Zusammenfassung
Wer sich als Literaturwissenschaftler mit wie immer gearteten Zusammenhängen von literarischer Moderne und Psychoanalyse befaßt, sieht sich rasch in Beziehungsprobleme zwischen Literatur und Wissenschaft involviert, die es zu durchschauen und zu beschreiben gilt. Da ist einmal das gespannte Verhältnis insbesondere der deutschen Literaturwissenschaft zur Psychoanalyse. Die deutsche Literaturwissenschaft hat nach 1945 die Auseinandersetzungen mit der Psychoanalyse nur sehr zögernd aufgenommen, hat auf sie vielfach mit bloßen Ressentiments und Ausgrenzungsstrategien reagiert.1 Erst seit den siebziger Jahren hat sich das langsam, aber stetig zu ändern begonnen, auch wenn das tief in unserer Wissenschaft verwurzelte Psychologismusverdikt sich noch heute zu behaupten vermag. Daß die Bücher Freuds 1933 verbrannt wurden, ist sicher der Hauptgrund für die noch weit über 1945 hinaus anhaltende Abwehrhaltung der deutschen Literaturwissenschaft gegenüber der Psychoanalyse, doch nicht der einzige. Ein weiterer liegt in jenem reduktionistischen Schematismus psychoanalytischer Literaturinterpretationen, der in jedem analysierten Text immer das findet, was er sucht: das ödipale Drama oder, in jüngerer Zeit bevorzugt, als Basis narzißtischer Größen- oder Verschmelzungsphantasien das Drama der frühkindlichen Ablösung von der Mutter.
„Psychoanalyse in der literarischen Moderne (1910–1933)“ ist der Titel eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit März 1995 geförderten Projekts, das ich an der Universität Bamberg durchführe. Ziel ist eine monographische Darstellung des Themas mit einem umfassenden biobibliograpischen und dokumentarischen Anhang. Der Mitarbeiterin an dem Projekt, Christine Kanz, danke ich für die bibliographischen Vorarbeiten, die in den Forschungsbericht eingegangen sind.
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