das Erwartete das Begehrte selbst ist? Die Begierde blieb im Schlagzeugeinsatz leer und erfüllte sich im Nicht-Erfüllen. Leider gab es nur wenig Schlagzeuger, die das erkannten. Einer davon war B.J. Wilson von Procol Harum, der am Ende des Songs Broken Barricades mit dieser Erwartung spielt und einen Schlagzeugeinsatz eine Minute und 17 Sekunden lang ausdehnt, ein Schlagzeugeinsatz, der sich nicht erfüllt, sondern durch die Fabrikblende ein Ende findet, sodass man sich das Stück immer weiter imaginieren kann, als nie aufhörende Bewegung, die ihre Dynamik und ihren Reiz behält, weil sie sich nie auflöst. Die Erfüllung aber, die wir suchen, wäre Rückkehr und damit Enttäuschung, ein Ende der Bewegung.“ (793).

  41. 41.

    Procol Harum: A Salty Dog. Regal Zonophone 1969.

  42. 42.

    Der Organist der Band (und Komponist des von Witzel zitierten Songs), Matthew Fisher, bezeichnet den von seinem Bandkollegen und Pianisten, Gary Brooker, komponierten Titelsong des Albums als „Procol’s Citizen Kane.“ (zit. nach Henry Scott-Irvine: The Ghosts of A Whiter Shade of Pale. Procol Harum. London 2012, 70)

  43. 43.

    Martin Scorsese: „Foreword“. In: Henry Scott-Irvine: The Ghosts of A Whiter Shade of Pale (wie Anm. 42), VIII–IX.

  44. 44.

    Procol Harum: A Whiter Shade of Pale. Deram 1967.

  45. 45.

    „Nun hat es aber gerade mit dem Namen ‚Michelle‘ etwas Besonderes auf sich, da er auf eine geschlechtliche Doppeldeutigkeit verweist, die allein in der Schreibung (Michel/Michelle) eindeutig wird. Das heißt, in der Schrift differenziert sich die Bedeutung aus, die im Klang androgyn und schwebend verbleibt. Zerlegt man den Namen in seine Bestandteile, so erhält man miche und elle. Elle, also sie, das weibliche Personalpronomen, rückt durch sein dem Namen eingeschriebenes Vorhandensein den Namen, der ja ein Du bezeichnen soll, immer wieder in die Entfernung der dritten Person. Wenn ich sage ‚du, Michelle‘, so sage ich tatsächlich ‚sie, Michelle‘, diese da. Indem ich den Namen des Anderen nenne, rücke ich ihn von mir weg und enthülle gleichzeitig mich selbst. Wenn ich nun aber von Michelle das Mi abtrenne und als Vorsilbe lese, die das Halbe, das Mittige bezeichnet, dann kann ich in chelle auch scellé, das Siegel, oder sceler, besiegeln, erkennen: Durch den Namen wird etwas immer nur halb besiegelt, dieses Siegel oder Pfand gleichzeitig auch immer wieder gelöst“ (649).

  46. 46.

    Frank Witzel: Über den Roman – hinaus (wie Anm. 2), 45.

  47. 47.

    Ebd.

  48. 48.

    Ebd., 33.

  49. 49.

    Hugo von Hofmannsthal: Eine Monographie In: Reden und Aufsätze I (Gesammelte Werke 12). Hg. von Bernd Schoeller, Ingeborg Beyer-Ahlert. 15 Bde. Frankfurt am Main 1986, 480.

  50. 50.

    Roland Barthes: „Der Tod des Autors“ [frz. 1968]. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Texte zur Autorschaft. Stuttgart 2000, 185 – 193, hier: 190.

  51. 51.

    Frank Witzel: Über den Roman – hinaus (wie Anm. 2), 54.

  52. 52.

    Zu den beiden Begriffen im Sinne von Bezugstext (Hypotext) und überschreibendem Text (Hypertext) s. Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe [frz. 1982]. Frankfurt am Main 1993, 9–18.

  53. 53.

