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Geisslers Schreibweise in ›kamalatta‹

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Zusammenfassung

Im Deutschen ist das Wort ›kamalatta‹ nicht lexikalisch erfaßt, ihm fehlt eine fest umrissene Bedeutung und ein Referent.1 Es stellt ein Rätsel. Unverständlich kommt es daher und scheint einer Phantasie- oder Geheimsprache anzugehören. Welche Sprache dieses sein könnte, soll die Leitfrage des Abschnittes 6.1. sein. Anhand des Titelwortes können zunächst exemplarisch die rätselhaften Wortverwendungen in kamalatta untersucht werden, um danach weitere Verwendungsweisen der Sprache in dem Roman zu thematisieren. Damit wendet sich die Analyse nun der darstellerischen Sphäre zu, nachdem zuvor zentrale weltanschauliche Dispositionen der Figuren und des Romandiskurses untersucht wurden. Die Sprachverwendung hängt in kamalatta mit der schon herausgearbeiteten dualen Struktur zusammen, die sich auch auf die erzählerische Architektur des Romans erstreckt. Die von Geissler ins Spiel gebrachte Form des romantischen Fragments soll dann nach ihrer integrierenden Kraft befragt werden. Geisslers Aneignung dieser Form bietet eine Integration des Disparaten, ohne die im Roman gestalteten Aporien aufzulösen. Mit der Formel von der Subversion der Literatur soll diese textuelle Figur erfaßt werden.

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Notizen

  1. Waiblinger, W., Friedrich Hölderlins Leben, in: ders., Werke und Briefe, textkrit. und komm. Ausg. in fünf Bänden, hg. v. H. Königer, Bd. 3, Stuttgart 1986, S. 379–407, hier: S. 392 f.

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  2. Diese Position vertritt in der Hölderlinforschung P. Bertaux. Seine These lautet: »Hölderlin war nicht geisteskrank.« (Bertaux, P., Friedrich Hölderlin, Frankfurt/M. 1978, S. 12) Ihm widerspricht überzeugend der Psychiater U. H. Peters (vgl. ders., Hölderlin. Wider die These vom edlen Simulanten, Reinbek b. H. 1982).

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  3. Dakin, D., The Greek Struggle for Independence 1821–1833, London 1973, S. 59

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  4. Tzermias, P., Neugriechische Geschichte, Tübingen 1986, S. 71

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  5. Kipphardt, H., März. Roman, München — Gütersloh — Wien 1976, S. 86 f.

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  6. Den historischen Prozeß dieser Ausgrenzung seit der Renaissance zeichnet Foucault nach (vgl. Foucault, M., Wahnsinn und Gesellschaft, Frankfurt/M. 1969).

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  7. Vgl. zum Verhältnis von Vernünftigen und Wahnsinnigen in den bürgerlichen Gesellschaften Frankreichs, Englands und Deutschlands auch: Dörner, Kl., Bürger und Irre, Frankfurt/M. 1984 (Überarb. Neuauflage).

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  8. Bei Lessing, dem das romantische Fragment viel verdankt, nimmt die Verknüpfung von Geheimnis und Sprache eine Form an, die auch in kamalatta begegnet: »Wort-Verdrehungen« (Lessing, G. E., Ernst und Falk, in: ders.: Werken in drei Bänden, hg. von H. G. Göppert, Bd. 3, München — Wien 1982, S. 599–636, hier: S. 631), hier: die von Massoney, Masonry und Masony. Der letzte Dialog in Ernst und Falk handelt von der Umdeutung eines Wortes, die eine Umwertung der dazugehörigen Geschichte impliziert. Diese Geschichte betrifft den Gehalt des Geheimwissens selbst. Die Freimaurerei, früher Massoney genannt, leite sich nicht, so Falk, wie allgemein angenommen, vom englischen Wort Masonry, Tisch, sondern von Masony, Tafel, her. Die von ihm angegebene Ursprungsgeschichte ist aber »historisch nicht haltbar« (Göpfert H. G., Kommentar zu Ernst und Falk, in: Lessing, a. a. O., S. 809–818, hier: S. 815). Doch daß es so gewesen sein könnte, spielt im Dialog eine große Rolle. Nachdem Ernst in eine Loge eingetreten war und dort enttäuscht wurde, weist ihm Falk durch die Umdeutung den Weg zu einer neuen Sicht der Freimaurerei. Nicht die Institution steht mehr im Vordergrund, sondern das »gemeinschaftliche Gefühl sympathisierender Geister« (Lessing, a. a. O., S. 629). Die Umdeutung des Wortes eröffnet einen neuen Handlungsspielraum. Indem Falk die Überlieferung ansieht, als sei sie eine Verdrehung, setzt er ihn frei. Dabei entscheidet nicht, ob er sich der Abenteuerlichkeit seiner historischen Ableitung bewußt ist, sondern daß Ernst nun wieder bereit sein könnte, sich im Sinne des geheimen Ideals der Freimaurerei zu engagieren. Ein utopischer Überschuß tritt auf, der sich als Handlung niederschlagen kann. Kamalatta verweigert eine umdeutende Ableitung. Der Handlungsimpuls muß aus einer anderen Quelle geschöpft werden.

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  9. Vgl. die Landkarte ›Die franquistische Operation bei Guadalajara‹, in: Cardona, G., Die Militäroperationen, in: Tuñón de Lara, M., u. a., Der Spanische Bürgerkrieg, Frankfurt/ M. 1987, S. 296–407, hier: S. 338. Auch die folgenden Angaben über den Kriegsverlauf entnehme ich diesem Aufsatz.

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  10. Kraus, K., Die Sprache, in: ders., Schriften, hg. von Chr. Wagenknecht, Bd. 7, Frankfurt/M. 1987 (zuerst 1937), S. 323

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  11. a. a. O., S. 327 — Auch Rühmkorf sieht in der Verschiedenheit der Reimteile eine Quelle der Lust, nicht aber, weil sie einen Widerstand überwinden müßten, sondern weil es eine »Entzweiungslust« (Rühmkorf, P., agar agar — zaurzaurim. Zur Naturgeschichte des Reims und der menschlichen Anklangsnerven, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 78) gebe, die etwas Ganzes auseinanderdividieren wolle (vgl. a. a. O., S. 111).

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  12. »Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müßte eigentlich zerreißen, abplatzen) — / das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepreßt — / das Gefühl, das Gehirn schrumpelte einem allmählich zusammen wie Backobst z. B. — / […] das Gefühl, die Assoziationen würden einem weggehackt -/[…] das Gefühl, man verstummt — / man kann die Bedeutung von Worten nicht mehr identifizieren, nur noch raten — / der Gebrauch von Zischlauten — s, ß, tz, sch — ist absolut unerträglich -/[…] Satzbau, Grammatik, Syntax — nicht mehr zu kontrollieren. Beim Schreiben: zwei Zeilen — man kann am Ende der zweiten Zeile den Anfang der ersten nicht behalten -/[…] Rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewußtsein, daß man keine Überlebenschancen hat; völliges Scheitern, das zu vermitteln« (Meinhof, U., Brief einer Gefangenen aus dem Toten Trakt, in: Brückner, P., Ulrike Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse, Berlin 1976, S. 156–158, hier: S. 156f.)

