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Dichterlesungen

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Zusammenfassung

Lesungen von Autoren vor einem anonymen, Eintrittsgeld zahlenden Publikum, also Autoren- oder wie sie im Deutschen emphatisch heißen: Dichterlesungen waren um 1900 ein Novum in der Geschichte der literarischen Vortragskunst in deutschsprachigen Ländern, nachdem Schauspieler und professionelle Rezitatoren die Vortragspodien beherrscht hatten und weiterhin zu beherrschen versuchten. Autoren traten nun selbst auf den Plan, um aus ihren gerade publizierten oder im Entstehen begriffenen Werken vorzulesen. Sie wollten Werbung für ihre Bücher machen, ihr Renommee in der literarischen Öffentlichkeit festigen und die Haushaltskasse aufbessern. Dieses seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Vortragsformat wurde zum festen Bestandteil des literarischen Lebens bis heute. Am Beispiel eines misslungenen Vortragsabends von Richard Dehmel und der Schweizer Vortragsreisen von Rainer Maria Rilke lassen sich einige Besonderheiten dieses neuen Vortragsformats aufweisen. Auch die Bedingungen, unter denen Autoren in deutschen Rundfunkstationen auftraten, werden beschrieben und die auf Tonträgern (Walze und Schellackplatte) festgehaltenen Dichterstimmen bis 1932 vollständig dokumentiert.

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Notes

  1. 1.

    Eine wertvolle Quellensammlung in drei Bänden hat Reinhard Tgahrt vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach herausgegeben: Tgahrt (Hg.): Dichter Lesen, Bd. 1–3. In kluger Disposition werden hier wesentliche Etappen von Dichterlesungen seit dem 18. Jahrhundert dokumentiert, mit Auszügen aus „Briefen, Berichten, Erinnerungen der Dichter und ihrer Zuhörer, aus Programmzetteln, Einladungen, Vorreden und Abrechnungen und aus den Vorleseszenen, wie sie gleichzeitig in der schönen nicht mehr schönen Literatur auftauchen.“ Nachwort, in: ebd., Bd. 1, S. 293. Vgl. weiterhin: Irmgard Weithase: „Dichter und Sprecher“, in: Das Gesprochene Wort 5/6 (1942), S. 87–91; Thomas Sprecher: „Der Dichter spricht“, in: Identität und Identitätskrise. Eine Festgabe für Hans Wysling, hg. Andrea Fischbacher-Bosshardt. Bern u. a. 1991, S. 75–100; Grimm: „‚Nichts ist widerlicher als eine sogenannte Dichterlesung‘. Deutsche Autorenlesungen zwischen Marketing und Selbstpräsentation“, in: Schriftsteller-Inszenierungen; Peter Renz (Hg.): Dichterlesung. Vom Kampf des Autors mit dem Publikum. Friedrichshafen 1988; Christoph Bartmann: „Dicht am Dichter. Die Lesung als Ritual und Routine“, in: Anja Hill-Zenk und Karin Sonsa (Hg.): To read or not to read. Von Lesererlebnissen und Leseerfahrungen, Leseförderung und Lesemarketing, Leselust und Lesefrust. München 2004, S. 120–129; Maye: „Eine kurze Geschichte der deutschen Dichterlesung“, in: Sprache und Literatur; Severin Perrig: Stimmen, Slams und Schachtel-Bücher. Eine Geschichte des Vorlesens. Von den Rhapsoden bis zum Hörbuch. Bielefeld 2009, bes. S. 100–124 (der im Titel benannte Anspruch des Buchs, eine Geschichte des Vorlesens zu bieten, wird allerdings von dieser Sammlung schöner Stellen ohne jeden Zusammenhang nicht eingelöst).

  2. 2.

    Sprecher: „Der Dichter spricht“, in: Identität und Identitätskrise, S. 87.

  3. 3.

    Tgahrt (Hg.): Dichter Lesen, Bd. 1, S. 266.

  4. 4.

    Ebd., S. 233 f.

  5. 5.

    Gegen ein festes Honorar verpflichtete sich Dickens , eine bestimmte Anzahl von Lesungen abzuliefern, alle dabei entstehenden Kosten übernahm die Agentur. „Was die Vorlesungen betrifft“, so schrieb er am 11. März 1864, „so habe ich weiter nichts zu thun als mein Buch zur Hand zu nehmen, an dem festgesetzten Orte, zur festgesetzten Zeit zu lesen und wieder hinaus zu gehen. Alles Geschäftliche wird von den Chappels [einer Agentur] besorgt.“ Malcolm Andrews: Charles Dickens and His Performing Selves. Dickens and the Public Readings. Oxford 2006, S. 250.

  6. 6.

    Tgahrt (Hg.): Dichter Lesen, Bd. 1, S. 271–282, hier: S. 271.

  7. 7.

    An Maximilian Fuhrmann, 14. Dezember 1901, zitiert nach Tgahrt (Hg.): Dichter Lesen, Bd. 1, S. 279. Dem entsprach Liliencrons Verachtung des Publikums: „Das Publikum behandle ich, wenn ich ‚auftrete‘, vollkommen als Canaille: mache weder vorher noch nachher meine Verbeugung, reagiere selbst nicht mit der leisesten Kopfbewegung für Applaus p.p.“ An Maximilian Fuhrmann am 15. Dezember 1901, zitiert nach ebd., S. 280. Vgl. Joachim Kersten: „Detlev von Liliencron – Ein Porträt“, in: Joachim Kersten und Friedrich Pfäfflin (Hg.): Detlev von Liliencron entdeckt, gefeiert und gelesen von Karl Kraus, Göttingen 2016, S. 74 f. – Auch Hugo von Hofmannsthal begab sich auf Lesereisen, nachdem er die Anfragen von literarischen Gesellschaften und Vereinen zunächst zurückgewiesen hatte. 1903 entschloss er sich, eine dieser Offerten aus finanziellen Gründen anzunehmen. Vor Antritt seiner Reise bat er den Vorstand des literarischen Vereins in Bonn, ein Arrangement mit Veranstaltern in anderen Städten zu treffen, so „daß ich eine kleine Reihe von Vorträgen nacheinander halten könnte“, wie er an seinen Freund von Bodenhausen berichtete. Seine zweiwöchige Tour ermöglichte ihm, zwischen Auftritten in Städten wie Breslau, Leipzig, Köln, Aachen und Bonn noch einige große Gemäldegalerien und Freunde zu besuchen. Vgl. Hugo von Hofmannsthal an Eberhard von Bodenhausen am 1. Februar 1903, in: Hugo von Hofmannsthal und Eberhard von Bodenhausen: Briefe der Freundschaft. Berlin 1953, S. 24 f.

  8. 8.

    Liliencron an Alma Holtorf am 24. Dezember 1901, zitiert nach Tgahrt (Hg.): Dichter Lesen, Bd. 1, S. 280. „Oder möchten Sie monatelang mit einer richtigen ‚Schmiere‘ von Kleinstadt zu Kleinstadt ziehn? Von Tag zu Tag wechseln? Sich Prosit (mit aufgehobenem Seidel) aus dem Publikum oder von am Büffet mit den Kellnerinnen schäkernden Männern zurufen lassen? Oder Ihren Namen geben für 3 Meter hohe Plakate mit ekelhaften nackten Weibern am Kopfe? Oder (wie ich entdeckte jetzt) Ihren Namen hergeben für Jongleurs (sic!), Excentric-Clowns (sic) und ‚Treppenspringer‘? Demütigungen über Demütigungen!“ An Timm Kröger am 6. Februar 1902, zitiert nach ebd., S. 281. „Ende d. Mts. in Basel u. Zürich. (Jedesmal für eine Stunde: 500 M.! Natürlich! Man muß sein Licht nicht untern Scheffel stellen!) Im Februar-März Wien, Triest, Ungarn u.s.w.“ An Ludwig Frahm am 15. Oktober 1903, zitiert nach ebd., S. 281. „Nun gehts nach Wien, Brünn, Teplitz, Prag, Leipzig, Weimar, Essen, Mülheim p.p. Als Leiche komm ich zurück. Als 60jähriger muß ich mich noch vor den Pöbel werfen. Mein Gehirn geht dabei flöten. O Gott!“ An Jakob Loewenberg am 3. April 1904, zitiert nach ebd., S. 281.

  9. 9.

    Michael Georg Conrad: „Sultansansichten (1900)“, zitiert nach: Tgahrt (Hg.): Dichter Lesen, Bd. 2, S. 273.

  10. 10.

    In einer programmatischen Ankündigung Hugo Hellers hieß es: „Die berechtigte Scheu des Dichters vor der ‚unbekannten Menge‘ wird geschont durch die Beschränkung des Zutritts auf geladene Gäste, die dem Dichter von vornherein eine kleine, aber gewählte Gemeinde solcher Zuhörer sichert, denen er durch das geistige Band seiner Werke schon früher verbunden war. Den Hörern aber bleibt die Enttäuschung erspart, die nahezu regelmäßig bei öffentlichen Dichterlesungen zu verzeichnen ist. Der Dichter ist in der Regel kein Rezitator, soll es auch nicht sein; aber der große Saal einer öffentlichen Veranstaltung verlangt den Rezitator. Das einfach und schlicht gesprochene Wort des Dichters ertrinkt in dem weiten Raum. Wie anders, wenn der Dichter in einem kleinen Kreise einem nähertritt, einem gewissermaßen einen Blick in seine Werkstatt gestattet. Es ist nicht gewöhnliche Neugier, die uns lockt, das Körperliche, die Sprache, das Auge, den Gestus eines geliebten Dichters kennen zu lernen. Sondern in alledem ist sicher ein Stück der dichterischen Persönlichkeit beschlossen. Und das, was man den ‚Kontakt‘ zwischen Sprechern und Publikum nennt, wird umso sicherer sich einstellen, je stärker und eigenartiger die Individualität des Sprechers ist.“ „Aus dem Kunstsalon Heller“, in: Wiener Kunst- und Buchschau, hg. Hugo Heller. Wien 1910, S. 26. Ich verdanke diesen Hinweis Joachim Nettelbeck .