    In den Strophen 2 und 3 des Songs heißt es: „At first I took my weight to be an anchor/ And gathered up my fears to guide me round/ But then I clearly saw my own delusion/ And found my struggles further bogged me down// In starting out I thought to go exploring/ And set my foot upon the nearest road/ In vain I looked to find the promised turning/ But only saw how far I was from home/ In searching I forsook the paths of learning/ And sought instead to find some pirate’s gold/ In fighting I did hurt those dearest to me/ And still no hidden truths could I unfold.“

  54. 54.

    John Bunyan: The Pilgrim’s Progress. Hg. von James Blanton Wharey. London 1960. Zweite Auflage, 1.

  55. 55.

    S. die Abbildung der Titelseite in ebd., lxvii. Am Ende des ersten Teils der Erzählung heißt es lapidar: „So I awoke, and behold it was a Dream.“ (ebd., 163).

  56. 56.

    Ebd., 174.

  57. 57.

    Freilich finden sich auch hier Passagen, die zugleich immer auch als Verweise auf die eigene Romankomposition gelesen werden können. So mag man sich etwa an Witzels Rede von den „Knotenpunkten“ und einander bespiegelnden „Diamanten“ (s. Anm. 9) erinnert fühlen, wenn der Erzähler im Zuge seiner Rubber Soul-Exegese insinuiert: „Langsam entwirft sich so ein deutlicher Aufbau und ein genau geplanter Ablauf des Albums vor unseren Augen. Jedes Lied ist mit dem anderen thematisch und inhaltlich verkettet“ (650). Eine ganz ähnliche Zusammenhangs-Insinuation zum Zwecke der stärkeren Leserbindung findet sich, wenn Witzel – ebenfalls in der Heidelberger Vorlesung – den für die Lektüre seines Romans spezifischen Pakt zwischen Autor und Leser folgendermaßen beschreibt: „Alles, was du hier auf den nächsten dreihundert, vierhundert oder achthundert Seiten vorfindest, hat miteinander zu tun, auch wenn du den Zusammenhang nicht sofort erkennst oder niemals erkennen wirst. Ich, als Autor, habe die Verantwortung für diese Texte, und du, als Leser, hast die Aufgabe, mir zu folgen, also den in dir vielleicht aufkeimenden Gedanken ‚Was soll das denn jetzt?‘ oder ‚Was hat das denn damit zu tun?‘ nicht zu unterdrücken, sondern zu denken, zu fühlen und wahrzunehmen, aber nicht aus einer Sehnsucht nach einem geschlossenen Narrativ heraus die Lektüre abzubrechen, sondern sozusagen bei der Stange zu bleiben“ (Frank Witzel: Über den Roman – hinaus [wie Anm. 2], 24).

  58. 58.

    Frank Witzel: The Inner Groove (wie Anm. 7), 22.

  59. 59.

    Ebd.

  60. 60.

    Weitere Beispiele auf inhaltlicher Ebene ließen sich hier anführen. So blitzt etwa der Versuch einer kulturellen Enteignung, bzw. einer unzulässigen Appropriation, der im Roman am Beispiel des Postulanten Hans-Günther und dessen exegetischer Zurichtungen des Rubber Soul-Albums (s. v. a. 413–416) während der Klosterinternierung des Teenagers exemplifiziert wird, auch im Essay wieder auf: „Ich musste an ein Konzert im Wiesbadener Kurhaus zurückdenken, das unter dem Titel ‚Musik und Erotik‘ gestanden und mich und meine Freunde im Sommer 1970 in dieses […] Sinnbild der Bürgerlichkeit gelockt hatte, weil nach einer Interpretation von Wagner und Mahler durch das Hessische Staatsorchester die Wiesbadener Band Xhol spielen sollte. Der damalige Dirigent hatte, ähnlich wie ein engagierter Kaplan mit einer Beat-Messe, versucht, uns Jugendliche einzufangen und eine Hierarchie zu verleugnen, an deren oberen Ende er selbst stand“ (Frank Witzel: The Inner Groove [wie Anm. 7], 11–12).

  61. 61.

    Ebd., 22.

  62. 62.

