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Einleitung: Deutschland und der Orient

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Orientalismus, Kolonialismus und Moderne
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Zusammenfassung

Im April 1914 reisen Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet nach Tunesien. Die visuellen Repräsentationen, die durch die Begegnung der Künstler mit der tunesischen Kultur entstanden, inspirieren zur Reflexion über das Verhältnis von Imagination, Interpretation und Erfahrung. Paul Klees Aquarell, Im Stil von Kairuan, ins Gemäßigte übertragen, veranschaulicht dieses Verhältnis auf bemerkenswerte Weise. Es zeigt, inwieweit der Maler Tunesien mit den Augen des in Deutschland und der Schweiz lebenden modernen Künstlers gesehen hat. Klee gehört zu den Begründern der modernen, abstrakten Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war Mitglied der Künstlervereinigung ‘Der Blaue Reiter’ und besaß Kontakte sowohl zum expressionistischen ‘Sturmkreis’ als auch zum Dada-Kreis. Seine Darstellung der tunesischen Lebenswelt läßt die Abhängigkeit von diesen künstlerischen Bewegungen deutlich erkennen. Ohne den Titel und unser Wissen von der tunesischen Reise könnte das Bild beispielsweise als Großstadtphantasie verstanden werden.

Wenn sich der Historiker in bezug auf die historische Information jedoch auf die Überlieferung allein verläßt, und die Prinzipien der Sitten, die Regeln der Politik, das Wesen der Kultur und die Verhältnisse in der menschlichen Gesellschaft nicht berücksichtigt, und wenn er weiterhin das Verborgene mit dem Sichtbaren, das Gegenwärtige mit dem Vergangenen nicht vergleicht, dann kann er nicht verhindern, daß er fällt, ausrutscht und von der Straße der Wahrheit abkommt.

Ibn Khaldun, Muqaddima (1377)1

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Notizen

  1. Ibn Khaldun, Muqaddima, 1. Bd, hrsg. von Ali ‘Abd Al-Wāhid Wāfī (o. O. [Kairo]: lajnat al-bayān al-’arabī, 1965) 362. Meine Übersetzung.

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Berman, N. (1997). Einleitung: Deutschland und der Orient. In: Orientalismus, Kolonialismus und Moderne. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04258-3_1

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