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  13. Elaine Scarry schreibt: »in der Folter wird ›Zivilisation‹ zerstört, und zwar in ihrer elementarsten Gestalt.« (Scarry, E., Der Körper im Schmerz, Frankfurt/M. 1992, S. 93). Das Subjekt unterliege einer »Wahrnehmungszerrüttung« (a. a. O., S. 47), einer »Zerrüttung der Bewußtseinsinhalte« (a. a. O., S. 82) und einer Zerstörung der Sprachfähigkeit: »Ein […] Aspekt physischen Schmerzes ist dessen Fähigkeit, Sprache zu zerstören, ein wichtiges Mittel unserer Selbstausdehnung, das Vermögen sprachlicher Objektivierung, durch die der Schmerz aus dem Körper heraus in die Welt geholt und beseitigt werden könnte. Bevor der Schmerz die Sprache zerstört, monopolisiert er sie, macht sich zu deren einzigem Gegenstand; die Klage, in vielerlei Hinsicht das nichtpolitische Gegenstück zum Geständnis, wird zum einzigen Modus des Sprechens. Schließlich wird der Schmerz so stark, daß die Kohärenz der Klage abgelöst wird von Lauten, die dem vorsprachlichen Repertoire angehören. Die Tendenz des Schmerzes, sich dem Ausdruck nicht bloß zu widersetzen, sondern die Fähigkeit des Sprechens überhaupt zu zerstören, macht die Folter sich zunutze und steigert sie ins Maßlose.« (ebd.)

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  14. Schon für die ›automatisch‹ geschriebenen Texte des Surrealismus gilt jedoch, daß sie auf kein Erstes, auf keinen von der Gesellschaft unberührten Ursprung zurückführen: »Es ist […] mehr als zweifelhaft, diese als Ausdruck des Unbewußten zu verstehen.« (Bürger, P., Der französische Surrealismus, Frankfurt/M. 1971, S. 163) »In den Welttrümmern des Surrealismus kommt nicht das An sich des Unbewußten zutage.«

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  15. (Adorno, Th. W., Rückblickend auf den Surrealismus, in: ders., Noten zur Literatur, Gesammelte Schriften Bd. 11, Frankfurt/M. 1974, S. 101–105, hier: S. 102) Bürger macht dementsprechend geltend: »In dem Versuch, verinnerlichte Formen gesellschaftlicher Zensur auszuschalten, und nicht etwa in der Enthüllung des Unbewußten, wird man die Bedeutung automatischer Texte zu sehen haben.« (Bürger, a. a. O., S. 165)

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  16. Nach Foucault ordnet sich die Rede von Sex und Lust in das herrschende Dispositiv nicht nur bruchlos ein, sondern aktualisiert selbst das es bedingende Machtgefüge. Die Gesellschaft sei der Sexualität gegenüber nicht repressiv eingestellt: »Weit eher als um einen negativen Ausschließungs- und Verwerfungsmechanismus handelt es sich um ein feines Netz von Diskursen, Wissen, Lüsten, Mächten, das unter Strom gesetzt wird; es handelt sich nicht um eine Bewegung, die nur darauf aus wäre, den wilden Sex in irgendeine dunkle und unzugängliche Gegend zu verstoßen, sondern im Gegenteil um Prozesse, die ihn an der Oberfläche der Dinge und der Körper ausstreuen, die ihn anreizen, kundmachen und zum Sprechen bringen, ihn im Wirklichen einpflanzen und ihm einschärfen, die Wahheit zu sagen: ein unübersehbares und flimmerndes Lichtmeer des Sexuellen, das sich in der Vielfältigkeit der Diskurse, der Hartnäckigkeit der Mächte und den Spielen des Wissens mit der Lust spiegelt.« (Foucault, M., Der Wille zum Wissen, Frankfurt/M. 1977, S. 92) Und weiter: »Eine bestimmte Fallinie hat uns im Laufe einiger Jahrhunderte dahin gebracht, die Frage nach dem, was wir sind, an den Sex zu richten. Und zwar nicht so sehr an den Natur-Sex […], sondern an den Geschichts-Sex, den Bedeutungs-Sex, den Diskurs-Sex.« (a. a. O., S. 98)

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  17. vgl. zu diesem Terminus Marcuse, H., Über den affirmativen Charakter der Kultur, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg. 6, 1937, Reprint: München 1970, S. 54–94

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  18. Schulz, G., »Die Ästhetik des Widerstands«. Versionen des Indirekten in Peter Weiss’ Roman, Stuttgart 1986, S. 40

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  19. Benjamin, W., Karl Kraus, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. von R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Bd. II, Frankfurt/M. 1977, S. 334–367, hier: S. 362

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  20. Er tritt erst im 16. Kapitel auf, wo er als »ein ganz in Leder gekleideter, fleischloser, farbloser, langgedehnter Mann, mit Kopfhaaren wie Hörner und mit langem schwarzen Bart« (Jean Paul, Der Komet, in: ders., Werke in zwölf Bänden, hg. von N. Miller, Bd. 11 und 12, München — Wien 1975, S. 567–1036, hier: Bd. 12, S. 911) beschrieben wird, dem aber die letzten Worte des Romans vorbehalten sind. Dort wird deutlich, daß er von zwei Zuständen beherrscht wird, die die dichotomische christliche Welteinteilung in Gott und Teufel wiedergeben. Wird der Einflußbereich des Teufels gemeinhin mit der nichtrationalen Seite des Bewußtseins in Zusammenhang gebracht, mit der Nachtseite in Traum und Wahn, so ist es hier umgekehrt. In den Wachphasen dient der Ledermann dem Teufel, während er im Schlafe Gott huldigt.

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  21. Lyotard, J.-F., Der Widerstreit, München (2) 1989 (franz. zuerst 1983), S. 81

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  22. Benjamin, W., Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. von R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Frankfurt/M. 1977, Bd. II, S. 140–157, hier: S. 148

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  23. Bachmann, I., Der Umgang mit Namen, in: dies., Werke, Bd. 4, München 1978, S. 238–254, hier: S. 238

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  24. Vgl. dazu Benjamin: »Was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, das ist seine Aura. Dieser Vorgang ist symptomatisch; seine Bedeutung weist über den Bereich der Kunst weit hinaus.« (Benjamin, W., Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Zweite Fassung, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. von R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Bd. VII, Frankfurt/M. 1989, S. 350–384, hier: S. 353) In die Literatur greift der Prozeß der Entauratisierung schon seit Erfindung der Druckerpresse ein (vgl. a. a. O., S. 351). Jedoch verstärkt er sich noch, indem immer weitere Sphären in den Sog der kapitalistisch gesteuerten Massenproduktion hineingezogen werden und dergestalt das Klima der Entauratisierung befördern.

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  25. Vgl. die Parallelszene in: Geissler, Chr., Wird Zeit, daß wir leben. Geschichte einer exemplarischen Aktion, Berlin/West 1989 (erste Ausgabe Berlin/West 1976), S. 137–139.

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  26. »Wir wollen […] davon ausgehen, daß der Sinn einer metaphorischen Aussage durch das Scheitern der wörtlichen Deutung der Aussage hervorgerufen wird […]. Nun bedingt aber diese Selbstaufhebung des Sinnes […] den Zusammenbruch der primären Referenz. Hier liegt die ganze Strategie der dichterischen Rede: sie zielt darauf ab, die Aufhebung der Referenz durch die Selbstaufhebung des Sinnes der metaphorischen Aussagen zu erzielen, und diese Selbstaufhebung wird durch eine unmögliche wörtliche Deutung manifest gemacht. Das ist jedoch nur […] die negative Seite einer positiven Strategie; die Selbstaufhebung des Sinnes unter der Einwirkung der semantischen Impertinenz ist nur die Kehrseite einer Innovation des Sinnes auf der Ebene der gesamten Aussage, und diese Innovation wird durch eine ›Verdrehung‹ des wörtlichen Sinnes der Worte erzielt. Diese Innovation des Sinnes bildet die innovative Metapher.« (Ricœur, P., Die lebendige Metapher, München 1986, S. 226) Ricœur beschreibt die innovative Funktion der Metapher mit dem Aristotelischen Terminus des ›Sehens als‹.

