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Was ist die Postmoderne?

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Die Postmoderne
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Zusammenfassung

Die Postmoderne ist die Einsicht, daß Europa Auschwitz nicht überlebt hat. Und der Vorsatz, sich niemals von jenem Trauma, das Auschwitz bedeutet, erholen zu wollen. Was denken die Toten über uns? Dies ist die Grundfrage der Postmodeme, eine Perspektivenumkehr, die unsere herkömmliche, teleologische Geschichtsvorstellung von Grund auf revidiert. Denn bislang dienten die Toten der Absicherung unserer Lebens- und Zukunftsgewißheit. Es gehört zu den Vergnügungen der jeweils Gegenwärtigen, eine tödliche Vergangenheit nicht erlebt, diese also gleichsam überlebt zu haben und sich nun in der erschütternden Ahnungslosigkeit derjenigen ergehen zu können, die »damals« gerade noch nicht tot waren. Wir leben, weil sie tot sind. In uns breitet sich eine Genugtuung aus, die Canetti das »Friedhofsgefühl« nennt, und womit in diesem Zusammenhang der von Gegenwart zu Gegenwart errungene Endsieg teleologischen Denkens gemeint ist, eine zugleich überaus alltägliche und doch geschichtshaltige Gewohnheit. Stets begreifen wir die Gegenwart als das Telos, als die Endabsicht alles Vergangenen, und die Verbrechen finden ihren Sinn ganz einfach darin, in einer Vergangenheit begangen worden zu sein, deren Ergebnis unsere Gegenwart zu sein scheint. Nach Auschwitz gilt dies nicht mehr, weil es ein »Nach Auschwitz« nicht gibt; unsere Gegenwart — sie ist, obwohl Auschwitz geschah.

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Notizen

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Gasser, M. (1997). Was ist die Postmoderne?. In: Die Postmoderne. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04276-7_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04276-7_4

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-45181-1

  • Online ISBN: 978-3-476-04276-7

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