Zusammenfassung
Albert Lortzing, dem “einzigen Dichterkomponisten von Rang im musikalischen Drama vor Wagner”1 fehlt, was bei jenem in so reichlichem Maße vorhanden ist: die theoretische Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk. Diese Abstinenz ist bezeichnend für Lortzings Selbstverständnis — er war ein Theaterpraktiker, der zur Aufzeichnung ästhetischer Reflexionen weder Zeit noch Motivation fand. Der Interpret des Lortzingschen Werks kann sich nur auf sehr vereinzelte, nicht besonders aussagekräftige Briefstellen stützen bei dem Versuch des Entwurfs einer Lortzingschen Librettotheorie. Das Fehlen von ästhetischen Äußerungen des Komponisten zu seinem Schaffen hatte die in der Lortzing-Literatur allgemeine starke Überschätzung einer äußerst zweifelhaften Quelle zur Folge: Johann Christian Lobes angeblich im Jahr 1843 geführtes und mehr als zwanzig Jahre später herausgegebenes ’Gespräch’ mit dem Komponisten2. In dieser Konversation zeigt sich Lortzing als harmloser Biedermann, der noch dazu seine Mediokrität als Komponist und vor allem als Librettist bereitwillig einräumt. Die Lobeschen Aufzeichnungen prägten das ’biedermeierliche’ Lortzingbild des späten 19. und des 20. Jahrhunderts. Das Bemerkenswerteste an diesem in der Lortzing-Literatur hoch geschätzten ’Gespräch’ ist, daß es mit Sicherheit in dieser Form niemals stattgefunden hat.
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Endnoten
Johann Christian Lobe: Ein Gespräch mit Lortzing. In: Consonanzen und Dissonanzen. Gesammelte Schriften aus älterer und neuerer Zeit. Leipzig 1869.
Zit. nach Georg Richard Kruse: Neue Lortzing-Briefe. Zeitschrift für Musik. (Februar 1926, Heft 2), S. 74. Der Brief ist in GB nicht abgedruckt. Hellrung war Herausgeber des Journals “Der deutsche Waidmann” in Duderstadt.
Düringer, Philipp: Albert Lortzing, sein Leben und Wirken. Leipzig 1851, S. 16. Philipp Düringer war ein enger Freund Lortzings und sein erster Biograph.
Schläder, Jürgen: Die Dramaturgie in Lortzings komischen Opern. In: Oper als Text. Romanistische Beiträge zur Libretto-Forschung. Hrsg. von A. Gier. (Studia Romanica 63). Heidelberg 1986, S. 272.
Zum Lebenslauf Lobes vgl. Reinhold Sietz: Lobe, Johann Christian. In: MGG Bd. 8, Sp. 1068–1069.
Georg Richard Kruse: Albert Lortzing. Leben und Werk. Leipzig u. Wiesbaden 1947, S. 10.
Vgl. Hermann Killer. Albert Lortzing. Potsdam 1938, S. 7.
Zit. nach: Lothar Ehrlich: Christian Dietrich Grabbe. Leben und Werk. Leipzig 1986, S.103.
Alfred Bergmann (Hrsg.): Grabbes Werke in der zeitgenössischen Kritik. Detmold 1958–1966, Bd. 4, S. 84.
Zitiert nach Hans Joachim Köhler: Robert Schumann. Sein Leben und Wirken in den Leipziger Jahren. Leipzig 1986 (2. Aufl.), S. 12.
Vgl. Sibylle Obenaus: Buchmarkt, Verlagswesen und Zeitschriften. In: Horst Albert Glaser (Hrsg.): Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte Bd. 6. Hamburg 1980, S. 58.
Horst Denkler: Restauration und Revolution. Politische Tendenzen im deutschen Drama zwischen Wiener Kongress und Märzrevolution. München 1973, S. 12.
Herbert A. und Elisabeth Frenzel: Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte. Bd. I. Vom Biedermeier bis zur Gegenwart. Köln 1969, S. 350.
Dirk Blasius: Epoche — sozialgeschichtlicher Abriß. In Glaser, a.a.O. 1980, S. 20 f.
Vgl. Jost Hermand: Der deutsche Vormärz. In: J. H.: Von Mainz nach Weimar 1793–1919). Studien zur deutschen Literatur. Stuttgart 1969.
Helmut Arntzen. Die ernste Komödie. Das deutsche Lustspiel von Lessing bis Kleist. München (1968) S. 169
Egon von Komorzynski: Lortzings “Waffenschmied” und seine Tradition. In: Euphorion 8, (1901), S. 341.
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Fischer, P. (1997). Lortzing Als Literat. In: Vormärz und Zeitbürgertum. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04260-6_2
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