Zusammenfassung
Das Doppelgängergewimmel am Ende von Hermann Hesses “Steppenwolf” war mit einer Entgrenzung verbunden, die den Protagonisten aus seinem Ich wie aus einer einengenden Schale befreite und ihn seiner selbst in seiner Ganzheit teilhaftig werden ließ. Es übertrug vereinfachend ins Figürliche eine allgemeine Tendenz der Literatur seit Ende des 19. Jahrhunderts, die u.a. in der Erfindung des ‘inneren Monologs’ Ausdruck gefunden hatte: Literatur orientierte sich darauf, Tabuschwellen zu überschreiten und in unbekannte Zonen des Selbst vorzudringen. In den fünfziger Jahren kam nun mit dem ‘Nouveau Roman’ eine Romanform auf, die zumindest auf den ersten Blick im Gegensatz zu solchen Versuchen steht, das “zehnfache Schillern eines menschlichen Gehirns” (Iwan Goll) zu zeigen. Eine psychologische Kahlschlag-Literatur entstand. Die auftretenden Personen präsentierten sich am “Nullpunkt der Innerlichkeit”1. Wo Schriftsteller wie Hermann Hesse im “Steppenwolf” anvisiert hatten, alles über das Selbst aufzudecken, war es nun Ziel, nichts über das Innenleben zu sagen2. Robbe-Grillet erzählte beispielsweise in “La Jalousie” (1957) Eifersucht, indem er sie nicht erzählte, sondern einzig indirekt, aus der Beschreibung von Gegenständen und sich verändernden Gegenstandskonstellationen ahnbar werden ließ. Die Formexperimente, die ein Strukturmerkmal des “Nouveau Roman” sind, erinnern dabei daran, daß die Weigerung, Charaktere mit durchsichtiger Psyche zu entwerfen, damit zu tun hatte, daß nicht mehr an die Aussagekraft geschlossener Fiktionen — insbesondere an die Repräsentanz fiktiver Charaktere — geglaubt wurde.
Ich-Erzähler auf Suche nach Protagonisten: Frischs “Gantenbein” • Entglittenes Ichpronomen und Doppelgängereffekte im “Gantenbein” und in C.Wolfs “Kindheitsmustern”
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Notizen
Hofmannsthal, Gedichte, Dramen I 1891–1998, S. 21.
Jacques Lacan, Écrits 1, Paris 1966, S. 277; zitiert nach Troubetzkoy, L’ombre et la différence, S. 172.
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Forderer, C. (1999). Ich-Erzählung als Doppelgängerspiel. In: Ich-Eklipsen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04303-0_11
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