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Programmatische Definitionen und Charakterisierungen des literarischen »Expressionismus«

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Expressionismus
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Zusammenfassung

In der Halbmonatsschrift Das literarische Echo, die damals umfassend und relativ neutral über das literarische Geschehen der Gegenwart informierte, gab im Juni 1917 ein ausführlicher Artikel über die zeitgenössische Literatur des »sogenannten Expressionismus« « folgende Hinweise zur Verwendung und Verwendbarkeit dieses Begriffs:

Im übrigen hat die neue Richtung auch schon einen Namen erhalten, der sich für einen Teil wenigstens einzubürgern scheint, so wenig treffend er auch ist. Man spricht nämlich in Analogiezur jüngsten bildenden Kunst von literarischem Expressionismus. Es hat wenig Zweck, sich solchen Schlagworten zu widersetzen. Wenn sie einmal im Kurs sind, sind sie nicht auszurotten, und das einzige, was man dabei tun kann, ist, daß man den damit bezeichneten Begriff zu möglichster Klarheit und Deutlichkeit bringt. Entstanden ist der Begriff des Expressionismus auf dem Gebiete der bildenden Künste. Es sollte damit ursprünglich der Gegensatz gegen den Impressionismus gekennzeichnet werden und würde wörtlich demnach besagen, daß statt des Eindrucks der Außenwelt der Ausdruck der Innenwelt das Wesen der Kunst ausmachen solle. So allgemein gefaßt wäre damit nur ein Gegensatz formuliert, der die Geschichte der Künsteseit alters durchzieht. Indessen ist das Wort Expressionismus nur ein Etikett für Bestrebungen, die mit seinem wörtlichen Sinn auch nicht annähernd bezeichnet sind. Der Umstand, daß sie »Ausdruck« wären, ist keineswegs eine erschöpfende Kennzeichnung all der kompositionellen, koloristischen und intuitiven Neuerungen, die die Kunst der Cézanne und Matisse und ihrer zahlreichen Anhänger in allen Kulturländern brachte. Mehr und mehr tritt die bewußte Def ormierung der Wirklichkeit in einem bisher nicht gekannten Maße als das Wesentliche der neueren Kunst hervor, und in diesem Sinne mag eine Übertragung des Begriffs auf die Dichtung eine gewisse Berechtigung haben, wenn auch eine erschöpfende Definition damit keineswegs erreicht ist.

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Notizen

  1. Richard Müller-Freienfels: Die Literatur um 1915 (Der sogenannte Expressionismus). In: Das literarische Echo 19 (1917), H. 18 (15. Juni), Sp. 1103–1112, Zitat Sp. 1105.

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  2. Vgl. die (freilich bei weitem nicht vollständige) Bibliographie bei Paul Raabe: Expressionismus. Der Kampf um eine literarische Bewegung, S. 308–314; weiterhin Geoffrey Perkins: Contemporary Theory of Expressionism. Bern, Frankfurt 1974. S. 144–182.

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  3. W. Warstat: Die Grundlagen des Expressionismus. In: Die Grenzboten 73 (1914), Nr. 20 (20. Mai), S. 312–318.

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  4. Max Brod: Kleine Prosa. In: Das bunte Buch. [Almanach des Verlages Kurt Wolff]. Leipzig 1914. S. 39.

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  5. Ernst Stadler: Carl Sternheim: Die Hose. Leipzig 1911. — Die Kassette. Leipzig 1912. — Bürger Schippet. Leipzig 1913. — Der Snob. Leipzig 1914. Zitat nach dem Abdruck in: Carl Sternheim. Materia-lienbuch. Hg. v. W. Wendler. Darmstadt, Neuwied 1980. S. 17–19. Zuerst in:Cahiers Alsaciens — Elässer Hefte 3 (1914), Nr. 3.

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  6. Vgl. etwa Leonore Ripke-Kühn: Expressionismus und Plastik. In: Die weißen Blätter 1 (1913), S. 1048–1052; oder auch die erste »Expressionismus«-Monographie von Paul Fechter: Der Expressionismus. München: R. Piper 1914.

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  7. K. Edschmid: Die sechs Mündungen. Novellen. Leipzig: K. Wolff 1915. Die Novellen wurden von Joachim Benn (einem Vetter von Gottfried Benn) in der Frankfurter Zeitung vom 1. August 1915 als »Musterbeispiele des literarischen Expressionismus, ja, die ersten, die es bisher gibt«, gewertet.

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  8. Zur Bedeutung des amerikanischen Lyrikers Walt Whitman (1819–1892) vgl. Vincent J. Cosentino: Walt Whitman und die deutsche Literaturrevolution. Diss. München 1968, S. 81 ff. (s. a. Anm. 3 zu Dok.89)

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  9. Anspielung auf Franz Werfel: Wir sind. Neue Gedichte. Leipzig: K. Wolff 1913.

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Anz, T., Stark, M. (1982). Programmatische Definitionen und Charakterisierungen des literarischen »Expressionismus«. In: Anz, T., Stark, M. (eds) Expressionismus. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04408-2_3

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