Zusammenfassung
Äu ßerlich strahlend«, aber »innerlich schwächlich« hat Paul Bekker den Verdi-Tenor einmal genannt. Diese Charakterisierung trifft auf alle großen Tenor-Partien vom Ernani bis zum Otello zu. Der leichtfertig dem Vergnügen und der Liebe zugewandte Riccardo des »Ballo in maschera« macht davon keine Ausnahme. Dabei ist er die psychologisch komplexeste, gewiss aber musikalisch am subtilsten differenzierte Tenor-Figur Verdis. Das hat mit seiner Herkunft aus dem französischen Libretto Eugène Scribes für Daniel-François- Esprit Aubers 1833 uraufgeführte Oper »Gustave III ou Le Bal masqué«, weniger mit dem allerdings auch bei Giuseppe Verdi noch immer durchscheinenden historischen Vorbild des 1792 während eines Maskenballs ermordeten schwedischen Königs Gustaf III. zu tun. Denn es ist, bis in die Formen, die Zeichnung der Figuren, nicht zuletzt die musikalische Atmosphäre hinein, ein brillantes französisches Flair, das in dieser Oper vorherrscht. Dass er sich durch die italienische Zensur, die keinen Königsmord auf offener Bühne duldete, gezwungen sah, die Handlung nach Amerika zu verlegen und den nordischen Souverän in einen englischen Gouverneur von Boston zu verwandeln, hat Verdi auch dann nicht rückgängig gemacht, als dies nach der italienischen Einigung möglich gewesen wäre. Durch die Erfindung einer Geliebten maskiert, ja geradezu ausgemerzt sind aber auch die homosexuellen Neigungen des Vorbilds, denn Verdis Riccardo wird nicht die Politik, sondern die ehebrecherische Beziehung zur Frau seines Sekretärs Renato, eines Kreolen, zum Verhängnis. »Das Wahre zu kopieren kann eine gute Sache sein, aber das Wahre zu erfinden ist besser, viel besser«, war seine künstlerische Devise.
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Schweikert, U. (2018). »Scherz oder Wahnsinn« ?. In: Erfahrungsraum Oper. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04652-9_28
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04652-9_28
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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