  11. 11.

    Max Herrmann-Neiße: „Kleine Geschichte des deutschen Kabaretts (1924)“, in: Max Herrmann-Neiße: Kabarett. Schriften zum Kabarett und zur bildenden Kunst, hg. Klaus Völker. Frankfurt 1988, S. 7–105, hier: S. 12.

  12. 12.

    Weithase: „Dichter und Sprecher“, in: Das Gesprochene Wort, S. 87 und 89 f. Dass diese als „amerikanisch“ qualifizierte „Sensationslust“ sich längst schon in Deutschland eingebürgert hatte, übersieht Weithase geflissentlich. „Amerikanisch“ als Negativ-Epitheton zu gebrauchen, gehörte im Übrigen zu den Sprachregelungen der Nationalsozialisten, an die sich Weithase in diesem Text aus dem Jahr 1942 anschließt.

  13. 13.

    Ebd., S. 90.

  14. 14.

    Sprecher: „Der Dichter spricht“, in: Identität und Identitätskrise, S. 87.

  15. 15.

    Hermann Hesse: „Die Nürnberger Reise“, in: Sämtliche Werke, hg. Volker Michels, Bd. 11. Frankfurt 2003, S. 134.

  16. 16.

    Rainer Maria Rilke an Clara Rilke am 6. November 1907, in: Rainer Maria Rilke: Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914, hg. Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1933, S. 17.

  17. 17.

    Zitiert nach Jürg Mathes (Hg.): Theorie des literarischen Jugendstils. Stuttgart 1984, S. 251. Vgl. die Äußerungen von Franz Stoedtner aus dem Jahr 1894, zitiert bei Tgahrt (Hg.): Dichter lesen, Bd. 1, S. 268 und 271.

  18. 18.

    Adolf Johannesson: Leitfaden für Sprechchöre. Berlin 21929, S. 30. Bereits in der Geburtsstunde der professionellen Dichterlesung meinte Josef Ettlinger , dass von einem Dutzend Autoren „kaum zwei den mäßigsten Anforderungen genügen, die man an einen Rezitator zu stellen das Recht hat. […] Im allgemeinen fehlt den lesenden Verfassern zum modernen Rhapsoden so gut wie alles, und der Vortrag, der sonst des Redners Glück macht, beeinträchtigt hier häufig genug die Wirkung des Gelesenen mehr, als er sie fördert.“ Josef Ettlinger: „Zur Frage des Vorlesens“, in: Magazin für Litteratur am 27. Februar 1892, zitiert nach Tgahrt (Hg.): Dichter lesen, Bd. 1, S. 268.

  19. 19.

    Drach: Die redenden Künste, S. 93.

  20. 20.

    Maximilian Weller: „Dichterlesung“, in: Das Sprechlexikon. Lehrbuch der Sprechkunde und Sprecherziehung. Düsseldorf 1957, S. 47.

  21. 21.

    Vgl. Maximilian Weller: „Autorenabend oder Rezitationsabend?“, in: Bericht über den internationalen Kongress Singen und Sprechen in Frankfurt am Main 1938. München und Berlin 1938, S. 76–81, hier: S. 77 f.; ders.: „Autorenabend oder Vortragsabend?“, in: Die Bühne 1 (1939), S. 5 f.

  22. 22.

    Börries von Münchhausen: „Vierzig Jahre Dichtervorträge – Erfahrungen und Grundsätze“, in: ebd., S. 84–95, hier: S. 87 f.

  23. 23.

    Ebd., S. 90–94. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang Münchhausens Beobachtung hinsichtlich des Unterschieds des Ablaufs von Dichterlesungen in Großstädten und in kleineren Provinzstädten: „In Hamburg, München, Frankfurt, Berlin, in Wien wird es keinem einfallen, einen Vortragenden am Eingang mit einer feierlichen Ansprache zu begrüßen, ihn den Hörern vorzustellen und am Schluß den Dank der Hörerschaft auszusprechen, wobei dann immer in heißer Dankbarkeit für das hohe Erscheinen der anwesenden Honoratioren, angefangen beim Regierungspräsidenten bis herunter zum Präsidenten der heimischen Feuerwehr, bedankt und gedankt wird. Besonders taktlos ist hier wie überall die Loberei direkt ins Gesicht des wehrlos anderthalb Meter davorsitzenden Dichters.“ Ebd., S. 94.

  24. 24.

    Hans Carossa: Das Jahr der schönen Täuschungen. Leipzig 1941, S. 117. Zu Carossa vgl. Erich Unglaub: ‚Ahnenlehre‘ in kritischer Absicht. Hans Carossas autobiographisches Erzählen unter den Bedingungen des Dritten Reichs. Frankfurt u. a. 1985. Carossa wusste offenbar nicht, dass Mörike tatsächlich gegen Honorare öffentlich aufgetreten war.

  25. 25.

    Vgl. die Zeugnisse über die an die Lesung sich anschließende Auseinandersetzung in der Münchner Presse, wiedergegeben bei Tgahrt (Hg.): Dichter lesen, Bd. 2, S. 272–278. Die räumliche und zeitliche Bestimmung der Lesung ergibt sich aus einer Ansprache Dehmels an gleicher Stätte am 23. November 1906, als er auf die Erfahrung des ersten Vortragsabends „vor etwa sieben Jahren“ zurückblickte, vgl. Richard Dehmel: „Ansprache beim Vortragsabend in der Münchener Dramatischen Gesellschaft am 23. November 1906“, in: Dehmel: Dichtungen, Briefe, Dokumente, S. 277.

  26. 26.

    „In seiner ganz persönlichen Mischung von dionysisch erotischer Inbrunst und gedanklicher Ekstase [galt] er als die stärkste lyrische Begabung der revolutionären Dichterjugend.“ Eugen Kalkschmidt: Von Memelland bis München. Erinnerungen, 1947, zitiert bei: Tgahrt (Hg.): Dichter lesen, Bd. 2, S. 277.

  27. 27.

    Carossa: Das Jahr der schönen Täuschungen, S. 117 und 120.

  28. 28.

    Michael Georg Conrad: Sultansansichten (1900), zitiert nach Tgahrt (Hg.): Dichter lesen, Bd. 2, S. 274.

  29. 29.

    Carossa: Das Jahr der schönen Täuschungen, S. 120 f.

  30. 30.

    So die Erinnerung von Michael Georg Conrad, zitiert nach Tgahrt (Hg.): Dichter lesen, Bd. 2, S. 274.

  31. 31.

    Carossa: Das Jahr der schönen Täuschungen, S. 121 f. und 123.

  32. 32.

    Ebd., S. 126 und 127.

  33. 33.

    Robert Boehringer: „Über Hersagen von Gedichten“, in: Jahrbuch für die geistige Bewegung 2 (1911), S. 77–80 und 85–88, zitiert nach dem Wiederabdruck in: Boehringer: „Über Hersagen von Gedichten“, in: Kleine Schriften, Stuttgart 1981, S. 5–16, hier: S. 5.

  34. 34.

    Andreas Heusler: Deutsche Versgeschichte, Bd. 1. Berlin und Leipzig 1925, S. 44.

  35. 35.

    Diese Diagnose wird durch weitere zeitgenössische Zeugnisse über Dehmel Vortragsweise bestätigt, etwa durch Eugen Kalkschmidt , Von Memelland bis München, Erinnerungen, 1947, zitiert bei Tgahrt (Hg.): Dichter Lesen, Bd. 2, S. 277, und durch Stanislaw Przybyszewski: „Richard Dehmel. Ein Lebensblatt“, in: Neue Freie Presse, Wien, 29. September und 3. Oktober 1926, wiederabgedruckt in: Dehmel: Dichtungen, Briefe, Dokumente, S. 269–276, hier: S. 273 f.

  36. 36.

    „Natürlich braucht ein Dichter nicht auch Vortragskünstler zu sein, und niemand wird es ihm verargen, wenn er seine Gedichte kunstlos, vielleicht sogar holpernd vorliest. Dehmel aber war offenbar der Überzeugung, die Musikalität seiner Schöpfungen nicht nur stimmlich, sondern mit seiner ganzen Person ausdrücken zu können. Während er die Verse von der ins Meer geworfenen, von den Wellen gewiegten roten Rose mit verzücktem Sopran mehr psalmodierte als sprach, hüpfte er auf die Zehenspitzen gereckt, mit dem weit vorgeworfenen Arm und der offenen Hand die Rose verfolgend, dem Rand des Podiums immer bedrohlicher näher, der schwarze Spitzbart und der blinkende Kneifer hüpften zappelnd mit – es war ein rührend tragikomischer Anblick.“ Klemperer: Curriculum vitae, Bd. 1, S. 573.

  37. 37.

    Arnold Schönberg hat noch 1912 Dehmel in einem persönlichen Schreiben bescheinigt, dass dessen Gedichte auf seine musikalische Entwicklung „entscheidenden Einfluß“ ausgeübt hätten: „Durch Sie war ich zum erstenmal genötigt, einen neuen Ton in der Lyrik zu suchen. Das heißt, ich fand ihn ungesucht, indem ich musikalisch widerspiegelte, was Ihre Verse in mir aufwühlten.“ Schönberg an Richard Dehmel am 13. Dezember 1912, in: Dehmel: Dichtungen, Briefe, Dokumente, S. 234. Man fühlt sich an die Wirkung von Goethes Dichtungen auf das Liedschaffen von Franz Schubert erinnert, und in der Tat hat Schönberg nicht nur eine ganze Reihe von Dehmels Gedichten vertont, sondern sich auch 1913 an den Dichter mit der Bitte gewandt, ihm eine literarische Vorlage für die Komposition eines großen Oratoriums (die spätere Jakobsleiter) zu schaffen – was Dehmel ablehnte.

  38. 38.

    Dehmel: „Dichtung und Vortragskunst“, in: Gesammelte Werke, Bd. 8, S. 138. Vgl. Dehmels Essay „Kunstform und Rhythmus. Grundzüge einer Kritik des Kunstwertes“, in: ebd., S. 74–83.

