Zusammenfassung
Gerade für einen wissenschaftlichen Umgang mit Literatur, der Form nicht mehr als von inhaltlichen Dimensionen isolierbares Element begreift, sondern Formbestimmtheit und Verauffälligung formaler Strukturen als Konstituens literarischen Schreibens und die dadurch ermöglichte ästhetische Erfahrung als spezifisches Potential literarischer Texte auffaßt, ist das Wiederaufgreifen von dem Anschein nach anachronistischen Formen und gerade auch das Phänomen der gebrochenen, ironischen oder zitierenden Verwendung von Formen ein zentrales Problem. Der Zusammenhang zwischen dominanten, ja epochenprägenden Formen und den jeweiligen sozial-, mentalitäts- und psychohistorischen Bedingungen von Literatur läßt eine rein ‚immanente‘ Erklärung des Formenwandels als unzureichend erscheinen. Die Vorstellung einer nur modischer Aktualität folgenden Bevorzugung oder Ablehnung von rhythmischen und lautlichen Mustern, rhetorisch-poetischen Figuren, ja ganzen Gattungen würde deren komplexe Beziehungen zu Leserdispositionen, zu Verbreitung und öffentlichem Stellenwert von Literatur, zum Verhältnis der Literatur zu den anderen Medien, zu praktischen Funktionen und theoretischen Funktionszuschreibungen und vielem anderen außer acht lassen. Die Einsicht in diese Beziehungen macht die Geschichte der literarischen Formen zu einem selbständigen Teil einer allgemeinen Kulturgeschichte und erweist ihren Wandel als historisch motiviert.
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Literatur
Zum Begriff des Gattungs- oder Formzitats vgl. Peter Kuon: Gattung als Zitat. Das Paradigma der literarischen Utopie. In: Christian Wagenknecht (Hg.), Zur Terminologie der Literaturwissenschaft. Akten des IX. Germanistischen Symposions der DFG, Würzburg 1986. Stuttgart 1988, S. 309–325,
und Andreas Böhn: Das Formzitat als kultureller Austauschprozeß. In: Hans W. Panthel u. Peter Rau (Hg.): Bausteine zu einem transatlantischen Literaturverständnis. Views on Literature in a transatlantic Context. Jubiläumsschrift zum zwanzigjährigen Bestehen der Partnerschaft zwischen den Universitäten Waterloo/Canada und Mannheim/Deutschland. Frankfurt/M. u. a. 1994, S. 197–209. Beim Letztgenannten handelt es sich um eine Skizze zu einer demnächst erscheinenden Monographie über das Konzept des Formzitats als literarische Strategie.
Vgl. Kuno Lorenz: Artikel ‚use and mention‘. In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Hg. v. Jürgen Mittelstraß. Bd. 4. Stuttgart u. Weimar 1996, S. 459f.
Vgl. Paul Goetsch: Sonette über das Sonett. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 38 (1997), S. 261–280.
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Böhn, A. (1999). Formen als kommunikativer Fundus: Gebrauch von Formen, Verweis auf Formen. In: Das zeitgenössische deutschsprachige Sonett. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04313-9_3
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