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  27. In Das Brot mit der Feile, das 1973 erschien, benutzt Geissler die Wendung »Alles Hund« (Geissler, Das Brot mit der Feile, Berlin/West 1986 (erste Ausgabe München — Gütersloh — Wien 1973), S. 9) u. a. als Abschnittsüberschrift. Sie wird im Umgangsdeutsch der beschriebenen Region heute nicht mehr verwendet. Dadurch ist eine Passage, die Aktualität anzeigte, zum exponierten Beleg für das Herausfallen aus derzeitigen Sprechergemeinschaften geworden.

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  28. Benjamin, W., Der Sürrealismus, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. von R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Bd. II, Frankfurt/M. 1977, S. 295–310, hier: S. 299)

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  29. Sartre unterstreicht diesen Aspekt mit seinem Verständnis von Literatur. Er berichtet, wie ein Buch von Vercors »sein Publikum verloren« (Sartre, J.-P., Was ist Literatur?, Reinbek b. H. 1981 (zuerst 1948), S. 60) hat, um zu folgern: »Die Bananen schmecken offenbar besser, wenn man sie gerade gepflückt hat: die Werke des Geistes müssen ebenso auf der Stelle verzehrt werden.« (a. a. O., S. 61)

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  30. Der Ausdrucksbegriff wird in dieser Arbeit mit Adorno immer objektiv, als »Widerpart des etwas Ausdrückens« (Adorno, Th. W., Ästhetische Theorie, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 7, Frankfurt/M. 1970, S. 171), im Unterschied zum Primat des Ausdruckswillens verstanden: »Ästhetischer Ausdruck ist Vergegenständlichung des Ungegenständlichen, und zwar derart, daß es durch seine Vergegenständlichung zum zweiten Un gegenständlichen wird, zu dem, was aus dem Artefakt spricht, nicht als Imitation des Subjekts.« (a. a. O., S. 170)

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  31. Geissler tendiert mit dieser Schicht des Romans zu einer Praxis, die Ulrich Wergin in anderem Zusammenhang kritisiert. Er hebt »die destruktive Kraft, die dem Traum einer dauerhaften Wunscherfüllung ohne Außenwiderstand innewohnt« hervor: »Mit ihm schlägt sich in den Bildern der befriedeten Welt ein verhängnisvoller Herrschaftsimpuls nieder. Denn eben die Schimäre des absolut und permanent verfügbaren Objekts der Erfüllung ist ja die Triebkraft der Entwicklung, an deren Endpunkt die entzauberte Welt zum puren Material des Herrschaftswillens wird und sich das Janusgesicht jener Phantasmagoric im Moment ihrer Realisierung offenbart: ihr Preis ist das Erlöschen der individuellen Lebendigkeit, der Tod des Selbst, insofern der Mensch zum Funktionsträger der Machtsicherung und -Steigerung reduziert wird und sich an Leib und Seele deren Apparatur anzugleichen hat.« (Wergin, U., Zwischen Strukturalismus und Kritischer Theorie, in: DVjs, Nr. 3/1985, S. 349–379, hier: S. 367)

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  32. Schon bei Bloch ist die Idee der Ungleichzeitigkeit an den Begriff des Fortschritts geknüpft (vgl.: Bloch, E., Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt/M. 1962 (zuerst 1935), S. 111–126).

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  33. Genette faßt diese Teile eines Werkes unter den Begriff des Paratextes: Der Paratext ist »eine ›unbestimmte Zone‹ zwischen innen und außen, die selbst wieder keine feste Grenze nach innen (zum Text) und nach außen (dem Diskurs der Welt über den Text) aufweist« (Genette, G., Paratexte, Frankfurt/M. 1989 (zuerst 1987), S. 10). Auch die Motti, denen er vier Funktionen zuspricht, rechnet er zum Paratext (vgl. a. a. O., S. 141 ff.).

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  34. Im oben schon zitierten Gedicht — »nachdenkend / den vorsprung […]« (Geissler, spiel auf ungeheuer, Berlin/West 1983, S. 50) — befreit das Kollektiv einen Genossen. Das lyrische Ich bleibt einsam hinter diesem Handeln zurück, das in Wird Zeit, daß wir leben als eine ›exemplarische Aktion‹ (vgl. den Untertitel von Geissler, Wird Zeit, daß wir leben. Geschichte einer exemplarischen Aktion, Berlin/West 1989 (erste Ausgabe Berlin/West 1976)) angesprochen wird. In kamalatta bleibt der Erzähler hinter Proff zurück, dessem Tod er hinterherdenkt. Das Objekt des Nachdenkens hat sich im Verlaufe von Geisslers schriftstellerischer Arbeit gewandelt: vom wegweisenden Ausbruch zum Scheitern der mit ihm verbundenen Hoffnungen.

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  35. Marx, K., Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: Marx Engels Werke, Bd. 1, Berlin/DDR 1956, S. 378–391, hier: S. 385

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  36. Ein hervorragendes Beispiel für die ›antirealistischen‹ Möglichkeiten der Literatur ist Ingeborg Bachmanns Roman Malina. »Hier erzählt nämlich das Opfer die Geschichte seines Todes« (Vanderbeke, B., Kein Recht auf Sprache?, in: Weigel, S. (Hg), text + kritik, hg. von H. L. Arnold, Sonderband ›Ingeborg Bachmann‹, München 1984, S. 109–119, hier: S. 110), bevor es am Ende der ›Handlung‹ in einem Riß in der Wand verschwindet. Der Roman gestaltet die »Selbstauflösung des Erzähl-Ichs« (a. a. O., S. 116), das von einer Spaltung in Ich und Malina betroffen ist. Das Thema der Spaltung ist bei Bachmann übrigens, anders als bei Geissler, immer geschlechtsspezifisch akzentuiert.

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  37. In Celans Gespräch im Gebirg treffen sich ebenfalls zwei, die einander ähneln; sie sind ›Juden‹, ›Vettern‹, ›Geschwisterkinder‹ (vgl. Celan, P., Gespräch im Gebirg, in: ders., Gesammelte Werke, Dritter Band, hg. von B. Allemann und St. Reichert, Frankfurt/M. 1983 (zuerst 1959), S. 169–173). Sie sprechen im gleichen dialogischen Gestus miteinander wie Geisslers Partner: » ›Bist gekommen von weit, bist gekommen hierher…‹ / ›Bin ich. Bin ich gekommen wie du.‹ / ›Weiß ich.‹ / ›Weißt du.‹« (a. a. O., S. 170) Nur kehren sie sich nicht voneinander ab. Sie sind beide auf dieselbe Art jenem ›Schatten‹ unterworfen, der nach 1945 mit der Ermordung der europäischen Juden zusammengedacht werden muß. Jedoch spielen auch sprachphilosophische und erkenntnistheoretische Probleme in diese spezifische Weise des Sprechens hinein, die gekennzeichnet ist vom Bedürfnis, reden zu müssen (vgl. a. a. O., S. 171), in einer »Sprache, die hier gilt, […] eine sprache, nicht für dich und nicht für mich« (a. a. O., S. 170) ist. Das dialogische Sprechen in dieser Sprache ist immer ein Gerede (vgl. ebd.). Nur wer anders, monologisch, spricht, »der redet zu niemand, der spricht weil niemand ihn hört, niemand und Niemand« (a. a. O., S. 171) und verfällt nicht dem Gerede. Während bei Geissler einer der Partner der Idee eines gelungenen intersubjektiven Prozesses anhängt, spricht sich bei Celan die Vorgängigkeit des Fragmentarischen und des radikal Unbenennbaren aus.