  39. 39.

    Ästhetische Motive von Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche aufnehmend, schreibt Dehmel : „Denn jener Gesang im gesprochenen Wort soll nicht in verstellten Singsang ausarten, nicht in ein scheinbar gefühlvolles, gänzlich gemütleeres Lautgeschwelge; es soll uns ja aus dem Schwarm der Gefühle in eine klarere Sphäre entrücken, in jenen Bannkreis rein rhythmischer Kräfte, der den aufgeregten Geist des Dichters in künstlerisch lauschende Spannung versetzte. Diese rhythmische Spannung wollen wir spüren, die für jedes Gedicht eine andere ist, die eigens zwischen dem Wortlaut schwebt, die den ganzen Satzbau der Strophe bestimmt wie das Silbenmaß des einzelnen Verses, bis in die feinste Schwankung des Tonfalls, bis aufs Klanggewicht des flüchtigsten Taktteils. Kurz, wir wollen im Ganzen mehr Hingerissenheit, im Einzelnen mehr Verhaltenheit spüren, als der dramatische Deklamator in seine Stimme zu legen gewohnt ist. Wir, d. h. wir Dichter!“ Dehmel: „Dichtung und Vortragskunst“, in: Gesammelte Werke, Bd. 8, S. 139 f.

  40. 40.

    Irmgard Weithase charakterisierte Däublers Rezitation als „sprechgesangähnlich […] mit so starkem Pathos, daß der Eindruck des äußerst Manirierten entsteht.“ Weithase: Zur Geschichte der gesprochenen deutschen Sprache, Bd. 1, S. 502–505, hier: S. 504.

  41. 41.

    Die Datierung dieser Aufnahme ist allerdings strittig. Die Österreichische Mediathek weist sie einmal dem Jahr 1931, einmal 1944 zu. Wahrscheinlich handelt es sich um eine in den USA gemachte Aufnahme aus den letzten Jahren von Werfels Exilzeit.

  42. 42.

    Hermann Hiltbrunner: „Erinnerung an zwei Dichterlesungen“, in: Neue Zürcher Zeitung, Morgenausgabe, 13. August 1954 (DLA, Marbach). Karl Kraus nahm in seiner Schmähschrift gegen Werfel („Ich und das Ichbin“, in: Die Fackel 484–498 [1918]) auf einen ähnlich hymnisch gestimmten Bericht über einen Leseabend Werfels in Zürich Bezug, vgl. Karl Kraus – Franz Werfel. Eine Dokumentation, S. 117–144, hier: S. 123 und 131.

  43. 43.

    Wie Wilhelm von Scholz schrieb, richteten sich solche Lesungen bewusst an die „Deutschen und Deutschlandfreunde draußen im Ausland“, mit dem Ziel, „leidenden Volksgenossen, die abseits der Kulturströme der Zeit zu leben gezwungen sind, wirklich ein wenig Freude, Anregung, Verbindung mit der geistigen Welt draußen – mit von ihnen entbehrten und leidenschaftlich begehrten Dingen – gebracht zu haben“. Wilhelm von Scholz: „Auf Vortragsfahrten“, in: Pegasus auf Reisen, hg. Heinz Grothe. Königsberg 1942, S. 246. Der scharf antisemitisch tönende Will Vesper glaubte sogar, es als „Zeichen einer tiefen Wandlung“ betrachten zu dürfen, „daß etwa seit der Jahrhundertwende die Dichter wieder ‚Fahrende‘ wurden und nicht nur durch Buch und Druck, sondern auch durch das gesprochene Wort Verbindung mit ihrem Volke suchten und fanden.“ Ebd., S. 307. Vesper berichtete von Lesereisen in Polen, Ungarn, Jugoslawien, Siebenbürgen, Rumänien, in Skandinavien und im Saarland. „Ich kann nur immer wieder raten: schickt Dichter ins Ausland! Sie sind die besten Gesandten – zu den Auslandsdeutschen wie zu den anderen Völkern. Und sie kommen auch selber aufgeschlossener und vielfältig bereichert zurück.“ Ebd.

  44. 44.

    Thomas Bernhard: Meine Preise. Frankfurt 2009, S. 86.

  45. 45.

    Josef Nadler: Josef Weinheber. Die Geschichte seines Lebens und seiner Dichtung. Salzburg 1952, S. 313 und 150 ff.

  46. 46.

    Ebd.

  47. 47.

    Josef Weinheber: „Über Dichterabende“, in: Josef Weinheber: Sämtliche Werke, hg. Josef Nadler und Hedwig Weinheber, Bd. IV: Kleine Prosa. Salzburg 1954, S. 204–208.

  48. 48.

    Peter Demetz: René Rilkes Prager Jahre. Düsseldorf 1953, S. 71 und 73. Vgl. die Handzeichnung seines Freundes Emil Orlik René im ‚Verein bildender Künstler‘ eigene Verse rezitierend, ebd., S. 81. Demetz bezeichnet Rilke in seinen frühen Prager Jahren als „literarischen Hans-Dampf-in-allen Gassen“, im Kontrast zur späteren Selbststilisierung als ein von seiner frostigen bürgerlichen Umgebung verkanntes Talent.

  49. 49.

    Über diesen ersten Prager Vortragsabend berichtete Rilke an Dehmel am 6. März 1898: „Nun, es war gestern ein unerwartet großer Erfolg. Zwei Stunden sprach ich vor den gespanntesten Mienen. Ich halte es für notwendig, erst über Lyrik zu sprechen, ehe man Proben vergeudet. Ich sprach mich ganz leicht und ledig. […] Und gestern hab ich gesehn, der Menge gegenüber; sie sind gar nicht verstockt; sie wollen hören und glauben.“ Zitiert nach Dehmel: Dichtungen, Briefe, Dokumente, S. 198. Die folgenden Informationen nach Rätus Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke. Schweizer Vortragsreise 1919. Frankfurt 1986, S. 13 ff.

  50. 50.

    Das Buch der Bilder, 11902, 21906; Die Weise von Leben und Tod des Cornets Christoph Rilke, 1904/06; Das Stunden-Buch, 1905; Neue Gedichte, 1908; Der Neuen Gedichte anderer Teil, 1908 usw.

  51. 51.

    Rilkes Vortrag wollte um Verständnis für Rodins Kunst werben und war deshalb bewusst in einer zuhörerfreundlichen Sprache gehalten. An Lou Andreas-Salomé schrieb er am 14. November 1905: „Der Rodin-Vortrag macht mir Freude. Ich glaube, er ist etwas über mein kleines Buch hinaus, – jedenfalls ist er ebenso ‚gesprochen‘, wie jenes ‚geschrieben‘ ist.“ Rainer Maria Rilke: Briefe aus den Jahren 1902 bis 1906, hg. Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1929, S. 272.

  52. 52.

    Vgl. die Vorrede zur Ausgabe seines Rodin-Buchs 1907, in: Martina Krießbach: Rilke und Rodin. Wege einer Erfahrung des Plastischen. Frankfurt 1984, S. 69 und 121 ff.

  53. 53.

    An Clara am 25. Oktober 1905, in: Rilke: Briefe aus den Jahren 1902 bis 1906, S. 266 f.

  54. 54.

    An Karl von der Heydt, Anfang November 1905, in: ebd., S. 268.

  55. 55.

    Ingeborg Schnack: Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes. Frankfurt 21996, S. 236.

  56. 56.

    Das seit 2001 bestehende „Rilke-Projekt“, das sich rühmt, „das erfolgreichste deutsche Lyrikprojekt des Jahrhunderts“ zu sein, ist nur ein Beispiel dafür. http://www.schoenherz-fleer.de/rilke-projekt (Zugriff am 7. Juni 2017). Dieses Projekt kombiniert Lesungen von aus Film und Fernsehen bekannten Schauspielern mit einer eigens zu diesem Anlass komponierten, teils instrumentalen, teils vokalen Musik. Man fragt sich, was Rilke gar zu einer CD wie Wolfgang Thierse liest seine Lieblingsgedichte [u. a. von Rainer Maria Rilke] und hört Musik [u. a. Miles Davis ] gesagt hätte. Mit Musik überzuckerte Rezitationen, die sich der leichteren Konsumierbarkeit empfehlen, müssen ihm ein Gräuel gewesen sein.

  57. 57.

    Er wisse deshalb auch nicht, „ob Versuche dieser Art gemacht worden sind und mit welchem Erfolg.“ Zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 14.

  58. 58.

    Schnack: Rainer Maria Rilke, S. 286 ff.

  59. 59.

    An Clara Rilke am 4. November 1907, in: Rilke: Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914, S. 15.

  60. 60.

    An Clara am 6. November 1907, in: ebd., S. 17.

  61. 61.

    Vgl. die Beschreibung dieser Lesung durch Herbert Steiner: „Über Rilke“, in: Neue Zürcher Zeitung, 18. Oktober 1952, zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 16.

  62. 62.

    Schnack: Rainer Maria Rilke, S. 289.

  63. 63.

    „Zwar hatte ich infolge des raschen Reisens, der vielen intensiven Gespräche, des aufmerksamen Schauens von Menschen (was immer noch des Schauens schwerste Anwendung ist) zu viel Blut im Kopfe, so viel, daß ich, nach dem Lesen der ersten zwei Gedichte, plötzlich (vorher hatte ichs erwartet und erhofft) mein Nasenbluten kommen fühlte: meine liebe Natur wußte nicht, auf welcher Stelle ich stand, und griff, wie sie es tut, zu diesem einfachen Ausweg. Ich war ihr nicht bös: was gehen sie die Leute an. Ich sagte den Leuten, sie möchten sich eine Weile gedulden und weshalb, ging in den Autorenstall, wie eine Ziege, richtete mich dort mit Wasser, Waschbecken wie immer ein, ließ bluten (alle kamen und sagten, Kopf zurücklegen usf. – ich wußte aber, daß dann das Blut nach hinten flösse und es mit der Stimme aus sei), ließ also bluten ohne Nervosität, kam erfrischt wieder nach außen und las gut und klar den ganzen Abend (als Prosastück den Tod des Kammerherrn Christoph Detlev Brigge). Während des Unfalls kam Hofmannsthal nach hinten, sprach zu, war reizend. Im Notfall les ich, sagte er. Aber zum Glück wars nicht nötig. Alle waren sehr bei der Sache, alle wollten mich sehen, mir die Hand reichen.“ Brief an Clara Rilke am 9. November 1907 aus Wien, in: Rilke: Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914, S. 20 f.

