Zusammenfassung
In dem Sinne, daß Bruckners Symphonien dem „heldischen Weltgefühl des germanischen Menschentums“ entsprungen seien, bezeichnete sie Goebbels in seiner Walhalla-Rede von 1937 als „nationales Vermächtnis“: „Der Führer und seine Regierung“ betrachteten es daher als ihre „kulturelle Ehrenpflicht…, das ganze deutsche Volk dieses beglückenden Erbes teilhaftig werden zu lassen… Aus diesen Gründen haben sie sich entschlossen, der Internationalen Bruckner-Gesellschaft so lange jährlich zur Herausgabe der Originalfassung seiner sämtlichen Symphonien einen namhaften Betrag zur Verfügung zu stellen, bis das Gesamtwerk des Meisters in der von ihm geschauten Form vorliegt.“1 Hitler hatte damit die erste Gesamtausgabe der Brucknerschen Werke unter seinen Schutz stellen lassen. Das Projekt von Robert Haas, das in Zusammenarbeit mit Alfred Orel und unter Mitwirkung der Wiener Nationalbibliothek, der IBG, zunächst des Filser-Verlags in Augsburg, dann des Musikwissenschaftlichen Verlags (MWV) in Wien und Leipzig Anfang der dreißiger Jahre in Angriff genommen wurde, erhielt — zumindest nach außen hin — mächtigen Auftrieb. In Wirklichkeit stand die reibungslose Fortführung der Gesamtausgabe der sogenannten „Originalfassungen“ 1937 in Frage, weil sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Beschaffung von notwendigem Quellenmaterial eingestellt hatten. Weder die Vertreter der IBG noch der Musikwissenschaftliche Verlag noch die Herausgeber mochten aber auf die versprochene staatliche Subvention verzichten. Es galt, die Bedingungen, die daran geknüpft waren, zu erfüllen.
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Endnotes
Vgl. Orels Aufsatz Das Wiener Musikleben im Neuaufbau von 1938, in dem er aber auf die Bruckner-Gesamtausgabe nicht einmal anspielt.
Vgl. die Studienpartitur U.E. 3594, nach A. Weinmann, Anton Brucknerund seine Verleger, eine Ausgabe von 1912.
Vgl. das Vorwort Nowaks zu Anton Bruckner. Sämtliche Werke, Bd. 2, II. Symphonie c-Moll (Fassung von 1877), Wien 1965: „Die hier vorliegende Ausgabe hat [die] nicht zur Fassung von 1877 gehörigen Stellen entfernt und durch die dazugehörigen ersetzt, so daß die Partitur der II. Symphonie nunmehr einheitlich in der letzten Fassung vorliegt.“
R. Haas, Zur Textfrage bei Anton Bruckner. Eine Erwiderung, in: Neue Zürcher Nachrichten, 12. September 1936. Ein fast gleichlautendes Manuskript dieser Erwiderung (Wien, im August 1936) ging wahrscheinlich als Abschrift an Auer (F 31 Auer 110, A-Wn).
Zit. nach M. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen 1935–1938, S. 718. Vgl. J. Wulf, Musik im Dritten Reich, S. 249 (Zitat aus E. Bauer, Musik auf dem Reichsparteitag der Arbeit, in: Die Musik-Woche vom 9. Oktober 1937, S. 6): „Dem Wunsche des Führers entsprechend schloß das Finale der Fünften Symphonie von Anton Bruckner den Kulturkongreß in überwältigender Großartigkeit ab.“
Vgl. K. Laux, Anton Bruckner. Leben und Werk, 1940, S. 78: „Der,deutsche Michel’ und,Parsifal‘ sind miteinander zu identifizieren. Der deutsche heldische Mensch tritt uns strahlend aus den Tönen dieser Sinfonie entgegen… Im einzelnen könnte man sagen, daß uns im ersten Satz der deutsche Mensch im Kampf, im zweiten Satz der deutsche Mensch in der Natur, im dritten Satz der deutsche Mensch in der mystischen Zwiesprache mit Gott und im letzten Satz der deutsche Mensch als Sieger entgegentritt“. Vgl. die zweite Auflage der Biographie (Wiesbaden 1947),S. 71–74. Vgl. auch K. Laux, Anton Bruckners „Symphonie des deutschen Menschen“.
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Brüstle, C. (1998). Bruckner „original“: Musikphilologie und Ideologie. In: Anton Bruckner und die Nachwelt. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04283-5_4
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