Zusammenfassung
Horaz hat seiner Ars Poetica das Schreckbild einer jeden klassizistischen Ästhetik vorangestellt: ein groteskes Mischwesen, das den Kopf eines Menschen mit dem Hals eines Pferdes und dem Schwanz eines Fisches gegen jede Wahrscheinlichkeit verbindet.1 Es ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, daß jede ernstzunehmende Kunst, gleich ob Malerei oder Poesie, gegenüber einem solchen Greuelbild auf Distanz zu gehen und stattdessen die organischen Proportionen der Natur einzuhalten hat. Man verrät sicherlich kein Geheimnis, wenn man bemerkt, daß Hans Henny Jahnn gegenüber jenem Mischwesen keinerlei Scheu hegte. Er hat seinem Roman Perrudja gleich zwei Leitbilder eingefügt, die in Horazens Monster enthalten sind: Kentauren und Hippokampen, Kreuzungen aus Mensch und Pferd bzw. Pferd und Fisch.2 Insbesondere das Bild des Kentauren entwickelt er zum Emblem seines sentimentalischen Wunsches nach einer Revitalisierung des ausgedörrten Zivilisationsmenschen.
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Endnoten
Michail Bachtin: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Hrsg. von Renate Lachmann. Frankfurt am Main 1987, S. 138.
Vgl. Walter Emrich: Das Problem der Form in Hans Henny Jahnns Dichtungen. Mainz 1968, S. 13; Thomas Freeman: Mythisch-dialektische Strukturen in Hans Henny Jahnns “Perrudja”. In: Text und Kritik 2/3 (3. Auflage), 1980, S. 30–42.
Roland Barthes: Mythen des Alltags. Frankfurt am Main 1964, S. 113.
Vgl. Marlene Baum: Das Pferd als Symbol. Zur kulturellen Bedeutung einer Symbiose. Frankfurt am Main 1991, S. 54ff.
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Kremer, D. (1996). Das Geschlecht der Kentauren. In: Böhme, H., Schweikert, U. (eds) Archaische Moderne. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04249-1_12
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