  64. 64.

    Zitiert nach Schnack: Rainer Maria Rilke, S. 289 f.

  65. 65.

    An Auguste Rodin am 16. November 1907, in: Rilke: Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914, S. 24.

  66. 66.

    An Clara Rilke am 9. November, in: ebd., S. 26.

  67. 67.

    Zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 35.

  68. 68.

    Allerdings wagte, nach Rilkes Bericht, sich niemand aus dem Publikum vor, bis ein Zuhörer aufstand und seinen Dank aussprach. Einer seiner damaligen Zuhörer, Felix Braun , hatte diese Frage ans Publikum als einen problematischen Augenblick in Erinnerung, sie hätte die Wirkung des ganzen Auftritts beeinträchtigt. „Das Schweigen, das vorhin das der Ergriffenheit gewesen war, wurde zu dem der Verlegenheit. Niemand wagte zu antworten – was auch hätte man zu sagen vermocht? Lächelnd wiederholte er seine Erkundung, und da die Stille weiter unfruchtbar bliebt, drohte ihm die Gefahr, ein drittes Mal fragen zu müssen. Diese peinliche Lage rettete der Schriftsteller und Anwalt Dr. Robert Scheu: ‚Ja, wir wissen jetzt‘, rief er laut aus, ‚wer Rodin war, und wir danken Ihnen, Herr Rilke, für Ihre Erläuterung.‘ Danach brach der längst fällig gewesene Applaus mit einer Herzlichkeit aus, die das ungelegene Nachspiel vergessen machte.“ Felix Braun: „Das Licht der Welt“, zitiert in: Die Presse, 9. August 1949 (DLA, Marbach).

  69. 69.

    Zwar gestand Rilke gegenüber Elsa Bruckmann im Jahr 1915 einmal seinen Wunsch, ja den „wunderlichen Antrieb, […] das ‚Stundenbuch‘ öffentlich vorzulesen; es hat mich selber, wenn ich es jetzt für mich las, so merkwürdig gesteigert und erbaut, daß ich meine, es müßte manchem, wenn ichs überzeugt und ergriffen vorbringe, jetzt von ähnlichem Einfluß sein.“ Brief vom 13. Juli 1915, in: Rainer Maria Rilke: Briefe aus den Jahren 1914 bis 1921, hg. Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1937, S. 57 f. Doch zog er seinen Vorschlag, kaum geäußert, bereits im nächsten Brief (vom 19. Juli 1915) zurück.

  70. 70.

    Zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 33–35.

  71. 71.

    Ebd., S. 33 f. Rilke skizzierte in diesem Vorspruch im Übrigen einige Elemente seiner reifen Poetik des Gedichts, ebd., S. 33–35.

  72. 72.

    Aufgrund der Kriegsereignisse und der politischen Umwälzungen in München konnte Rilke die Einladung nach Zürich erst im Jahr darauf, im Juni 1919, wahrnehmen. Als österreichischer Schriftsteller musste er sich im Übrigen um ein Visum in die Schweiz bemühen, vgl. Brief an Hans Bodmer am 25. November 1918, zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 179.

  73. 73.

    Wahrscheinlich handelte es sich hier um Schweizer Franken.

  74. 74.

    Brief an Bodmer vom 7. August 1919, zitiert nach ebd., S. 186.

  75. 75.

    Vgl. die ausführlichen Berichte ebd., S. 179–277.

  76. 76.

    Im Zürcher Zunfthaus am Rathausquai. Der Lesezirkel Hottingen war 1882 zunächst in einem Gasthof gegründet worden, seit 1886 wurde er zu einer Bühne für Vortragsveranstaltungen von Autoren, Schauspielern und Gelehrten mit überlokaler Ausstrahlungskraft.

  77. 77.

    Brief an Bodmer am 10. Oktober 1919, zitiert nach ebd., S. 187.

  78. 78.

    An Marie von Thurn und Taxis am 4. Januar 1920, in: ebd., S. 286 f.

  79. 79.

    Brief an Elisabeth von Schmidt-Pauli am 17. Januar 1920, in: ebd., S. 289.

  80. 80.

    Rilke an seinen Verleger Kippenberg, zitiert nach Schnack: Rainer Maria Rilke, S. 668.

  81. 81.

    Vgl. Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 195.

  82. 82.

    Mit diesem Format hatte unter anderem bereits der Schriftsteller, Theatermacher und Rezitator Rudolf Genée experimentiert, als er seit 1865 seine Shakespeare-Vorlesungen hielt, mit einem „theils kritisch analysierenden, theils dramatisch rezitirenden Vortrag“, vgl. Rudolf Genée : Zeiten und Menschen. Erlebnisse und Meinungen. Berlin 1897, S. 206 f. Später haben akademische Vorleser wie Peter Wapnewski mit Radiovorträgen zur mittelalterlichen Literatur und Ruth Klüger mit Lesungen aus ihrem Gedichtbuch Zerreißproben (2013) dieses Format weiterentwickelt.

  83. 83.

    Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 194.

  84. 84.

    Hiltbrunner: „Erinnerung an zwei Dichterlesungen“, in: Neue Zürcher Zeitung, Morgenausgabe, 13. August 1954.

  85. 85.

    Vgl. Herbert Steiner: „Begegnungen mit Dichtern“, S. 5–9, zitiert bei Maye: „Lautlesen als Programm. Über das Hersagen von Gedichten im George-Kreis“, in: Herrmann (Hg.): Dichtung für die Ohren. S. 238.

  86. 86.

    Schnack: Rainer Maria Rilke, S. 667.

  87. 87.

    Vgl. Demetz: René Rilkes Prager Jahre, S. 1–23.

  88. 88.

    Aufzeichnung von Henry Lüdeke, zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 205 f.

  89. 89.

    Dem entspricht das Zeugnis von Herbert Steiner , eines Germanisten, der in jungen Jahren einmal Gast von George in München gewesen war, vgl. Karlauf: Stefan George. Die Entdeckung des Charisma, S. 379 f. Noch vor der Begegnung mit George hatte er Rilkes Wiener Lesung am 8. November 1907 beigewohnt und hielt dazu aus der Rückschau, 45 Jahre später, fest: „[Rilke] begann, indem er Vokale und Rhythmen fast überstark betonte. Es schien zuerst befremdlich; später habe ich Stefan George ähnlich, nur starrer, Verse sprechen gehört. Aber bald löste sich dies zu einer sehr besonderen, unnachahmlichen, bannenden Musik, zugleich strömend und plastisch scharf bezeichnend. Diese Musik war die seine. Ob sie sich mit den Jahren gewandelt hat – wie seine Poesie? Die Fürstin Taxis deutet an, daß er die ‚Elegien‘ anders modulierte, als er es früher getan.“ Herbert Steiner: „Über Rilke“, in: Neue Zürcher Zeitung, 18. Oktober 1952, zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 16. In gleichem Sinne das Zeugnis von Felix Braun : „Es war aber nicht Gesang, vielmehr ein singendes Sprechen. Wie nach einem alten Melos ertönten Verse in Vokalen, in Silben, die zuweilen voneinander getrennt wurden, wie in Liedern. Ein feierliches Skandieren, darin wie in früher Liturgik ein monodisches Element vorwaltete, ließ den flutenden Ursprung ihrer Konzeption erkennen. […] Und was konnte Berückenderes vernommen werden, als solche wahrhaft gebundene und doch strömende Rede? Prags weit ausgewölbtes Deutsch, das immer in ein Singen übergeht, klang darin mit.“ Felix Braun: „Das Licht der Welt. Geschichte eines Versuches, als Dichter zu leben, 1949“, zitiert nach Tgahrt (Hg.): Dichter lesen, Bd. 3, S. 309.

  90. 90.

    Laisney: En lisant, en écoutant, S. 133 ff.

  91. 91.

    Irmgard Weithase gelangt zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn sie von einer „Synthese von getragener, dem Singen ähnlicher Sprechweise, mit Schlichtheit und Pathoslosigkeit“ spricht. „Durch jene selten anzutreffende Synthese von Schlichtheit und getragener Vortragsweise war eine ‚Sprechung, entfernt von allem Üblichen‘ (Zwintscher) entstanden.“ Weithase: Zur Geschichte der gesprochenen deutschen Sprache, Bd. 1, S. 502–505, hier: S. 503 und 504.

  92. 92.

    Nur so ist Rilkes Äußerung nach seiner Breslauer Lesung 1907 zu verstehen, dass sich die Lesung des Prosatexts Iwan der Schreckliche „zu einer Art dramatischer Leistung“ entwickeln konnte, „die alle bis weithin in Atem hielt“. An Clara am 6. November 1907, in: Rilke: Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914, S. 17.

  93. 93.

    Briefe an Beatrix von Steiger vom 14. November 1922, zitiert nach Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 9 f.

  94. 94.

    In einem Brief an Marlise Gerding vom 14. Mai 1911 sprach Rilke von der „inneren Akustik“, womit er den Entstehungsprozess von Versen beim stillen Vor-sich-hin-Sprechen, beim „inneren Diktat“, meinte, Rilke: Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914, S. 280–282.

  95. 95.