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  38. Titel und Untertitel sind allerdings nicht zweifelsfrei von Novalis, vgl. hierzu: Samuel, R., Einleitung zu Die Christenheit oder Europa, in: Novalis, Schriften, 3. Band, Darmstadt 1968, S. 497–506, hier: S. 503.

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  39. Hegel stellt sie mit der Philosophie und der Religion auf eine Stufe. »Durch die Beschäftigung mit dem Wahren als dem absoluten Gegenstande des Bewußtseins gehört nun auch die Kunst der absoluten Sphäre des Geistes an und steht deshalb mit der Religion […] wie mit der Philosophie ihrem Inhalte nach auf ein und demselben Boden. […] Bei dieser Gleichheit des Inhalts sind die drei Reiche des absoluten Geistes nur durch die Formen unterschieden, in welchen sie ihr Objekt, das Absolute, zum Bewußtsein bringen.« (Hegel, G. W. F., Werke in 20 Bänden, Bd. 13, Vorlesungen über die Ästhetik I, hg. von E. Moldenhauer und K. M. Michel, Frankfurt/M. 1970, S. 139)

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  40. Die Forschung ist sich uneinig darüber, wie das romantische Fragment zum Aphorismus steht. Während Ostermann den romantischen Aphorismus als einen Spezialfall des Fragments begreift (vgl. Ostermann, E., Das Fragment, München 1991, S. 13), handelt Neumann die Fragmente von Novalis und Fr. Schlegel unter der Gattung des Aphorismus ab. Er rechtfertigt dieses mit einer »allmählich sich durchsetzenden terminologischen Einengung auf den allgemeinen Begriff ›Aphorismus‹« (Neumann, a. a. O., S. 38), der die individuellen Ausprägungen umfasse und merkt an, daß viele Abgrenzungsversuche zwischen den kleinen Formen, insbesondere zwischen Aphorismus und Fragment, »Barrieren aufzurichten suchen, wo Abschattierungen genügen würden« (a. a. O., S. 36).

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  41. Krüger schließlich hält die beiden Formen, trotz »der äußeren sprachkörperlichen Ähnlichkeit« (Krüger, H., Über den Aphorismus als philosophische Form, München 1988 (zuerst 1957), S. 68), für grundsätzlich voneinander geschieden. Während er den Aphorismus auf die Auffassung von der Sprache als einer Konvention festlegt, bezieht er den Fragmentgedanken auf den Offenbarungscharakter der Sprache als der dazugehörigen Totalität. Deshalb nennt er Nietzsches kleine Formen aphoristisch, die der Frühromantik aber fragmentarisch: »Die Romantiker« strebten durch »Formentgrenzung und Form Verschleierung […] über den fragmentarischen Charakter der empirischen Sprache hinaus, um einer geoffenbarten Ursprache sich zu nähern« (a. a. O., S. 71). Zur Verwirrung über die kleinen Formen zwischen Literatur und Philosophie trägt bei, daß die »Denk- und Darstellungsform«, der Neumann den Oberbegriff Aphorismus gibt, »von vorneherein so konfliktbestimmt [ist], daß jeder Autor von Rang ihr einen anderen Namen gibt« (Neumann, a. a. O., S. 778 — vgl. Neumanns Aufzählung dieser Benennungen a. a. O., S. 37 f.).

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  42. Schlegel, Fr., Athenäums-Fragmente, Nr. 238, in: ders., Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, hg. von E. Behler unter Mitwirkung von J.-J. Anstett und H. Eichner, Zweiter Band, München Paderborn Wien 1967, S. 165–255, hier: S. 204

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  43. Benjamin, W., Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, in: Gesammelte Schriften, Bd. I,1, Frankfurt/M. 1974, S. 7–122, hier: S. 52

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  44. So nennt Mähl das Novalissche Geschichtsverständnis, das »kennzeichnend für das gesamte Denken des Novalis« (Mähl, H.-J., Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis, Heidelberg 1965, S. 306) ist und das nach der mystischen Erfahrung an Sophias Grab im Mai 1797 seine charakteristische, chiliastische Form annimmt, die Mähl besonders a. a. O., S. 305–328, beschreibt.

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  45. Mähl, Philosophischer Chiliasmus, in: Vietta, S. (Hg.), Die literarische Frühromantik, Göttingen 1983, S. 149–179, hier: S. 162

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  46. Samuel beschreibt die Interaktion folgendermaßen: »So ist also die Unvollkommenheit der Fragmente nicht allein Ausdruck der Unvollkommenheit des Verfassers, sondern ebenso dessen bewußtes Formprinzip, das dem Leser die Möglichkeit läßt, den Denkakt des Verfassers in sich selbst schöpferisch nachzuvollziehen und ihn weiterzugestalten, indem er nun wie der Verfasser in sich selbst das Tiefere, Ursprüngliche in der ihn umgebenden, so vertrauten Welt erahnt.« (Samuel, R., Einleitung zu Vermischte Bemerkungen/Blüthenstaub, in: Novalis, Schriften, Dritter Band, Darmstadt 1968, S. 399–411, hier: S. 409)

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  47. Die religionsphilosophische Tragweite des Symphilosophierens erläutert Timm: »Erstmals […] wurde der systematische Zusammenhang zwischen dem metaphysisch-theologischen Letztbegründungsproblem und der intersubjektiven Geselligkeit […] programmatisch auf den Schild gehoben.« (Timm, H., Die heilige Revolution, Frankfurt/M. 1978, S. 17) — Vgl. auch das gesamte Kapitel a. a. O., S. 17–22.

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  48. Mennemeier spricht in diesem Sinne über Schlegels »Idee des Fragments und der Fragmentsammlung« von »der in ihnen sich manifestierenden vielseitigen, zur ›Allseitigkeit‹ tendierenden Art der Mitteilung.« (Mennemeier, F. N., Fragment und Ironie beim jungen Friedrich Schlegel, in: Poetica, Jg. 2 (1968), S. 348–370, hier: S. 349)

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  49. Vgl. Gockel: »das Fragment ist weniger Fragment als nicht Vollendetes denn Fragment als nicht zu Ende Geführtes. Offenheit an Stelle von Abschluß.« (Gockel, H., Friedrich Schlegels Theorie des Fragments, in: Ribbat, E. (Hg.), Romantik, Königstein/Ts. 1979, S. 58–79, hier: S. 25)

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  50. Stockinger interpretiert das sechste Fragment exemplarisch und kann dadurch den Anspielungsreichtum des Hardenbergschen »Programms öffentlicher Esoterik« (Stockinger, L., »Tropen und Räthselsprache«. Esoterik und Öffentlichkeit bei Friedrich von Hardenberg (Novalis), in: Müller, Kl.-D. (Hg.), Geschichtlichkeit und Aktualität, Tübingen 1988, S. 182–206, hier: S. 202) zeigen (vgl. a. a. O., S. 202–206).

