Zusammenfassung
Es hat sich als fruchtbar erwiesen, sowohl bei der Auswahl als auch bei der Analyse der Beispieltexte bestimmte in der älteren Forschung oft leitende Fragen hintanzustellen. Weder, ob die Gedichte Sonette sind, noch ob sie ‚ichtige‘ oder gar ‚gute‘ Sonette sind, stand im Vordergrund, sondern die Frage, ob und wenn ja, welchen Bezug sie zur Sonetttradition haben. ‚Sonett‘ wurde nicht als Klasse verstanden, der bestimmte Texte angehören und andere nicht, sondern als Konzept, das von als prototypisch angesehenen Einzeltexten abgeleitet, aber auch von poetologischen Aussagen in Poetiken oder auch in Sonetten selbst beeinflußt sein kann, und das erkennbar die Folie für eine bestimmte Textproduktion darstellt. Dieses Konzept muß nicht einheitlich sein; es kann von Fall zu Fall unterschiedliche Schwerpunktsetzungen aufweisen, etwa klassizistische oder spielerisch-manieristische Varianten privilegieren. Wenn man überhaupt von einem ‚Konzept Sonett‘ sprechen kann, dann aufgrund eines Netzes von ‚Familienähnlichkeiten‘ im Wittgensteinschen Sinne, das die einzelnen Fälle zu einem Feld verbindet, innerhalb dessen zudem bestimmte Prototypen als Attraktoren fungieren, um die herum sich die Bezüge verdichten.
Literatur
Eine Tendenz, die in der Forschung schon früh bemerkt wurde: „This restatement suggests a general hypothesis: namely that genre tends to mode. The genre, limited by its rigid structural carapace, eventually exhausts its evolutionary possibilities. But the equivalent mode, flexible, versatile, and susceptible to novel commixtures, may generate a compensating multitude of new generic forms. For the mode was abstracted from an existing concrete historical genre. The latter, closely linked to specific social forms, is apt to perish with them. But the mode corresponds to a somewhat more permanent poetic attitude or stance, independent of particular contingent embodiments of it.“ (Alastair Fowler: The Life and Death of Literary Forms. In: New Literary History 2 [1970/71], S. 199–216, hier S. 214)
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Böhn, A. (1999). Schluß. In: Das zeitgenössische deutschsprachige Sonett. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04313-9_5
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