    Rilke variiert hier einen Ausspruch aus Hölderlins Hyperion-Roman aus dem Zusammenhang mit dessen Metaphysik des Leidens: „Und du? Was frägst du dich? Daß so zuweilen etwas in dir auffährt, und, wie der Mund des Sterbenden, dein Herz in Einem Augenblicke so gewaltsam dir sich öffnet und verschließt, das gerade ist das böse Zeichen.“ Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 2, S. 50. Schon im Requiem für Wolf Graf von Kalckreuth hatte Rilke Verse gegen die Wehleidigkeit der Dichter formuliert: „Wie die Kranken / gebrauchen sie Sprache voller Wehleid, / um zu beschreiben, wo es ihnen wehtut, / statt hart sich in die Worte zu verwandeln, / wie sich der Steinmetz einer Kathedrale / verbissen umsetzt in des Steines Gleichmut.“ Rainer Maria Rilke: Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Bd. 1: Gedichte 1895–1910, hg. Manfred Engel und Ulrich Fülleborn. Frankfurt und Leipzig 1996, S. 425.

  96. 96.

    Dafür könnte man auch dichterische Belege heranziehen, etwa das Gedicht Der Lesende, das den Gegenpol zu George einnimmt, durch die Verabsolutierung des stillen Lesens wie auch durch die innere Weitung der Subjektivität zur Welt. Der Leseakt dient als Initiation in den Lobpreis der Schöpfung, die durch Poesie wieder ihre Schöpfungsfrische erlangt.

  97. 97.

    Vgl. Hans-Georg Gadamer: „Philosophie und Literatur“, in: Gesammelte Werke, Bd. 8.1, S. 247. Eudo C. Mason hat sogar von einer „gewissen Feindseligkeit Rilkes dem Leser gegenüber“ gesprochen – und vielleicht auch dem Zuhörer gegenüber: „Es ist, als ob er sich sagte: man wird mich doch mißverstehen, wie ich es auch anstelle; oder: es ist mir vollkommen gleichgültig, ob man mich versteht oder nicht; oder: ich will nicht, daß man mich völlig versteht. So hilfreich Rilke sich diesem oder jenem persönlich an ihn herantretenden Einzelmenschen oder sogar den gesammelten Hörern seiner Schweizer Vorträge mit Erklärungen erweist, so ist ihm doch – besonders in den Stunden des Schaffens – der Leser als solcher und im allgemeinen eine Art notwendiges Übel. Er erblickt in ihm eher den möglichen Feind als den möglichen Freund. Das Verhältnis zwischen Leser und Dichtung, zwischen Publikum und Kunstwerk überhaupt, wie Rilke es sich vorstellt, kann bestenfalls ein gutwilliges privates Mißverstehen sein.“ Eudo C. Mason: Lebenshaltung und Symbolik bei Rainer Maria Rilke, Oxford 1964, S. 49, zitiert bei Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 8 f.

  98. 98.

    Rilkes Brief an Dieter Bassermann vom 19. April 1926, in: Rainer Maria Rilke: Briefe aus Muzot 1921 bis 1926, hg. Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1935, S. 387 f.

  99. 99.

    Rainer Maria Rilke: „Ur-Geräusch“, in: Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Bd. 4: Schriften, hg. Horst Nalewski. Frankfurt und Leipzig 1996, S. 702.

  100. 100.

    Friedrich Kittler: Aufschreibesysteme 1800/1900, S. 243–252. Kittler versucht, diese Phantasie als eine Allegorie zu dechiffrieren, die den modernen Verbund ineinander transformierbarer Medien antizipiert, vgl. Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, S. 69–81, bes. S. 77.

  101. 101.

    Folgt man Felix Salten , so war es immerhin Josef Kainz , der Rilkes Gedichte als erster Schauspieler vor 1910 öffentlich vortrug. Salten hatte ihn auf den Dichter hingewiesen, und mit ihm zusammen studierte er einige Tage lang die Verse ein. „Kainz trug dann, etwa zwei Monate später, im Wiener großen Musikvereinssaal den ‚Panther‘ vor, das ‚Karussell‘, den ‚Fahnenträger‘, den ‚König‘, den ‚sterbenden Dichter‘, die humoristische ‚Auferstehung‘ und den erschütternd herrlichen ‚Orpheus‘. Er hat niemals besser vorgetragen als an diesem Abend. In seiner edlen Stimme klang alle kostbare Schönheit der Rilkeschen Dichtungen leuchtend auf. Die unvergleichliche Plastik dieser Verse, ihre malerische Kraft und ihre innere Seelenmusik, Kainz formte sie schöpferisch nach. Allein, das Publikum blieb kühl. Auch die Zeitungen schrieben ziemlich lau.“ Felix Salten: „Kainz und Rilke“, in: Berliner Tageblatt, 27. Januar 1927 (DLA, Marbach).

  102. 102.

    Heinz von Rebeur-Paschwitz: „Der Dichter spricht“, in: Die Schallplatten-Fibel, hg. Telefunkenplatte. Berlin 1939, S. 91–94, hier: S. 93.

  103. 103.

    Rilkes Brief an Dieter Bassermann vom 19. April 1926, S. 387 f.

  104. 104.

    Auch Lesungen im Rundfunk, wie sie bis zum Todesjahr Rilkes 1926 einige seiner Kollegen machten, sind von ihm nicht bezeugt.

  105. 105.

    Zitiert bei Luck (Hg.): Rainer Maria Rilke, S. 35.

  106. 106.

    Rilke antizipiert Überlegungen, die Walter Benjamin zehn Jahre später in seinem Aufsatz zum Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit entwickeln wird – übrigens ohne auf Rilke Bezug zu nehmen, vgl. Walter Benjamin: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (2. Fassung)“, in: Gesammelte Schriften, Bd. I.2, S. 471–508, hier: S. 475 f.

  107. 107.

    Informationen nach dem Beiheft zu der von der British Library herausgegebenen CD The Spoken Word. Poets, die Tonaufnahmen des British Library Sound Archive wieder verfügbar macht (2003). Die Stimme Brownings ist aufgrund des hohen Rauschpegels nur mit Schwierigkeiten zu verstehen, insofern auch wenig aufschlussreich für die Art, wie er seine Verse vortrug. Ein Jahr später sprach der damals neben Browning wohl berühmteste britische Dichter, der Poet Laureate Alfred Tennyson zehn seiner Gedichte auf Wachszylinder. Diese Aufnahmen wurden offenbar im Studio gemacht und waren einstudiert worden. Seine Kriegsballade Charge of the Light Brigade vergegenwärtigt eine Episode aus dem Krimkrieg (1853–1856). Mit ihrem schleppenden Rhythmus lässt die Aufnahme – trotz der schlechten Tonqualität – gewisse Rückschlüsse auf damalige Vortrags-Konventionen zu.

  108. 108.

    Leipziger Illustrierte, 4. Juli 1891, zitiert nach: Die Schallplatten-Fibel, hg. Telefunkenplatte. Berlin 1939, S. 21 (dort auch eine Zeichnung dieses Hörvergnügens).

  109. 109.

    Vgl. Heinz Hiebler: „Weltbild ‚Hörbild‘ – Zur Formengeschichte des phonographischen Gedächtnisses zwischen 1877 und 1929“, in: Harro Segeberg (Hg.): Die Medien und ihre Technik. Theorien – Modelle – Geschichte. Marburg 2004, S. 166–182, hier: S. 168 f.

  110. 110.

    Hans Schubert: Historie der Schallaufzeichnung, DRA, Frankfurt 1983/2002, S. 10 f., https://www.dra.de/fileadmin/www.dra.de/downloads/einblicke/historie_der_schallaufzeichnung.pdf (Zugriff am 8. Januar 2019).

  111. 111.

    Vgl. Stefan Gauß: Nadel, Rille, Trichter. Kulturgeschichte des Phonographen und des Grammophons in Deutschland (1900–1940). Köln, Weimar und Wien 2009.

  112. 112.

    Brief an Schuster und Loeffler vom 29. Februar 1896, zitiert nach Irmgard Weithase: „Dichter und Sprecher“, in: Das Gesprochene Wort 5/6 (1942), S. 87–91, hier: S. 87.

  113. 113.

    Ziel war es, „eine nach streng wissenschaftlichen Gesichtspunkten geordnete Sammlung von Phonogrammen für Zwecke der Sprach- und Musikwissenschaft anzulegen“. Vgl. Leo Hajek: „Das Phonogrammarchiv der Akademie der Wissenschaften in Wien von seiner Gründung bis zur Neuausrichtung im Jahre 1927“, in: „58. Mitteilung der Phonogrammarchivs-Kommission“, in: Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.-hist. Klasse, Bd. 207, Abhandlung 3. Wien und Leipzig 1928, S. 3 und 16. Vgl. Gerda Lechleitner: „Zu den Stimmporträts“, in: Beiheft zu Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Gesamtaufnahme der Historischen Bestände 1899–1950, Serie 2: Stimmporträts, hg. Dietrich Schüller. Wien 1999, S. 19–23, S. 20 f. Vgl. Hiebler: Hugo von Hofmannsthal und die Medienkultur der Moderne, S. 391–395.

  114. 114.

    So Sigmund Exner 1900: Bericht über die Arbeiten der von der kaiserl. Akademie der Wissenschaften eingesetzten Commission zur Gründung eines Phonogramm-Archivs, zitiert nach Lechleitner: „Zu den Stimmporträts“, in: Beiheft zu Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, S. 19. Vgl. Tkaczyk: „Theater und Phonographie um 1900“, in: Sound und Performance. Schon bei der Gründung des Phonogrammarchivs schlug Exner vor: „Es könnten ferner Aussprüche, Sätze oder Reden berühmter Persönlichkeiten aufgenommen und der Zukunft aufbewahrt werden. Wenn die historische Bedeutung einer solchen Sammlung auch nicht hoch angeschlagen werden kann, so ist doch das große Interesse weiterer Kreise für derartige äußerliche Eigenschaften des Menschen nicht zu ignorieren.“ Zitiert bei Hajek: „Das Phonogrammarchiv der Akademie der Wissenschaften in Wien von seiner Gründung bis zur Neuausrichtung im Jahre 1927“, S. 10. Vgl. Zur Geschichte und Zielsetzung des Wiener Phonogrammarchivs Burkhard Stangl: Ethnologie im Ohr. Die Wirkungsgeschichte des Phonographen. Wien 2000, S. 121–184.

  115. 115.