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  51. Novalis, Glauben und Liebe, Nr. 15, in: ders., Schriften, Zweiter Band, hg. von R. Samuel in Zusammenarbeit mit H.-J. Mähl und G. Schulz, Darmstadt 1965, S. 483–498, hier: S. 488

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  52. Diese positive Kraft heißt bei Novalis und Schlegel Liebe, ohne die der das Fragment ergänzende Prozeß der Lektüre antriebslos bliebe. Bei Novalis fügt sie das Getrennte in der Philosophie — das Ich und das Nicht-Ich, die Freiheit und den Zwang — wie auch in der Politik — die Monarchie und die Demokratie — zusammen (vgl. Peter, Kl., Stadien der Aufklärung, Wiesbaden 1980, besonders S. 105–115 sowie S. 120–122).

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  53. Kurzke resümiert die Novalisrezeption unter besonderer Berücksichtigung der politischen Wirkungsgeschichte (vgl. Kurzke, H., Romantik und Konservatismus, München 1983, S. 11–65).

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  54. Stockinger, Tropen…, a. a. O., S. 200 — Dies ist das Problem der Repräsentation. Seine politischen Implikationen untersucht, unter Heranziehung der Burkeschen Auffassung, Stanslowski (vgl. Stanslowski, V., Natur und Staat, Opladen 1979, S. 64–75). Zugleich zeigt er: »Über den genuin staatsphilosophischen Bereich hinaus ist die Repräsentation ein universeller Begriff bei Novalis.« (a. a. O., S. 71)

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  55. Auch für die Frühromantiker gilt dieses. Meixner wendet sich dagegen, sie auf die Gegenaufklärung zu verrechnen: »Das literarische Echo auf die Französische Revolution gehört […] unabdingbar zur Signatur der frühromantischen Gruppe« (Meixner,- H., Politische Aspekte der Frühromantik, in: Vietta, S. (Hg.), Die literarische Frühromantik, Göttingen 1983, S. 180–191, hier: S. 184) und: »Die Linien, die von der Aufklärung zur Frühromantik verlaufen, kennen keine Zäsuren.« (a. a. O., S. 186) Das Verhältnis von Romantik und Aufklärung wurde seit den sechziger Jahren von der Germanistik neu bewertet (vgl. z. B. den Aufsatz von Krauss, W., Französische Aufklärung und deutsche Romantik, in: Peter, Kl. (Hg.), Romantikforschung seit 1945, Königstein/Ts. 1980, S. 168–179 (zuerst 1962)).

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  56. Die Geschichte der unheilvollen Entgegensetzung von Aufklärung und Romantik im Sinne einer nicht zu vermittelnden Opposition seit Heine zeichnet Peter nach (vgl. Peter, Kl., Einleitung, in: ders. (Hg.), Romantikforschung seit 1945, Königstein/Ts. 1980, S. 1–39).

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  57. Einen König zu köpfen käme Novalis nicht in den Sinn. »Die nicht hinwegzuinterpretierende Entscheidung von N[ovalis], in der preußischen Monarchie das privilegierte Symbol des poetischen Staates zu sehen und die Monarchie zu derjenigen Staatsform zu erklären, die in relativen Verhältnissen der bessere Ausgangspunkt für die geschichtliche Annäherung an das Ideal sei, läßt sich mit einem Blick auf die Begründung seiner Kritik am neuzeitlichen Staat angesichts der Französischen Revolution verstehen.« (Stockinger, L., Einleitung zu Glauben und Liebe, in: Novalis, Werke, Bd. 3, hg. von H. J. Balmes, München Wien 1987, S. 367–379, hier: S. 372) Novalis konzeptualisiert den Ausgleich der Stände durch die allmähliche Höherentwicklung aller Menschen mittels der Ausbildung ihres ›moralischen Organs‹.

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  58. Habermas, J., Strukturwandel der Öffentlichkeit, Darmstadt und Neuwied 1962, S. 51

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  59. Marx, K./Engels, Fr., Manifest der Kommunistischen Partei, in: Marx Engels Werke, Bd. 4, Berlin/DDR 1972, S. 459–493, hier: S. 493

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  60. Schlegel, Fr., Über die Unverständlichkeit, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, hg. von E. Behler unter Mitwirkung von J.-J. Anstett und H. Eichner, Zweiter Band, München Paderborn Wien 1967, S. 363–372, hier: S. 370

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  61. Schlegels Bruder August Wilhelm hat, W. Frühwald zufolge, die formal und inhaltlich in Bewegung befindlichen Überlegungen Friedrichs zu einer Lehre zusammengesetzt: »Er hat in der Antithese vom Licht des empirisch gewonnenen Wissens und dem scheinbaren Dunkel des poetischen Ideen-Glaubens eine paradoxe Esoterik geschaffen, eine Geheimnislehre, die durch programmatische Unverständlichkeit den Boden für eine universale Verstehbarkeit bereiten sollte.« (Frühwald, W., Der Zwang zur Verständlichkeit, in: Vietta, S. (Hg.), Die literarische Frühromantik, Göttingen 1983, S. 129–148, hier: S. 137)

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  62. Vgl.: »Ihrem Wesen nach ist die Freimäurerei eben so alt, als die bürgerliche Gesellschaft. Beide konnten nicht anders als miteinander entstehen.« (Lessing, G. E., Ernst und Falk, in: ders., Werke in drei Bänden, hg. von H. G. Göppert, Bd. 3, München — Wien 1982, S. 599–636, hier: S. 629) »Die Freimäurerei ist nichts willkürliches, nichts entbehrliches: sondern etwas notwendiges, das in dem Wesen der Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist.« (a. a. O., S. 601)

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  63. Timm interpretiert Lessings Idee der Freimaurerei als einen Weg, den Eigennutz des einzelnen mit dem Gemeinwohl im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft zum Ausgleich zu bringen und dieser zugleich eine geschichtsphilosophische Bestimmung zu geben: »Der beste Staat ist derjenige, welcher den in ihm durch ihr Eigeninteresse vereinigten Individuen die Freiheit läßt, ihn selbst und mithin das egoistische Prinzip ihres gemeinschaftlichen Lebens zu überwinden.« (Timm, H., Gott und die Freiheit, Bd. 1, Frankfurt/M. 1974, S. 132) Wie später bei den Frühromantikern darf die neue, »sichtbare Kirche […] ihren Zweck nur in der unsichtbaren haben.« (ebd.)

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  64. Tylor, zitiert bei Freud, in: ders., Totem und Tabu, Studienausgabe Bd. 9, Frankfurt/M. 1974, S. 287–444, hier: S. 367; im Original kursiv gesetzt.

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  65. a. a. O., S. 384 — Stadler setzt auch für Heinrich von Ofterdingen den Primat des appellierenden vor dem beschreibenden Verfahren an. Novalis überhöhe systematisch das Beschriebene (vgl. Stadler, U., Novalis: Heinrich von Ofterdingen, in: Lützeler, P. M. (Hg.), Romane und Erzählungen der deutschen Romantik, Stuttgart 1981, S. 141–162, hier: S. 143).

