Zusammenfassung
Ist eine Gewehrkugel einmal abgefeuert, dann hat der, auf den sie zielt, keine Möglichkeit der Reaktion mehr; ob sie trifft oder vorbeifliegt, hängt lediglich vom Schützen, nicht mehr vom potentiellen Opfer ab.1 Eine Rakete, abgefeuert von der britischen Fregatte “Exorcet” im Falkland-Krieg, brauchte 13 Sekunden, bis sie das argentinische Schiff traf. In diesen 13 Sekunden kann die argentische Besatzung gar nichts tun, sie kann sich gegen die herannahende Rakete nicht verteidigen, sie kann sich auch nicht ergeben. Die Deutschen in den Kellern des Jahres 1944 unter alliiertem Terrorbombardement, die Bewohner von Hiroshima am 6. August 1945 … Clausewitz bestimmt aber Krieg zunächst als “Zweikampf”, das ist das urprüngliche Element des Krieges. Aus der Perspektive eines Grabenkämpfers im ersten Weltkrieg entscheidet das Leben aber nicht ein Kampf, sondern der Zufall, ob nämlich die Granate gerade mich trifft oder 10 m weiter beim nächsten Kameraden einschlägt. Große Teile des Kriegsgeschehens, und zwar nicht nur alle Vorbereitungen, Etappe, Troß, Logistik etc., sondern des reinen Schlachtgeschehens, waren im strengen Sinne nie “Kampf”, also Krieg.
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Endnoten
Lenin, der im August 1914 aus Rußland fliehen muß, reagiert auf den Kriegsausbruch mit dem Artikel “Revolution und Krieg”. Im ersten Entwurf hieß es darin: “Die Gewehre schießen von selbst.”—Zitiert nach A.Reisberg: Lenin und die Zimmerwalder Bewegung. Berlin (DDR) 1966, S. 86
Heiner Müller: Zur Lage der Nation. Berlin 1990, S. 27: “Seit Hiroshima sind militärische Kategorien nicht mehr relevant …”
Vgl. dazu Lewis Mumford: Mythos der Maschine [englisch 1966]. Frankfurt am Main
Vgl. Gustav Janouch: Jaroslav Hašek. Der Vater des braven Soldaten Schwejk. Bern 1966—Und damit dürfte er ebenfalls Eulenspiegel nahe sein, denn wo sonst sollte man sich seine Streiche eher erzählt haben?
Jaroslav Hasek: die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Berlin und Weimar 1976, S. 9
Vgl. Zur Rezeptionsgeschichte: Vladimir Ulrich: Schwejk in Deutschland. In: Jaroslav Hašek 1883–1983. Westslavische Beiträge 1. Hrsg.: Walter Schamschula. Frankfurt am Main / Bern 1989, S. 530–545—Pavel Petr: Hašeks “Schwejk” in Deutschland. Berlin 1963—Die “bürgerliche” Rezeption enthebt seit der ersten enthusiatischen Kritik Brods die Figur des Schwejk der Geschichte, stilisiert ihn zum weisen Narren, was schon für die von Shakespeare eine Verfälschung ist; die linke Rezeption muß Schwejk verdammen, wenn sie sein Kleinbürgertum ernst nimmt. Ist aber sehr zu recht ihre Liebe zu Schwejk stärker als die ideologischen Bedenken, so muß das “Kleinbürgerliche” im Dunkeln bleiben.
Hašeks “Partei des gemäßigten Fortschritts im Rahmen der bestehenden Gesetze” ist Konsequenz einer proletarischen Erfahrung, wie kleinbürgerlich es immer klingen mag.—Vgl. J. Hašek: Die Partei des maßvollen Fortschritts. Frankfurt am Main 1971
Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Frankfurt am Main 1961, S. 151
Vgl. Veronika Ambros: Josef Svejk oder die häßliche Scheherzad. In: Jaroslav Hašek 1883–1983. Westslavische Beiträge 1, 1989, S. 207–222
Bertolt Brecht: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Frankfurt am Main 1967. Bd. 5, S. 1956f
zitiert nach G. Deleuze / F. Guattari: Für eine kleine Literatur. Frankfurt am Main 1976, S. 26
Ebd., S. 27
Franz Kafka: Briefe an Felice. Hrsg. v. E. Heller und J. Born. Frankfurt am Main 1976. Einleitung, S. 13
Walter Benjamin / Gershom Scholem, Briefwechsel. Hrsg.v. Gershom Scholem. Frankfurt am Main 1980, S. 293—Im Lichte dieses Zitats erhält der Ausdruck “Würstchen”, mit dem Brecht Benjamin gegenüber Kafka belegte, eine andere Färbung: Stan Laurel ist natürlich auch ein “Würstchen”, aber was für eines!, eines, das den alten “Hanswurst” revitalisiert.