    Ebd., 26. Weitere Parallelen zu den Kompositionsprinzipien von Witzels Roman lassen sich unschwer beobachten, wenn Sgt. Pepper’s als ein „Sammelsurium von Stilvarianten und Zitaten“ (18) charakterisiert wird, mit dem die Beatles „eine LP schufen, die wie keine zweite den kreativen Schaffensprozess darstellt, und zwar indem einzelne Stufen, Ideen und Abschweifungen nicht in Form von Demos und Fragmenten zu Gehör kommen, sondern indem jede Spur ausgemalt und orchestriert, also ernst genommen wird“ (26).

  63. 63.

    Eine erste Kartografie dieser unterschiedlichen Artikulationsmodi liefert Anika Tasche: Doch zurück zu meiner kleinen Tabelle, meiner Skizze des menschlichen Unvermögens und der daraus entstehenden großartigen Kultur. Analyse von Frank Witzels Roman ‚Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969‘. Unveröffentlichte Masterarbeit. Göttingen 2018.

  64. 64.

    So dechiffriert der Postulant etwa den mehrfachen Schriftsinn des Eröffnungsstücks des Albums, Drive My Car, folgendermaßen: „Stellen wir uns Jesus vor. Vielleicht will Jesus, dass du sein Chauffeur sein sollst [tropologischer Sinn; GK]. […] Als Chauffeur hilfst du Jesus bei seiner Aufgabe, die Menschheit zu erlösen [anagogischer Sinn; GK]. Aber am meisten hilfst du natürlich dir selbst [tropologischer Sinn; GK], denn er hat dich auserwählt. Wenn du diese Grundaussage [allegorischer Sinn; GK] einmal begriffen hast, dann kannst du immer mehr Details hinzufügen“ (405).

  65. 65.

    S. v. a. 646–652.

  66. 66.

    „Am Jungfernstieg können wir das Gebäude sehen, an dem sich noch bis zum Jahr 2004 die Boutique Linette befand“ (101).

  67. 67.

    Ein Hotel, das man nicht mehr verlassen kann – auch hierin mag eine Popreferenz sehen, wer an das auf den gegenkulturellen Hund gekommene Hotel California der Eagles denkt: „You can check out any time you like/ but you can never leave.“

  68. 68.

    Auch hier lässt sich also, ganz ähnlich wie bei dem Procol Harum-Zitat, eine dreifach gestaffelte Verweisungskette aus Witzelschem Hypertext und erstem Hypotext (Procol Harum/Patti Smith), der selbst wieder als Hypertext eines weiteren, zweiten Hypotextes (John Bunyan/Van Morrison) fungiert, beobachten. Morrisons Song kommt übrigens ohne den Zusatz „in excelsis deo“ aus. Vgl. Them: Gloria. Decca 1964.

  69. 69.

    Patti Smith: Gloria (in excelsis deo). Auf. Dies.: Horses. Arista 1975 und Patti Smith: Oath. In: Dies.: Collected Lyrics. 1970–2015. New York 2015, 7. Smiths Song ist freilich kein reines cover des Morrison-Songs. Er ist, wie Smith selbst ausführt, ein semi-appropriativer Hybrid aus Eigenem und Angeeignetem, „merging my poem ‚Oath‘ with the great Van Morrison classic“ (Patti Smith: Just Kids. London 2012, 246–247) Zum prometheischen Gestus dieses Eröffnungsverses führt die Autorin aus: „I had written the line some years before as a declaration of existence, as a vow to take responsibility for my own actions. Christ was a man worthy to rebel against, for he was rebellion itself“ (ebd., 247).

  70. 70.

    S. Patti Smith: Gloria (wie Anm. 69).

  71. 71.

    Um eine ironische Kontrafaktur handelt es sich hier insofern, als dass an die Stelle eines in den Himmel gerichteten Gotteslobs („in excelsis deo“) das am Boden stehende Beweinen des Toten rückt.

  72. 72.

    Patti Smith: Gloria (wie Anm. 69). Im Song wird diese Zeile beim dritten Mal zwar nicht – wie bei Witzel – sieben Mal, aber doch immerhin sechs Mal wiederholt.

  73. 73.