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  66. Samuel, R., Einleitung zu Glauben und Liebe, in: Novalis, Schriften, Zweiter Band, hg. von R. Samuel in Zusammenarbeit mit H.-J. Mähl und G. Schulz, Darmstadt 1965, S. 475–482, hier: S.482

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  67. Novalis, Logologische Fragmente, Nr. 167, in: Novalis, Schriften, Zweiter Band, hg. von R. Samuel in Zusammenarbeit mit H.-J. Mähl und G. Schulz, Darmstadt 1965, S. 522–563, hier: S.561

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  68. Aus diesem Grunde vertrat Adorno die Auffassung: »Das Verhältnis von Theorie und Praxis ist […] der qualitative Umschlag, nicht der Übergang, erst recht nicht die Subordination. Sie stehen polar zueinander.« (Adorno, Th. W., Marginalien zu Theorie und Praxis, in: ders., Gesammelte Schriften, Frankfurt/M. 1977, S. 759–782, hier: S. 780)

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  69. Dieses weist Reichel umfassend nach, vgl. Reichel, P., Der schöne Schein des Dritten Reiches, München 1991.

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  70. Greiffenhagen, M., Totalitarismus, München 1972, S. 42

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  71. Faber, Apokalyptische Mythologie, in: ders. (Hg.), Romantische Utopie — Utopische Romantik, Hildesheim 1979, S. 66–92, hier: S. 77

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  72. Dieser Begriff ist für Adornos Erkenntnistheorie eines Denkens in Konstellationen zentral. Eine Darstellung versucht: Kramer, S., Rätselfragen und wolkige Stellen, Lüneburg 1991, S. 120–129.

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  73. Deshalb heißt das einzige gesperrt gedruckte Wort in Die Christenheit oder Europa ›Friede‹ (vgl. Novalis, Die Christenheit oder Europa, in: ders., Werke, Tagebücher und Briefe, Bd. 2, hg. von H.-J. Mähl, München — Wien 1978, S. 729–751, hier: S. 744).

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  74. »Bedürfte es eines Zeugnisses für die Gewalt, mit der die Erfahrung der Menge Baudelaire bewegt hat, so wäre es die Tatsache, daß er es unternahm, im Zeichen dieser Erfahrung mit Hugo zu wetteifern.« (Benjamin, W., Das Paris des Second Empire bei Baudelaire, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. von R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Bd. I, Frankfurt/M. 1974, S. 511–604, hier: S. 562)

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  75. Hein, Chr. M., Der ›Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller Deutschlands‹. Biographie eines kulturpolitischen Experiments in der Weimarer Republik, Münster — Hamburg 1991, S. 24

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  76. Möbius, H., Progressive Massenliteratur? Revolutionäre Arbeiterromane 1927–1932, Stuttgart 1977, vgl. S. 80

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  77. Lukács, G., Tendenz oder Parteilichkeit?, in: ders., Werke, Bd. 4, Neuwied und Berlin 1971 (zuerst 1932), S. 23–34, hier: S. 27

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  78. vgl. Lukács, Willi Bredels Romane, in: ders., Werke, Bd. 4, Neuwied und Berlin 1971 (zuerst 1931/32), S. 13–22. Er greift besonders dessen reportageartigen Stil an und fordert »wirklich lebendig[e] und anschaulich[e]« (a. a. O., S. 17) Gestaltung.

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  79. Diesen Übergang zeichnet M. Lefèvre nach. Auf die Genese des sozialistischen Realismus, den die KP seit 1932 als adäquate Literatur der sozialistischen Bewegung ansah und auf seine Kanonisierung seit dem ersten Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller 1934, legt er besonderes Gewicht (vgl. Lefèvre, M., Von der proletarisch-revolutionären zur sozialistisch-realistischen Literatur, Stuttgart 1980, besonders die Kapitel 4 und 5).

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  80. Gorki, M., Über sowjetische Literatur, in: Schmitt, H.-J./Schramm G., Sozialistische Realismuskonzeptionen. Dokumente zum 1. Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller, Frankfurt/M. 1974, S. 51–84, hier: S. 81

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  81. Radek, K., Die moderne Weltliteratur und die Aufgaben der proletarischen Kunst, in: Schmitt, H.-J./Schramm G., Sozialistische Realismuskonzeptionen, Frankfurt/M. 1974, S. 140–213, hier: S. 196

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  82. Vgl. hierzu den kritischen Artikel von Jäger, M., ›Sozialistischer Realismus‹ als kulturpolitisches Losungswort, in: Brinkmann, R. (Hg.), Begriffsbestimmung des literarischen Realismus, Darmstadt 1987, S. 588–614, wo er dem Begriff jeglichen analytischen Wert abspricht: »Kann der einzelne Künstler oder das einzelne Kunstwerk heutzutage überhaupt noch auf nachweisbare, auffindbare Kriterien des sozialistischen Realismus festgelegt werden? Die vagen, abstrakten, schlagwortartigen und in sich widersprüchlichen Beschreibungen, die sich als fiktive Kontinuität bis in neueste Kompendien fortschleppen, erweisen sich als ungeeignet sowohl für die künstlerische Praxis wie für die kritische Rezeption. Sozialistischer Realismus wurde zur Leerformel« (a. a. O., S. 607).

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  83. vgl. hierzu: Schmitt, H.-J., Die Expressionismusdebatte. Materialien zu einer marxistischen Realismuskonzeption, Frankfurt/M. 1973

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  84. »Die Richtlinien des Sozialismus enthalten für mich die gültige Wahrheit« (Weiss, P., 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt, in: ders., Rapporte 2, Frankfurt/M. 1971 (zuerst 1965), S. 14–23, hier: S. 22).

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  85. Ralf Schnell stellt fest: »Wer für die Zeit von 1945 bis 1960 in der Bundesrepublik eine Literatur ausfindig zu machen sucht, die das Problem ›Arbeitswelt‹ thematisiert, wird sich enttäuscht sehen. Es gibt zwar eine solche Literatur, doch nur in einer sehr eingeschränkten, den Arbeitsprozeß zumeist mythisierenden und mystifizierenden Form und ohne größere Resonanz.« (Schnell, R., Die Literatur der Bundesrepublik, Stuttgart 1986, S. 217)

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  86. vgl. Kuhn, O., »Die Ratlosigkeit ist gemeinsam«. Christian Geissler las als Gast bei der Dortmunder ›Gruppe 61‹, in: Ruhr-Nachrichten vom 20. 4. 1965; vgl. weiter: Baroth, H. D., Christian Geisslers Experiment, in: Frankfurter Rundschau vom 22. 4. 1965

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  87. Geissler, Chr., Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah. Episode aus einem Fernsehfilm, in: Hüser, F./Grün, M. von der, Alamanach der Gruppe 61 und ihrer Gäste, Neuwied und Berlin 1966, S. 143–154

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  88. Walser, M., Berichte aus der Klassengesellschaft, in: Runge, E., Bottroper Protokolle, Frankfurt/M. 1968, S. 7–10, hier: S. 9

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  89. Arnold, H. L., Die Gruppe 61 — Versuch einer Präsentation, in: ders., Gruppe 61, München 1971, S. 11–36, hier: S. 28

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  90. Dieses gilt nicht für den Lyriker. Sartre macht gleich zu Beginn seines Buches den Unterschied zwischen Poesie und Prosa und verfolgt nur die Implikationen der Prosa weiter, da nur sie sich auf die Freiheit beziehe und an das reflexive Vermögen appelliere. Die poetische Haltung betrachte »die Wörter als Dinge und nicht als Zeichen« (Sartre, J.-P., Was ist Literatur?, Reinbek b. H. 1981 (zuerst 1948), S. 17), sie arbeite mit »Dinge-Wörtern« (a. a. O., S. 19). Vom Dichter wird kein Entwurf gefordert; kein »poetisches Engagement« (a. a. O., S. 21) ist möglich. Der Prosaist nehme dagegen die Wörter als Zeichen, wodurch sein Schreiben zum kommunikativen Akt, zu einem Sprechen und damit zu einem Handeln werde. »Er hat gewählt, die Welt und besonders den Menschen den anderen Menschen zu enthüllen, damit diese gegenüber dem derart aufgedeckten Gegenstand ihre ganze Verantwortung übernehmen« (a. a. O., S. 27). Sein Schreiben ist notwendig engagiert (vgl. a. a. O., S. 26 und S. 35). — Mit dieser Ausgrenzung der poetischen Sphäre aus der Prosa schneidet sich Sartre seinen Gegenstandsbereich willkürlich zurecht. Nun kann er die Funktion der Literatur umstandslos auf das menschliche Handeln beziehen. All jene Kunstwerke, die sich der Rezeption verschließen und sich nur in sich selbst gründen, alle hermetische Kunst, fällt aus seiner Erörterung engagierter Kunst heraus, weil sie poetischen Charakters ist.

