Zusammenfassung
Baumgarten ist nicht zuletzt deshalb ein vergessener, schwer in Erinnerung zu bringender Autor, weil er sich der Gewaltenteilung der wie absolut herrschenden nationalen Formate von Literatur- und Philosophie-Geschichtsschreibung nicht fügte, die sich mit dem 19. Jahrhundert durchsetzten, im 20. Jahrhundert der Weltkriege verfestigten und seither in Pathosformeln und traumatophilen Phantasmen weiter geistern. Unter den europäischen Rahmenbedingungen, auf die eine Europa-Universität aufmerksam sein muß, sind dieses Pathos und diese Phantasmen ein schwer zu bewältigendes und folglich – das macht die Gattung der grand récits so unerträglich – ein mit Fleiß überspieltes Ärgernis der Forschungsverwaltungen und ihrer Forschungsrhetorik. Baumgartens lateinisches Werk stammt aus einer anderen Epoche, der Zeit der verblassenden Renaissance im Zustand ihrer kriegsgeschüttelten Zerstörung, bevor sie in dem langen 19. Jahrhundert der Jacob Burckhardt, Walter Pater und Johan Huizinga, zum Fluchtpunkt vornationaler, den nationalen Teleologien vorgreifenden Perspektiven wurde. Dem übermächtigen germanistischen Verlangen nach einer National-Literatur konnte der lateinische Baumgarten nicht gewachsen sein, und so ist es bezeichnend, daß er es immer noch nicht, nicht einmal zur Vollendung seines 300. Geburtstags ist.
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Haverkamp, A. (2018). Alexander Gottlieb Baumgarten als Provokation der Literaturgeschichte. In: Klopstock/Milton – Teleskopie der Moderne. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04684-0_15
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04684-0_15
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-04683-3
Online ISBN: 978-3-476-04684-0
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