Darwin

Zusammenfassung

Alexander von Humboldt hat die Veröffentlichung von Charles Darwins On the Origin of Species am 24. November 1859 nicht mehr erleben können. Die weltweite Debatte um die von Darwin und Alfred Russel Wallace vorgebrachte Evolutionstheorie setzte wenige Monate nach Humboldts Tod ein. Dennoch ist das Verhältnis zwischen Humboldt und Darwin seit dem späten 19. Jahrhundert ein wiederkehrendes Thema der Biologiegeschichte. In der Humboldtbiographik wurde und wird es nicht selten mit der Frage nach der ›Modernität‹ oder ›Aktualität‹ des Forschungsprogramms Humboldts verbunden. So bezeichnete Emil du Bois-Reymond 1883 Humboldt als »vor-darwinistischen Darwinisten«, der sich – wenn auch nur mündlich – zu evolutionären Ideen bekannt habe (Du Bois-Reymond 1912, 268). Propagandisten des Darwinismus in Deutschland wie Ernst Haeckel, Wilhelm Bölsche und Walther May beriefen sich ebenfalls auf Humboldt als Vorläufer Darwins (Rupke 2005, 66). In jüngster Zeit hat eine erfolgreiche Humboldt-Biographie jene um 1900 entworfene Genealogie, die Humboldt zum geistigen Vater des von Haeckel entwickelten Ökologie-Konzepts machte, aufs Neue popularisiert (Wulf 2015, 307). Dies wiederum hat zumindest einen Kritiker auf den Plan gerufen, der nachdrücklich Humboldts Naturverständnis von dem des Darwinismus abhob (Glaubrecht 2016). Tatsächlich wies Humboldt die bereits zu seiner Zeit öffentlich diskutierten Thesen über Ursprung und Wandel der Arten stets als naturphilosophische Spekulationen zurück, denen die empirische Grundlage fehle; eine Vorwegnahme evolutionärer Theorien findet sich in seinen Publikationen nicht (siehe z. B. Humboldt 1814–1825 II, 384; vgl. Schmuck 2014, 83).