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  91. vgl. Sartre, J.-P., Das Sein und das Nichts, Reinbek b. H. 1991 (zuerst 1943), S. 119–160 sowie in dieser Arbeit den Abschnitt 5.1.3. (Wählen und glauben).

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  92. Adorno nimmt implizit Lukács’ Unterscheidung zwischen Tendenz und Parteilichkeit auf und wendet sie auf die engagierte Literatur an: »Theoretisch wären Engagement und Tendenz zu unterscheiden. Engagierte Kunst im prägnanten Sinn will nicht Maßnahmen, gesetzgeberische Akte, praktische Veranstaltungen herbeiführen wie ältere Tendenzstücke gegen die Syphilis, das Duell, den Abtreibungsparagraphen oder die Zwangserziehungsheime, sondern auf eine Haltung hinarbeiten. Sartre etwa auf die der Entscheidung als der Möglichkeit, überhaupt zu existieren, gegenüber zuschauerhafter Neutralität.« (Adorno, Th. W., Engagement, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 11, Frankfurt/M. 1974, S. 409–430, hier: S. 412) Wie gezeigt, ist bei Geissler ebenfalls die Haltung das zentrale Anliegen und — sieht man einmal von der globalen Forderung nach Abschaffung des Kapitalismus ab — kein besonderer Inhalt.

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  93. V. Zmegac spricht von ihr als der »Zeit eines literarischen und künstlerischen Stilgemenges« (Zmegac, V., Zum literarhistorischen Begriff der Jahrhundertwende (um 1900), in: ders. (Hg.), Deutsche Literatur der Jahrhundertwende, Königstein/Ts. 1981, S. IX–LI, hier: S. IX), in der »Stilpluralismus« (ebd.) geherrscht habe: »Obwohl eine Abfolge in der Verlagerung von Schwerpunkten nicht bestritten werden kann, gilt es dennoch, mit Nachdruck klarzustellen, daß die wesentlichen literarischen Bestrebungen der Jahrhundertwende ungefähr gleichzeitig einsetzten« (a. a. O., S. XI). Die bewußte Zeitgenossenschaft zum Phänomen des Stilpluralismus scheint ihm ebenfalls signifikant zu sein (vgl. a. a. O., S. XII): »Das […] Bewußtsein von der Einheit der Tendenzen des Zeitalters bekundete sich […] allgemein in der Verbreitung des Begriffs ›Moderne‹.« (a. a. O., S. XIV)

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  94. So erschien zum Beispiel S. Vietta der Begriff »im Laufe der Analyse zunehmend problematisch« (Vietta, S./Kemper, H.-G., Expressionismus, München 1975, S. 24 f.). Er benutzt ihn als Epochenbezeichnung für das Jahrzehnt um den Ersten Weltkrieg und sieht »die Signatur der Epoche […] gekennzeichnet durch die ›Dialektik‹ von Ichdissoziation und Menschheitserneuerung« (a. a. O., S. 22). Den Vorzug seines Vorgehens sieht er darin, daß er trotz der Verschiedenheit an der »Einheit der Epoche« (a. a. O., S. 25) festhalten kann.

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  95. Mit Zmegac und Rasch (vgl. Rasch, W., Aspekte der deutschen Literatur um 1900, in: Zmegac, V. (Hg.), Deutsche Literatur der Jahrhundertwende, Königstein/Ts. 1981, S. 18–48, hier: S. 19) gliedert diese Arbeit den Naturalismus und den Frühexpressionismus in das stilpluralistisch gefaßte Paradigma der Jahrhundertwendeliteratur ein, für das gilt: »Alle vitalistischen Anschauungen der Jahrhundertwende erscheinen damals eingebettet in einen epochentypischen Begriff von umfassender Geltung: in den Begriff des ›Lebens‹.« (Zmegac, a. a. O., S. XXXV)

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  96. Mandelkow, K. R., Artikel ›Realismus, poetischer‹, in: Krywalski, D., Handlexikon zur Literaturwissenschaft, Reinbek b. H. 1974, S. 388–393, hier: S. 389.

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  97. Lauer, R., Der europäische Realismus, in: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, Bd. 17, hg. von R. Lauer, Wiesbaden 1980, S. 7–28, hier: S. 20.

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  98. »Flaubert verlangt vom Romancier den Rückzug aus seinem Werk, d. h. die ›impersonalité‹ (Unpersönlichkeit), die ›impassibilité‹ (Emotionslosigkeit) und die ›impartialité‹ (Unparteilichkeit) beim Erzählen.« (Heitmann, K., Der französische Roman im Zeitalter des Realismus (1830–1880), in: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, Bd. 17, hg. von R. Lauer, Wiesbaden 1980, S. 29–88, hier: S. 79.)

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  99. Mahal, G., Naturalismus, München 1975, S. 96.

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  100. Paradigmatisch hierfür ist Papa Hamlet vom A. Holz/J. Schlaf, wo die Gesprächspausen durch genau abgezählte Gedankenstriche in ihrer Länge bestimmt werden. Zum Beispiel: » ›Gleich! Gleich, Nielchen! Wo brennt’s denn? Soll ich auch die Skatkarten mitbringen?‹ / ›N…nein! Das heißt…‹ / — — ›Donnerwetter noch mal! Das, das ist ja eine, eine — Badewanne!‹« (Holz, A./Schlaf, J., Papa Hamlet, hg. von F. Martini, Stuttgart 1963 (zuerst 1889), S. 19).

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  101. Prominentestes Beispiel: »Von Hauptmanns Webern gibt es eine ganz im schlesischen Idiom geschriebene Fassung (De Waber)« (Scheurer, H., Der deutsche Naturalismus, in: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, Bd. 18, hg. von H. Kreuzer, Wiesbaden 1976, S. 153–188, hier: S. 180).