    Vgl. Stangl: Ethnologie im Ohr, S. 139 f.; Hiebler: „Weltbild ‚Hörbild‘“, S. 173; Lechleitner: „Zu den Stimmporträts“, S. 19 und S. 20 f.

  116. 116.

    Alle Aufnahmen wurden 1999 auf CD wiederveröffentlicht im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (OEAW PHA CD 8/3). Die Aufnahmen von Ebner-Eschenbach, Saar, Schnitzler, Hofmannsthal, Wildgans, Weinheber und anderen sind dank der Österreichischen Mediathek auch online verfügbar, https://www.mediathek.at/portaltreffer/atom/135BB854-114-00078-00000B84-135B28B9/pool/BWEB/ (Zugriff am 8. Januar 2019).

  117. 117.

    Arthur Schnitzler hörte seine Stimme gleich nach der Aufnahme ab und machte dabei die typische Fremdheitserfahrung: „[…] war frappiert über den ausgesprochen nasal jüdischen Charakter meines Organs“. Schnitzler: Tagebuch 1903–1908, S. 261 (19. März 1907).

  118. 118.

    Diese Angaben nach dem Beiheft zu: Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Gesamtaufnahme der Historischen Bestände 1899–1950, Serie 2: Stimmporträts. Wien 1999.

  119. 119.

    Vgl. Peter Michael Braunwarth: „Schriftsteller. Einleitung“, in: ebd., S. 129.

  120. 120.

    Vgl. Maye: „Eine kurze Geschichte der deutschen Dichterlesung“, bes. S. 48 f.

  121. 121.

    Vgl. Schmidt: Deklamation in Theorie und Praxis, S. 57, 61 und 65–67.

  122. 122.

    Darunter eine Tonaufnahme von Kaiser Wilhelm II. aus dem Jahr 1918. Dieser wiederholte die 1914 bei Kriegsausbruch gehaltene Rede An das deutsche Volk in seinem Arbeitszimmer im Schloss Bellevue, als „Re-Enactment im Ton“, vgl. Britta Lange: „Archiv und Zukunft. Zwei historische Tonsammlungen Berlins für das Humboldt-Forum“, in: Trajekte 20 (2010), S. 4–6, hier: S. 6. Zu den Zielsetzungen des Berliner Lautarchivs vgl. Reinhart Meyer-Kalkus: „‚Bizarres Philologentum‘ und Repräsentation akustischer Weltkulturen. Phonographische Sprachaufnahmen aus deutschen Kriegsgefangenenlagern im Ersten Weltkrieg im Berliner Lautarchiv“, in: Gesa Dane, Jürg Jungmayr und Marcus Schotte (Hg.): Wege zur Weltliteratur. Komparatistische Perspektiven der Editionswissenschaft. Berlin 2015, S. 43–70.

  123. 123.

    Darüber hinaus hat Blunck noch weitere Gedichte für den Reichs-Rundfunk im Jahr 1930 und für die Firma Grammophon im Jahr 1934 eingesprochen.

  124. 124.

    Diese Aufnahmen sind auf der Homepage der Bibliothèque nationale française abrufbar, https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k1310983j?rk=21459;2 (Zugriff am 31. Dezember 2018).

  125. 125.

    Vgl. Michel Murat: „Dire la poésie en 1913. Les Archives de la Parole de Ferdinand Brunot“, in: Jean-François Puff (Hg.): Dire la poésie? Nantes 2015, S. 101–128. Zu den Sprachaufnahmen der Firma Pathé vgl. Giusy Pisano: „Pour une histoire des disques de théâtre“, in: Le Son du théâtre, Teil I: Le Passé audible. Théâtre/Public 197. Paris 2010, S. 60–65, hier: S. 62. Demnach wies der Plattenkatalog der Firma bereits 1898 eine Rubrik „Déclamation, Poésies, Récits, etc.“ auf, in der 13 Aufnahmen von Theatermonologen und -dialogen aus klassischen Stücken aufgeführt wurden. Von 1908 an wurde die Rubrik umbenannt in „déclamations dites par les célébrités“, darunter Aufnahmen von Sarah Bernhardt . Ab 1909 kamen Aufnahmen von Sprecherziehern hinzu, wie zeitgleich in Deutschland. Eine Besonderheit ist eine seit 1912 verbreitete Schallplatten-Serie Le Théâtre chez soi mit doppelseitigen Schellackplatten, die entgegen der Namensgebung vor allem Opernaufführungen anboten, etwa die Carmen auf 27 Schellackplatten.

  126. 126.

    Kittler: Aufschreibesysteme 1800/1900, S. 252. Vgl. Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, S. 123–134.

  127. 127.

    Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, S. 79 f.

  128. 128.

    Zitiert nach Weithase: Zur Geschichte der gesprochenen deutschen Sprache, Bd. 1. Tübingen 1961, S. 505 f. Weithase zitiert diese Verse nach Rebeur-Paschwitz : „Der Dichter spricht“, in: Die Schallplatten-Fibel. Diese Version differiert in mehreren Einzelheiten von der von Kittler (Aufschreibesysteme 1800/1900, S. 241) abgedruckten. Kittler zitiert sie nach Walter Bruch: Von der Tonwalze zur Bildplatte. 100 Jahre Ton- und Bildspeicherung. Die Funkschau, Sonderheft. München 1979, S. 20.

  129. 129.

    Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, S. 129, 133.

  130. 130.

    Wie etwa Mynonas (i. e. Salomo Friedlaenders ) Groteske „Goethe spricht in den Phonographen. Eine Liebesgeschichte“, in: Mynona: Schwarz-Weiss-Rot. Grotesken. Leipzig 1916, S. 9–24. Ein Professor, Abnossah Pschorr, versucht hier, die Stimme Goethes aufgrund von dessen Schädel mithilfe einer technischen Apparatur wiederzubeleben. Vgl. Kittler: Grammophon, Film, Typewriter, S. 93–107.

  131. 131.

    Für Lacan war das Reale das schlechthin Unnennbare des Aleatorischen im Unterschied zum Symbolischen und Imaginären, während Kittler es für technisch fixierbar und damit anschaubar bzw. hörbar hielt – eine seiner vielen gewagten Re-Interpretationen seiner Vorlagen, mit denen er bei vielen Lesern Verblüffungseffekte auslöste. Mit den „drei technischen Urmedien […] Phonograph, Kino und Schreibmaschine“ bezieht er sich im Übrigen auf die Lacan’sche Trias von Realem, Imaginärem und Symbolischem.

  132. 132.

    Einer der Grundsätze einer kritischen Medienwissenschaft besteht in der Einsicht, dass ein aufgezeichneter Ton nicht „mit dem sich zum Zeitpunkt und am Ort der Aufnahme ereignenden Ton“ identisch ist. „Vielmehr stellt das jeweilige Aufnahme- und Speichermedium einen Filter dar, der nur bestimmte Anteile des jeweils stattfindenden Klanggeschehens durchlässt, diese durch die Aufnahme und Speicherung auch modifizieren kann und zudem noch eigene Töne hinzufügt (wie das Rauschen, Knistern und Knacken der Schellackplatte).“ Daniel Morat und Thomas Blanck: „Geschichte hören. Zum quellenkritischen Umgang mit historischen Tondokumenten“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 11/12 (2015), S. 703–726, hier: S. 724. Vgl. zur kritischen Auseinandersetzung mit Kittlers Ansatz aus dem Horizont der historischen Musikwissenschaft Ralph Kogelheide: Jenseits einer Reihe ‚Tönender Punkte‘. Kompositorische Auseinandersetzung mit Schallaufzeichnung, 1900–1930. Hamburg 2017, S. 23–35.

  133. 133.

    Lotz, Gunren und Roller (Hg.): Deutsche National-Discographie, Serie 4, Bd. 1–4. Allerdings ist das Register nicht vollständig, so fehlen etwa die Aufnahmen von Felix Dahn und Marie von Ebner-Eschenbach , ebenso wie die Aufnahmen von Ringelnatz , Brecht und anderen, die zum Teil in anderen Katalogen dokumentiert werden, etwa in der Deutschen National-Discographie, Serie 1: Discographie der deutschen Kleinkunst, Bd. 2, hg. Manfred Weihermüller. Bonn 1991, S. 305 und 505. Vgl. weiterhin die wertvollen Informationen zu den erhalten gebliebenen und im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) gesammelten Tondokumenten bei Walter Roller (Hg.): Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1888–1932. Ein Verzeichnis (Veröffentlichungen des Deutschen Rundfunkarchivs 15). Potsdam 1998.

  134. 134.

    Auch drei größere Schallplatten- bzw. CD-Anthologien mit Dichterstimmen haben dieses Desiderat nicht erfüllen können. So gab Eckart Kleßmann 1977 eine akustische Anthologie deutschsprachiger Dichter auf zehn Schallplatten im Stern-Magazin-Verlag heraus, die allerdings unvollständig ist und aufgrund von Copyright-Problemen erstaunliche Lücken aufweist. 2009 brachte dann der Münchner Hörverlag Die Bibliothek der Poeten heraus, eine Anthologie auf zehn CDs mit 122 deutschen Autorenstimmen, doch werden hier nur Lyriker und auch diese nur unvollständig dokumentiert. 2012 kam eine Kassette mit 44 CDs von Prosa-Aufnahmen unter dem Titel Die Bibliothek der Autoren: Erzählerstimmen im Hörverlag hinzu, die das Bild gegenüber den bereits auf Schallplatte veröffentlichten Aufnahmen nur wenig verändert hat.

  135. 135.

    Vgl. die unterschiedlichen Angaben bei Walter Roller: Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1888–1932, S. 115, 122–124, und bei Manfred Weihermüller (Hg.): Discographie der deutschen Kleinkunst, Bd. 2. Bonn 1991, S. 505.

  136. 136.

    Hans Reimann ist mit insgesamt 140 Sendungen übrigens der Spitzenreiter aller Autoren im Rundfunk vor 1932. Er präsentierte seine Texte bei bis zu sechs verschiedenen Sendegesellschaften pro Monat – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen, vgl. Wittenbrink: Schriftsteller vor dem Mikrophon, S. 20.

  137. 137.