Vgl. Gert Sautermeister: Sozialpsychologische Textanalyse. Franz Kafkas Erzählung “Das Urteil”. In: Dieter Kimpel / Beate Pinkerneil (Hrsg.): Methodische Praxis der Literaturwissenschaft. Modelle der Interpretation. Kronberg 1975, S. 99–119
Robert Musil: Politisches Bekenntnis eines jungen Mannes. ein Fragment. In: Musil, Ges. Werke 8. Hrsg. v. A. Frisé. Reinbek 1978, S. 1010
Haug hat beobachtet, daß Schwejk im Verlaufe des Buches immer “jünger” wird. Vgl. W.F. Haug: Bestimmte Negation. ‘Das umwerfende Einverständnis des braven Soldaten Schwejk’ und andere Aufsätze. Frankfurt am Main 1973, S. 68
Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Hrsg.v. R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Bd III, Frankfurt am Main 1972, S. 230–236
A.D.: Schriften zu Ästhetik, Poetik und Literatur. Olten und Freiburg 1989, S.303, 305.—Döblin hat zwei große historische Romane geschrieben: “Wallenstein” und “Die drei Sprünge des Wang-Lun”. Ihre Darstellungsweise ist von dem Genre “Historischer Roman” des 19. Jahrhunderts so unterschiedlich, daß eine ernsthafte Rezeption bisher nicht stattgefunden hat. Es spricht aber alles dafür, daß sie als Erzeugnisse des 20. Jahrhunderts den großen des 19., wie etwa Tolstojs “Krieg und Frieden”, in nichts nachstehen.
Vgl. Renate Mühlenweg: Studien zum deutschen Romantitel. Diss. Wien 1960
Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Frankfurt am Main, Wien, Zürich 1978, S. 498: “Und da wird er ruhiger, zögert und überlegt sich. Man ist auf seine Freunde angewiesen, mal kommt man doch raus, und drin braucht man sie auch …”
Zum Zufall in Döblins Denken vgl. Klaus Schröter: Döblin. Reinbek 1988, S. 43f
Sigmund Freud: Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens und andere Schriften. Frankfurt am Main 1981, S. 18–29
Marcel Reich-Ranicki: Unser Biberkopf und seine Mieze. In: M.R.-R. (Hrsg.): Romane von gestern—heute gelesen, Bd.2. Frankfurt am Main 1989, S. 171
Alfred Döblin, zitiert nach Matthias Prangel (Hrsg.): Materialien zu Alfred Döblins “Berlin Alexanderplatz”. Frankfurt 1975, S. 26
Max Horkheimer / Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main 1985, S. 138f
R.W. Faßbinder, der von sich sagte, daß sein Leben “in einigem, manchem, vielleicht Entscheidenderem” anders verlaufen wäre, wenn er nicht BERLIN ALEXANDERPLATZ kennengelernt hätte, unterliegt demselben Mißverständnis wie Adorno / Horkheimer: “Er [Biberkopf] wird wohl Nationalsozialist werden, so sehr zerstört hat ihn die Begegnung mit Reinhold.” (R.W. Faßbinder und Hart Baer: Der Film BERLIN ALEXANDERPLATZ. Frankfurt am Main 11984, S. 6,8) Wenn Biberkopf 1933 in SAUniform durch Berlin marschiert, dann werden wir aber in der nächsten Reihe ebenfalls Reinhold (der Horst Wessel sicher noch näher steht) finden. Das heißt: der Kampf und die Liebe zwischen beiden ist durch die braune Kluft nicht zur Ruhe zu bringen.
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Stollmann, R. (1997). Renaissance der Groteske im 20. Jahrhundert. In: Groteske Aufklärung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04275-0_3
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