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  102. Martens, G., Vitalismus und Expressionismus, Stuttgart — Berlin — Köln — Mainz 1971, S. 75 — Martens behandelt den Naturalismus noch, gemäß der damals vorherrschenden Forschungsmeinung, als einen Vorläufer der Jahrhundertwendeliteratur. Rasch faßt die Wende in der Forschung zusammen: »Die Gleichzeitigkeit des Hervortretens […] verschieden gearteter Dichter […] war […] als Faktum bekannt, aber sie wurde in der literarhistorischen Betrachtung kaum bewußt gemacht und eher verschleiert, weil man das Schema einer zeitlichen Aufeinanderfolge von Stilen gewaltsam festhielt und die Dinge so darstellte, als sei zunächst der Naturalismus vorherrschend gewesen, der dann ›abgelöst‹ wurde vom literarischen Impressionismus; daß später die sogenannte Neuromantik sich durchgesetzt hätte, danach eine Neuklassik, schließlich der Expressionismus. Solcher Aufteilung stellt sich […] die These von der inneren Einheit der Zeit von 1890 bis 1914 entgegen, einer Zeit, in der klar unterscheidbare Formungsweisen, die keimhaft schon im Anfang nebeneinander hervortreten, sich nebeneinander entfalten.« (Rasch, a. a. O., S. 19)

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  103. W. Rothe betont die Wichtigkeit des Tanzes für die Literatur der Jahrhundertwende, grenzt den Tanz im Jugendstil aber dem Gehalt nach strikt von dem im Expressionismus ab; »die spezifisch ersatzreligiöse, pseudomythische und -sakrale, ahistorisch-zeitlose Ausprägung des Tanzes in der Kunst des Jugendstils kann als irrelevant für die Expressionisten gelten.« (Rothe, W., Tänzer und Tater, Frankfurt/M. 1979, S. 50) Dieser suche vielmehr den »individuell-existentielle[n] Ausdruck« (ebd.).

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  104. Fähnders, W., Anarchismus und Literatur. Ein vergessenes Kapitel deutscher Literaturgeschichte zwischen 1890 und 1910, Stuttgart 1987, S. 8

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  105. Landauer, G., Aufruf zum Sozialismus, Philadelphia — Hilversum — Wetzlar 1978 (zuerst 1911), S. 4 und S. 21

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  106. Landauer, G., Skepsis und Mystik, Philadelphia — Hilversum — Wetzlar 1978 (zuerst 1903), S. 18

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  107. Mautz, K., Georg Heym, Frankfurt/M. 1961, S. 281

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  108. Bohrer, K. H., Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt/M. 1981, S. 49

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  109. Derrida, J., Schibboleth, Graz — Wien 1986, S. 35

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  110. Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, in: ders., Werke, Abt. I, Bd. 5, hg. von N. Miller, München — Wien 1987 (zuerst 1804), S. 7–456, hier: S. 31

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  111. Arendt weist darauf hin, daß die Reflexion auf den Nihilisirtus in der Jenaer Romantik selbst stattfand und in die Fragmentspekulation einging: »Im Jenaer Kreis […] werden die Begriffe des Nichts und des Nihilismus als ironische Gegenbegriffe zur eigenen Haltung geläufig. Mitten in diesem Kreis also regt sich der vom Willen zur Wahrhaftigkeit geweckte Verdacht, daß das Ich in Konzentration auf sein eigenes Denken oder sein eigenes Gefühl die entgegenstehende, objektive Wirklichkeit subjektiviere, abstrahiere, reduziere und ›vernichte‹ und damit die Endlichkeit in hybrider Weise aufhebe, daß das Ich in schöpferischer Ausübung der transzendentalen Formen seiner Vernunft oder in der enthusiastischen Tätigkeit seiner ›Begeisterung‹ das Relative mit dem Absoluten, die Geschöpflichkeit mit dem Schöpfertum verwechsle.« (Arendt, D., Der ›poetische Nihilismus‹ in der Romantik, Tübingen 1972, S. 43 f.)

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  112. In der Forschung werden immer wieder Tiecks William Lovell und die Nachtwachen des Bonaventura (Pseudonym — als Autor wird seit R. Haags Recherchen E. A. Fr. Klingemann genannt; vgl. Paulsen, W., Nachwort, in: Bonaventura, Nachtwachen, Stuttgart 1990, S. 167–186, hier: S. 175) als Kronzeugen für den Nihilismus der Romantik angeführt, etwa von W. Kohlschmidt schon 1953: »William Lovell ist die Figur der Bewußtseinsmenschen, der in der Reflexion auf sich selbst und die Welt alles auflöst. […] Das ist das Ich, das sich zum Weltmittelpunkt geworden ist, indessen im Innersten selbst leer ist.«

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  113. (Kohlschmidt, W., Nihilismus der Romantik, in: Arendt, D. (Hg.), Nihilismus, Darmstadt 1974 (zuerst 1953), S. 79–98, hier: S. 88) Die Nachtwachen nennt er »ein nihilistisches Gesamtkunstwerk« (a. a. O., S. 94).

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  114. Dieser Auffassung der Lovell-Figur widerspricht Weigand, der eine Vielfalt von Tendenzen in ihr angelegt sieht, von denen eine ›melancholisch‹ genannt werden könne (vgl. Weigand, K., Tiecks »William Lovell«, Heidelberg 1975, S. 107). Die Spannung zwischen den Kräften, die in Lovell wirken, bewertet er, anders als jene Forscher, die Lovell für einen Nihilisten halten, positiv. Erst die Bereitschaft, gewohnte Koordinaten radikal in Frage zu stellen, wie es bei dieser Figur der Fall sei, ermögliche innovative und kreative Prozesse und führe sie »letztlich zu sich selbst« (a. a. O., S. 130). Den Mangel an Fixierungen deutet er als eine Chance für die Neuorientierung. Die Struktur des Romans aber kennzeichne das »Nebeneinander von Zwiespalt und Offenheit« (a. a. O., S. 125).

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  115. Lukács, G., Die Theorie des Romans, Darmstadt und Neuwied 1971 (zuerst 1920), S. 32

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  116. Adorno, Th. W., Philosophie der neuen Musik, Gesammelte Schriften, Bd. 12, Frankfurt/M. 1975 (zuerst 1958), S. 56

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  117. vgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Werke in 20 Bänden, Bd. 3, hg. von E. Moldenhauer und K. M. Michel, Frankfurt/M. 1970, S. 24

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  118. Adorno, Th. W., Minima Moralia, Frankfurt/M. 1951, S. 57

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  119. Novalis, Monolog, in: ders., Werke, Bd. 2, hg. von H.-J. Mähl, München — Wien 1978, S. 438 f., hier: S. 438

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  120. Benjamin, W., Franz Kafka, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. von R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Bd. II, Frankfurt/M. 1977 (zuerst 1935), S. 409–438, hier: S. 427

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  121. W. Hildesheimer schreibt 1975 in seiner Rede Das Ende der Fiktionen: »Die Zeiten der ›großen Romanciers‹ sind vorbei. […] Für den Schriftsteller heute ist es weniger eine bewußte Entscheidung als eine Herausforderung, Stellung zu beziehen. Nur eben bezweifle ich, daß er es überhaupt in seiner Funktion als Mann der Sprache kann. Er kann es, indem er Aktion ergreift oder indem er schweigt.« (Hildesheimer, W., Das Ende der Fiktionen, in: ders., Gesammelte Werke in sieben Bänden, Bd. 7, hg. von Chr. L. Hart Nibbrig und V. Jehle, Frankfurt/M. 1991, S. 141–158, hier: S. 152) Geissler versucht es noch einmal mit dem Erzählen, indem er die von Hildesheimer aufgemachte Alternative, Handeln oder Schweigen, als zwei Instanzen in seinen Roman integriert. Doch wie Hildesheimer verstummt, so ist auch kamalatta von der Drohung des Verstummens gezeichnet.

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Kramer, S. (1996). Geisslers Schreibweise in ›kamalatta‹. In: Die Subversion der Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04253-8_6

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