    Zumindest von Ferne mag die Neckermann-Chiffre hier auch daran erinnern, dass recht früh in der dann von beiden Seiten eskalierenden, bundesrepublikanischen Gewaltgeschichte, sofern sie – reagierend freilich auf die Ermordung Benno Ohnesorgs am 02.06.1967 – von links ausging, die Kaufhaus-Brandstiftungen vom 02.04.1968 durch die späteren RAF-Gründungsmitglieder Baader und Ensslin stehen. Die undifferenzierte Selbstgerechtigkeit, bzw. die selektive Erinnerungspolitik eines linken „Revolutionstourismus“ moniert der rückschauende Protagonist, wenn er raisonniert, dass es „auch ohne meine flachen ironischen Einfälle genug zu bemängeln [gibt an einer Rundfahrt zu geschichtsträchtigen Orten der RAF-Geschichte in Hamburg; GK], die Wortwahl natürlich, das Verschweigen der erschossenen Beamten, und warum wird bei der Rundfahrt ausgerechnet der Heegbarg 13 in Poppenbüttel ausgenommen, die Wohnung von Hannes Wader, in der die RAF ohne sein Wissen ein Waffenlager unterhielt, der Heegbarg, von wo es nur ein paar Schritte zum Alstertal Einkaufszentrum sind, vor dem Norbert Schmid erschossen wurde. Norbert Schmid, das erste Todesopfer der RAF“ (101–102).

  74. 74.

    Philip Shaw: Horses. London 2008, 102.

  75. 75.

    „Like to tell you ‘bout my baby/ You know she comes around/ Just ‘bout five feet-four/A-from her head to the ground/ You know she comes around here/ At just about midnight/ She make me feel so good, Lord/ She make me feel all right/ And her name is G-L-O-R-I/ G-L-O-R-I-A/ Gloria!/ G-L-O-R-I-A/ Gloria!/ I’m gonna shout it all night/ Gloria!“ (zit. nach: Them: Gloria [wie Anm. 68]).

  76. 76.

    „I-I walk in a room, you know I look so proud/ I’m movin’ in this here atmosphere, well, anything’s allowed/ And I go to this here party and I just get bored/ Until I look out the window, see a sweet young thing/ Humpin’ on the parking meter, leanin’ on the parking meter/ Oh, she looks so good, oh, she looks so fine/ And I got this crazy feeling and then/ I’m gonna uh-uh make her mine/ Ooh i’ll put my spell on her“ (zit. nach Patti Smith: Gloria (in excelsis deo) [wie Anm. 69]).

  77. 77.

    S. dazu Philip Shaw: Horses (wie Anm. 74), 102–106.

  78. 78.

    Ebd., 104. Dass der Aspekt der Androgynität in Smiths performance und Denken eine zentrale Rolle spielt, macht nicht nur das berühmte, von Robert Mapplethorpe gestaltete schwarzweiße Coverphoto deutlich, auf dem Smith – ihren literarischen Hausgott Rimbaud imitierend – mit geöffnetem Schlips und lässig über die Schulter geworfener Jacke männliche Codices zitiert (ohne indes ausschließlich maskulin zu erscheinen), sondern es zeigt sich auch in ihrer Wertschätzung der sexuell wie genderpolitisch befreienden Wirkung des androgynen Auftretens der Rolling Stones: „The Stones were sexually freeing, confused american children, a girl could feel power, lady glory, a guy could reveal his feminine side without being called a fag, masculinity was no longer measured at the football field. Ya never think of the Stones as fags. In full make-up and frills they still get it across. They know just how to ram a woman. They made me real proud to be female. The other half of male.“ (zit. nach Philip Shaw: Horses [wie Anm. 74], 40).

  79. 79.

    Alan Parker: ‚Introduction‘. In: Henry Scott-Irvine: The Ghosts of A Whiter Shade of Pale (wie Anm. 42), X–XII, hier: XI.

  80. 80.

    Ebd., XII.

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Kaiser, G. (2019). Der Zaungast an den Toren der Verheißung. Popmusikalische Referenzen in Frank Witzels Die Erfindung. In: Detken, A., Kaiser, G. (eds) Frank Witzel. Kontemporär. Schriften zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, vol 4. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04882-0_8

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