    Ricarda Huch liest hier eine Episode aus Der große Krieg in Deutschland. Eine einseitig bespielte Schellackplatte mit dieser Aufnahme, allerdings ohne Label, fand sich in Huchs Nachlass. Offenbar kam sie nicht in den Handel. Sie wurde 1999 von Edition Mnemosyne wiederveröffentlicht.

  138. 138.

    Kästner sprach vier Gedichte für Die neue Truppe ein, vgl. Lotz und Roller (Hg.): Deutsche National-Discographie, Serie 4, Bd. 3, S. 853.

  139. 139.

    Die RRG machte eine Aufnahme von Döblins Ansprache vor Mitgliedern der Berliner Sezession über moderne Malerei und Literatur (11. April 1931).

  140. 140.

    Werfel hat 1931 für die RRG in Berlin seine Gedichte Eine alte Frau und Lächeln, atmen, schreiten eingesprochen, sodann im selben Jahr in Köln Lächeln, atmen, schreiten, Elternlied und Reiselied, vgl. Lotz und Roller (Hg.): Deutsche National-Discographie, Serie 4, Bd. 3, S. 833.

  141. 141.

    So müsste geklärt werden, ob Karl Kraus ’ Lesung seines Gedichts Jugend am 24. März 1930, die dann auf Schellackplatten der Neuen Truppe publiziert wurde, in den Studios der Berliner Funk-Stunde aufgenommen worden ist. In einem Werbeprospekt von Artiphon-Record / Die neue Truppe (ca. 1930) wird eine Synergie beider Medien unterstellt: „Das Radio nahm seinen Aufschwung. Man glaubte, die Sterbestunde der Schallplatten-Industrie sei gekommen. Aber im Siegeslauf riß der Rundfunk die Schallplatte zu neuer, ungeahnter Höhe. Die modernsten Erfindungen menschlichen Geistes – erst nach Jahren tastender Versuche finden sie Bestimmung, Inhalt, Stil.“ Zitiert nach Karl Kraus liest Eigenes und Angeeignetes. 3 CDs mit historischen Aufnahmen, hg. Deutsche Schillergesellschaft. Marbach 1999, S. 11.

  142. 142.

    Roller (Hg.): Literatur, Kunst, Wissenschaft. Tondokumente 1888–1945, DRA, Frankfurt 1982, S. VII. In diesem Sinne auch Kleßmann im Begleittext zu seiner Anthologie Stimmen der Dichter. Eine tönende Anthologie. Zeitmagazin exklusiv, Schallplatten-Edition, Hamburg 1977, S. 3.

  143. 143.

    Hilaire Belloc: „Records for Posterity“, in: The Gramophone 5 (1928), S. 359 f.

  144. 144.

    Unberücksichtigt lasse ich im Folgenden, aus Gründen der Übersichtlichkeit, die literarische Vortragskunst in der RAVAG, der österreichischen Radio Verkehrs AG, von 1924 bis 1938.

  145. 145.

    Vgl. zur Geschichte des Rundfunks in Deutschland: Winfried B. Lerg: Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik. München 1980; Joachim-Felix Leonhard (Hg.): Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik, 2 Bde. München 1997; Solveig Ottmann: Im Anfang war das Experiment. Das Weimarer Radio bei Hans Flesch und Ernst Schoen. Berlin 2013, S. 341–400 („Wortprogramm. Volksbildung vs. politische Aufklärung“); Hermann Naber: „‚Unsere Isoliertheit ist grenzenlos‘. Rundfunk: Ein neues Medium in der Kontroverse“, in: Dichtung und Rundfunk – 1929. Ein Dokument der Stiftung Archiv der Akademie der Künste. Archiv-Blätter 5. Berlin 2000, S. 5–29.

  146. 146.

    Vgl. Gerhard Eckert: Der Rundfunk als Führungsmittel. Heidelberg, Berlin und Magdeburg 1941, S. 32 und 39. Trotz seiner nationalsozialistischen Tendenz enthält Eckerts Buch viele empirisch gehaltvolle Angaben.

  147. 147.

    Vgl. den Abriss einer Geschichte des Hörspiels von 1923 bis 1934 bei Gerhard Eckert: Gestaltung eines literarischen Stoffes in Tonfilm und Hörspiel. Berlin 1936, S. 51–63. Die Bearbeitung klassischer Dramen für den Funk gehörte zu den Schwerpunkten dieser Pionierzeit. Bertolt Brecht etwa bearbeitete Shakespeares Macbeth 1927 und Hamlet 1931 für den Berliner Rundfunk. Ernst Hardt inszenierte 1930 Büchners Woyzeck, 1932 Schillers Wallenstein und Teile von Faust II. Auch Goethe -Dramen wie Götz von Berlichingen, Stella, Iphigenie auf Tauris, Torquato Tasso und Die natürliche Tochter wurden zwischen 1931 und 1935 für den Funk jeweils in Kurzfassungen produziert. Vgl. W. Schwiedrzik im Begleitheft zu: ‚König Lear‘ mit Fritz Kortner. WDR Köln 1958. Edition Mnemosyne, Neckargemünd 1999, S. 32 f., hier: S. 32.

  148. 148.

    Theresia Wittenbrink: „Rundfunk und literarische Tradition“, in: Leonhard (Hg.): Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik, Bd. 2, S. 996–1097; dies.: „Zeitgenössische Schriftsteller im Rundfunk“, in: ebd., S. 1098–1195; dies.: Schriftsteller vor dem Mikrophon. Autorenauftritte im Rundfunk der Weimarer Republik 1924–1932. Eine Dokumentation. Berlin 2006; Sandra Rühr: „Geschichte und Materialität des Hörbuchs“, in: Das Hörbuch, S. 59–138, hier: S. 74.

  149. 149.

    Vgl. zu Hans Flesch und Ernst Schoen Ottmann: Im Anfang war das Experiment, S. 25–148.

  150. 150.

    Hans Bredow: Vier Jahre deutscher Rundfunk. Berlin 1928, S. 99.

  151. 151.

    „Schriftsteller im Rundfunk“, Homepage des DRA, http://www.dra.de/rundfunkgeschichte/schriftsteller/index.php (Zugriff am 4. März 2012).

  152. 152.

    Hans-Ulrich Wagner: Günter Eich und der Rundfunk. Essay und Dokumentation. Potsdam 1999, S. 25–65. Vgl. Huchels amüsanten Bericht über seine sich in die Länge ziehende Gedicht-Lesung im Berliner Rundfunk 1932, nach der Reichspräsident Hindenburg zum Volk sprechen sollte. Brief an den Hessischen Rundfunk am 24. September 1963, in: Peter Huchel: Wie soll man da Gedichte schreiben. Briefe 1925–1977, hg. Hub Nijssen. Frankfurt 2000, S. 402.

  153. 153.

    Wittenbrink: Schriftsteller vor dem Mikrophon, S. 5.

  154. 154.

    Das Petitum des Intendanten Hans Flesch , möglichst alle hochwertigen Rundfunksendungen vorher auf Schallplatten aufzunehmen, um eine fehlerfreie, von Zufällen unabhängige Spitzenleistung zu schaffen, wurde letztlich nicht umgesetzt, vgl. Gerhard Tannenberg: „Zur Verwendung der Schallplatte im Rundfunk“, in: Rufer und Hörer. Monatshefte für den Rundfunk 4 (1934), S. 131–139, hier: S. 133.

  155. 155.

    Vgl. Wolfgang Hagen: „‚Die Stimme als Gast‘. Benjamins Sendungen“, in: Wladimir Velminski (Hg.): Sendungen. Mediale Konturen zwischen Botschaft und Fernsicht. Bielefeld 2009, S. 25–50, hier: S. 28. Ausnahme ist das Hörspiel Radau um Kasperl (1932) für den Frankfurter Sender, bei dem Benjamin allerdings nicht als Sprecher mitwirkte.

  156. 156.

    Wittenbrink: Schriftsteller vor dem Mikrophon, S. 6.

  157. 157.

    Friedrich W. Bischoff: „Das literarische Problem im Rundfunk“, in: Rundfunk-Jahrbuch 1929, hg. Reichs-Rundfunk-Gesellschaft Berlin. Berlin 1929, S. 56.

  158. 158.

    Vgl. Friedrich W. Bischoff: „Die Dramaturgie des Hörspiels“, in: ebd., S. 197–205. Der Begriff „Hörspiel“ ist offenbar schon 1924 geprägt worden, vgl. Gert Eckert: „Die Begriffssprache des Rundfunks“, in: Rundfunkarchiv. Zeitschrift für Rundfunkrecht und Rundfunkwirtschaft 14 (1941), S. 52–58, hier: S. 58.

  159. 159.

    Karl von Brauchitsch: „Das Schallarchiv der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft“, in: Archiv für vergleichende Phonetik 2 (1937), S. 72–76, hier: 74 f.

  160. 160.

    Wittenbrink: Schriftsteller vor dem Mikrophon, S. 14 f.

  161. 161.

    „Als prädestiniert für die rein akustische Vermittlung im Radio galt bei vielen Sendern die Dialektdichtung. Vor allem die für abgegrenzte, sprachlich relativ homogene Gebiete zuständigen Regionalstudios brachten gern Mundartprogramme, oft unterstützt von regelmäßig mitarbeitenden Autoren.“ Ebd., S. 13.

  162. 162.

    Vgl. Benjamins Rundfunkvorträge, in: Gesammelte Schriften Bd. VII, S. 68–249 („Rundfunkgeschichten für Kinder“).

  163. 163.

    Programmdienst für den deutschen Rundfunk. Mitteilungsblatt für die literarischen Leiter der deutschen Rundfunkgesellschaften 1 (1933), S. 4 f., zitiert nach Wittenbrink: Schriftsteller vor dem Mikrophon, S. 11, Anm. 9.

  164. 164.

    Ebd., S. 17.

  165. 165.

