Zusammenfassung
Gegenüber der neuzeitlichen Entwicklung der Naturwissenschaften und Medizin und angesichts ihrer heutigen Situation muß die Zeit der romantischen Naturforschung und romantischen Medizin um 1800 als eine ebenso überhebliche wie belanglose Episode erscheinen. In welchem Kontrast zeigt sich hierzu das Selbstverständnis der romantischen Naturforscher und Mediziner; sie waren zutiefst überzeugt von dem Wert und der Durchsetzungskraft ihrer Art der Naturbetrachtung und sprachen sich eine dominierende und beispielhafte Stellung in der modernen Wirklichkeit zu. Die Lage der Physik hält Oersted 1803 für überaus erfreulich. Der “tiefe Sinn für das Höhere” beseele zwar noch nicht alle Physiker, von einigen großen Forschern wirke er aber machtvoll in alle Richtungen ; vergebens streite “noch die Tendenz zur chaotischen Unform, mit dem Lichte, das sich bildend über das Ganze zu verbreiten anfängt.”1 Der neue Zugang zur Natur soll nicht nur ein tieferes Verständnis der Naturerscheinungen herbeiführen und der zeitgenössischen einseitigen Naturwissenschaft siegreich entgegentreten, von der Art der Naturbetrachtung sollen — und hierin stimmt das Denken der romantischen Naturforscher mit dem ausgeprägten Selbstbewußtsein der empirischen Naturwissenschaftler überein -, auch die politischen Verhältnisse wie alle anderen Wissenschaften und Künste abhängen; die Art der Naturbetrachtung wirkt nach Steffens “bestimmend auf alle gesellige Ordnung, auf die Sittlichkeit, ja auf die Religion,”2 ihre Veränderung werde deshalb auch die gesamte Daseinsweise umwandeln, die in der Gegenwart allzusehr an “Dampfmaschinen, Fabriken, Landstraßen” gebunden sei — ein “Verweilen auf einem bloß mechanischen Standpunkt im Leben.”3
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Notizen
A. Kloss, Die Heidelbergischen Jahrbücher der Literatur in den Jahren 1808–1816 (1916), S. 129.
G. W. Fr. Hegel, “Maximen des Journals der deutschen Literatur” (1806), in Hegel, Sämtliche Werke, Bd. 1 (41965), S. 544 f.
Fr. Wöhler an J. J. Berzelius, 23.4.1825, in Briefwechsel zwischen J. Berzelius und F. Wähler, hrgb. v. O. Wallach, Bd. 1 (1901), S. 42.
R. Virchow, “Ueber die Standpunkte in der wissenschaftlichen Medicin,” Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin, 1 (1847), S. 5 f.
Fr. Martius, “Die Principien der wissenschaftlichen Forschung in der Therapie,” Sammlung Klinischer Vorträge, Innere Medicin, hrgb. v. R. Volkmann, Nr. 47 (1875/77), S. 1171.
E. Du Bois-Reymond, “Goethe und kein Ende” (1882), in Du Bois-Reymond, Reden, Bd. 2(21912), S. 170.
W. Ostwald, Große Männer (41910), S. 373.
Fr. Büchner, “Von den Ursachen der Krankheiten,” Stimmen der Zeit, 154 (1953/54), S. 185.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1978 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
v. Engelhardt, D. (1978). Einführendes Referat. In: Brinkmann, R. (eds) Romantik in Deutschland. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04397-9_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04397-9_12
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00404-8
Online ISBN: 978-3-476-04397-9
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)