Zusammenfassung
laut Programmzettel wird aus der Matinée heute eine Geisterstunde. Nach Kleists ›Bettelweib‹ erwartet uns die Fuchsgeist-Szene aus Ulrike Ottingers Film ›Unter Schnee‹ und am Ende Yoko Tawadas Erzählung ›Der Hausgeist‹. Nichts als Gespenster also, so scheint es. In Kleists Erzählung verweist der Marchese das Bettelweib aus dem Winkel, in dem er seine Jagdbüchse gewöhnlich abstellt, zum Ofen – eigentlich kein übler Platz in einem kalten Schloss. Doch das Bettelweib rutscht aus, stirbt und beginnt zu spuken. Vermeintlich ist der Tod des Marchese am Ende nichts anderes als der Sünde Sold. Neigt Kleist zur Übertreibung, oder ist das Ganze gegen den Strich zu lesen? So lakonisch-nüchtern wird die Gespenstergeschichte erzählt, dass es einen erst zu gruseln beginnt, wenn man von eilfertigen Schuldzuweisungen für diesen tödlichen Sturz absieht, sich dem Schweigen des Textes aussetzt und es erträgt. Das heißt vor allem: aushalten, dass das Sterben so banal und absurd sein kann wie ein Leben, absurd im wörtlichen, ursprünglich musikalischen Sinne, also disharmonisch zur menschlichen Vernunft. »Es kann kein böser Geist sein, der an der Spitze der Welt steht; es ist ein bloß unbegriffener « (DKV IV, 361), schreibt Kleist 1806 an seinen Freund Rühle.
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Blamberger, G. (2017). Verwandlungsspuk und Verwandlungszauber. Rede zur Verleihung des Kleist-Preises an Yoko Tawada im Berliner Ensemble, 20.11.2016. In: KLEIST-JAHRBUCH 2017. Kleist-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04516-4_1
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-04516-4
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