    Unter den Verantwortlichen des Rundfunks befanden sich Alfred Braun , Ernst Hardt und Hans Flesch , der neu berufene Intendant der Berliner Funkstunde, von dem die Initiative zu dieser Tagung ausgegangen war. Zu jeweils sechs Themen gab es Referate und Koreferate, aufgeteilt auf Autoren und Rundfunkvertreter: Literatur und Rundfunk, Epik, Essay und Dialog, Drama, Hörspiel und Lyrik. Die Tagungsbeiträge sind veröffentlicht in dem Sammelband Akademie der Künste (Hg.): Dichtung und Rundfunk. Reden und Gegenreden. Berlin 1930. Die folgende Analyse nimmt Bezug auf eine ausführliche Darstellung in: Meyer-Kalkus: Stimme und Sprechkünste im 20. Jahrhundert, S. 364–368.

  166. 166.

    Bronnen gab sich als Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung zu erkennen und ritt eine Attacke gegen die „schamlose Zunft verantwortungsloser, dem eigenen Volke entfremdeter, keiner Rasse, keiner Landschaft verhafteter Literaten“. Akademie der Künste (Hg.): Dichtung und Rundfunk, S. 79. Döblin replizierte darauf in engagierter Weise, vgl. ebd., S. 95.

  167. 167.

    „Der Rundfunk ist ein akustisches Verbreitungsinstrument für Worte, Töne und Geräusche […]“, ebd., S. 9 (Alfred Döblin).

  168. 168.

    Ebd., S. 59 (Schmidtbonn) und S. 25 (Roeseler).

  169. 169.

    Stefan Bodo Würffel: Das deutsche Hörspiel. Stuttgart 1978, S. 55.

  170. 170.

    Arnold Bronnen: „In Wirklichkeit ist der Rundfunk nicht für die Dichter da, sondern für die Nation. Ihn interessiert an den Dichtern nicht das Schaffen des einzelnen, er sieht in dem Dichter nur das Instrument der Gedanken der Nation.“ Akademie der Künste (Hg.): Dichtung und Rundfunk, S. 77.

  171. 171.

    Döblin verlangte bereits 1913 für die moderne Epik einen „Kinostil“, der sich durch „höchste Gedrängtheit“ und „Präzision“, durch „Plastik und Lebendigkeit“ auszeichnen solle. Zitiert nach Anton Kaes: „Einleitung“, in: Kino-Debatte. Texte zum Verhältnis von Literatur und Film 1909–1929, hg. Anton Kaes. Tübingen 1978, S. 29.

  172. 172.

    Akademie der Künste (Hg.): Dichtung und Rundfunk, S. 11.

  173. 173.

    Döblins Begründung dafür lautete: „Die tönende Sprache tut nichts Positives hinzu, nämlich das Tönen zum Roman, sondern sie engt die Phantasie ein durch den Stimmklang, die besondere Art der Stimme, ihren Tonfall, der vom Autor nicht vorgesehen ist. Der eigentliche Ort des Romans ist unstreitig die Phantasie, das geistig sinnliche Mitphantasieren, und dahin führt unendlich besser das Lesen; die Konzentration wird hier tiefer, die Ablenkung ist geringer, es erfolgt leichter die notwendige Selbsthypnose, die unter Anleitung des Autors des Romans geschieht.“ Ebd., S. 13. Döblin hat denn auch konsequenterweise keine Lesung aus seinem Roman Berlin Alexanderplatz gegeben, sondern eine eigenständige Hörspielfassung angefertigt unter dem Titel Die Geschichte von Franz Biberkopf (1929/30). Heinrich George sprach den Protagonisten.

  174. 174.

    Ebd., S. 15.

  175. 175.

    Akademie der Künste (Hg.): Dichtung und Rundfunk, S. 38. Vgl. auch die Äußerung des Dichters und Rezitators Freiherr von Münchhausen, ebd., S. 50 f.

  176. 176.

    Diese Datenbank ist auch im Druck erschienen: Wittenbrink: Schriftsteller vor dem Mikrophon.

  177. 177.

    Vgl. Roller (Hg.): Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1888–1932. Potsdam 1998; Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1933–1935. Potsdam 2000; Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1936–1938. Potsdam 2002; Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1939–1940. Berlin 2006.

  178. 178.

    Brauchitsch: „Das Schallarchiv der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft“, in: Archiv für vergleichende Phonetik, S. 76. Zur Schallplattenproduktion der Sendegesellschaften, vgl. Karl Christian Führer: „Aufzeichnungstechnik. Wachs- und Schwarzplatten“, in: Joachim-Felix Leonhard (Hg.): Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik, Bd. 2. München 1997, S. 710 f.

  179. 179.

    Zum zehnjährigen Bestehen des Schallarchivs des Deutschen Rundfunks erschien ein kleiner, für die neuen Zielsetzungen aufschlussreicher Text, vgl. Anonym: „10 Jahre Schallarchiv des Deutschen Rundfunks“, in: Rundfunkarchiv. Zeitschrift für Rundfunkrecht und Rundfunkwirtschaft, 3.13 (März 1940), S. 23 f.

  180. 180.

    Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (Hg.): Schallaufnahmen der Reichs-Rundfunk G.m.b.H. von Ende 1929 bis Anfang 1936. Berlin 1936, S. 469–482. Hier finden sich 14 Seiten zu Dichtungen (S. 469–482) und 93 Seiten zu Hörspielen (S. 375–467). In den frühen Jahren barg das Schallarchiv rund 2.000 Aufnahmen von Sendungen, bis 1936 wuchs die Sammlung auf 35.000 an. Durch den Gebrauch von Schallfolien konnte der Umfang der Neueingänge noch weiter gesteigert werden.

  181. 181.

    Im Verzeichnis der RRG findet sich noch der Eintrag: „Else Lasker-Schüler liest ihre Gedichte 1. Josef in Ägypten, 2. Dank der Juden an den Papst“, 3:45 am 22. März 1931, ebd., S. 471.

  182. 182.

    Ebd., S. 469. Heinrich Mann las seine Erzählung Herr GebertEine Kindheitserinnerung am 26. Januar 1930 und aus seinem unveröffentlichten Werk Die verlorene Tochter am 7. Juli 1932, weiterhin sprach er in der Berliner Funkstunde anlässlich seines 60. Geburtstags am 26. März 1931 über sein Leben. Am 22. Januar 1931 und am 12. Mai 1932 hielt er Vorträge, einen davon zum Thema Krieg und Frieden.

  183. 183.

    Roller (Hg.): Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1888–1932, S. 9.

  184. 184.

    Vgl. Naber: „‚Unsere Isoliertheit ist grenzenlos‘. Rundfunk: Ein neues Medium in der Kontroverse“, in: Dichtung und Rundfunk – 1929, S. 29.

  185. 185.

    Vgl. die Beiträge des Sammelwerks Leonhard (Hg.): Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik, Bd. 1 und 2. Einen Hinweis auf die Existenz des Archivs gibt es dort lediglich bei Ludwig Stoffels: „Kunst und Technik“, in: ebd., Bd. 2, S. 682–724, bes. S. 723 f. Von den gravierenden Verlusten ist an keiner Stelle die Rede.

  186. 186.

    Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass es selbst nach 1945 noch Säuberungen unter den Phono-Beständen im RRG-Archiv gegeben hat, diesmal von den neuen Herren unter Kontrolle der sowjetischen Kulturoffiziere. Vgl. den Beitrag von Fischer und Pietrzynski: „‚Hier spricht Berlin …‘. Das Programm des Berliner Rundfunks 1945 und seine Überlieferung im Deutschen Rundfunkarchiv, Standort Berlin“, in: ‚Hier spricht Berlin …‘ Viele Tonbänder wurden gelöscht, um sie neu zu bespielen, da ein Mangel an Tonband-Material herrschte.

  187. 187.

    Vgl. Hans-Ulrich Wagner: „Die literarischen Programmangebote des Reichssenders Hamburg“, in: Das literarische Feld in Hamburg 1933–1945, hg. Dirk Hempel und Hans-Ulrich Wagner. Hamburg 2012, S. 151–179, bes. S. 156; Wolfram Wessels: „Hörfunk und Literatur im Nationalsozialismus“, in: Wilhelm Haefs (Hg.): Nationalsozialismus und Exil 1933–1945. München 2009 (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 9), S. 474–494, hier: S. 487 f.

  188. 188.

    Anonym: „Der Rundfunk als geistige Waffe“, in: Rundfunkarchiv. Zeitschrift für Rundfunkrecht und Rundfunkwirtschaft 3,13 (März 1940), S. 21. Vgl. Birthe Kundrus: „Totale Unterhaltung? Die kulturelle Kriegsführung 1939 bis 1945 in Film, Rundfunk und Theater“, in: Jörg Echternkamp (Hg.): Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945, Bd. 9/2. München 2005, S. 93–157.

  189. 189.

    Offenbar begann diese neue Sendereihe im Mai 1944 im Großdeutschen Rundfunk. Sie wurde eröffnet mit „Bruno Brehm am 3. Mai und wurde fortgesetzt mit Wilhelm Schäfer, der eine seiner Anekdoten um den großen Preußenkönig – ‚Der König in der Klippschule‘ – selbst sprach.“ Notiz in: Rundfunkarchiv. Rundfunk und Fernsehen in Wissenschaft und Praxis 4/9 (1944), S. 64.

  190. 190.

    Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (Hg.): Schallaufnahmen der Reichs-Rundfunk G.m.b.H. von Ende 1929 bis Anfang 1936, S. 475–482. Nach dem 30. Januar 1933 strahlte der Rundfunk Autorenlesungen unter anderem von Hanns Johst , Heinrich Lersch , Fritz Woike , Fritz Riebold , Christoph Wieprecht , Margret Naval , Isolde Kurz , Richard Billinger , Wilhelm von Scholz , Richard Euringer , Gerhard Schumann und Karl Wagenfeld aus. Vgl. Roller (Hg.): Tondokumente zur Kultur- und Zeitgeschichte 1933–1935, 2000; 1936–1938, 2002; 1939–1940, 2006.

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Meyer-Kalkus, R. (2020). Dichterlesungen. In: Geschichte der literarischen Vortragskunst. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04802-8_16

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