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Zusammenfassung

Naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind konstitutiv für das moderne Weltverständnis und bestimmen, aufgrund des neuzeitlichen Postulats von der kausalanalytischen Erforschbarkeit und Beherrschbarkeit der Natur, unser Zeitalter in einem Maße, wie das christliche Dogma das Mittelalter. Naturforschung wird heute als Naturerklärung im Sinne der sogenannten ‚exakten‘ Naturwissenschaften begriffen, die auf die Entdeckung kausaler Gesetzmäßigkeiten und deren Randbedingungen zielen. Infolge der „naturwissenschaftlichen Revolution“1 Galileis und Newtons und des Cartesianismus’ setzt sich im 18. Jahrhundert, im Zuge der Aufklärung, das mechanistische Denken erstmals auf breiter Basis durch. Der Einfluß naturwissenschaftlicher Erkenntnisse auf das menschliche Bewußtsein hat sich seit der ‚kopernikanischen Wende‘ im 16. Jahrhundert beständig vergrößert. Wie Wolf Lepenies hervorhebt, entwickelt der moderne Mensch mit Wissenschaft und Technik als Ersatz für Religion und Magie neue, wirksame Mechanismen, um mit der Angst vor der äußeren Natur fertig zu werden2. Das mit universalem Geltungsanspruch vertretene physikali-stische Denken behauptet bis ins 20. Jahrhundert die Vorherrschaft, weil es den naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt ermöglicht. Auf der theoretischen Grundlage der Allgemeingültigkeit der physikalisch-chemischen Naturgesetze gelingt es den Naturwissenschaftlern, praktisches Wissen zu erzeugen, das sich bezahlt macht.

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  1. A. Rupert Hall: Die Geburt der naturwissenschaftlichen Methode. 1630–1720. Von Galilei bis Newton, aus dem Engl. übers. von Theodor A. Knust, Gütersloh 1965.

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  9. Beispielhaft für die literarische Verbreitung der naturtheologischen Tradition ist das neunbändige Hauptwerk Barthold Heinrich Brockes, „Irdisches Vergnügen in Gott“ (1721–1748). Ruth und Dieter Groh nennen es in ihrem Buch „Weltbild und Naturaneignung“ die „poetische Enzyklopädie der Bewegung“(54). Beispielhaft demonstriere das Gedicht „Das Firmament“, wie das „Erschrecken des Menschen angesichts eines grenzenlosen Weltalls“(122) vom gläubigen Menschen in eine Naturoffenbarung des unendlichen Gottes transformiert werde. Brockes genaue Naturbeschreibungen, die sich auf viele unbelebte und belebte Naturgegenstände beziehen, werden ausnahmslos der theologischen Absicht untergeordnet. Wie Newton, der sich die Welt als Maschine und Gott als ihren Konstrukteur und Maschinisten vorgestellt habe, besäßen die meisten Vertreter der neuzeitlichen Naturwissenschaften bis ins 18. Jahrhundert einen metaphysischen Naturbegriff. Die meisten von ihnen sammeln als ‚reine Empiriker‘ allein deshalb Belege, um — wie sie glauben — a posteriori von „der beobachtbaren Ordnung der Welt auf ihren Ordner“(31) schließen zu können. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts verbreitete sich von England aus die sogenannte ‚physikotheologische‘ Bewegung, die in ihrer Naturforschung den Grundstock für eine optimistische, Naturwissenschaften und Religion harmonisierende Weltsicht sieht. Sie verliert im Laufe des 18. Jahrhunderts ihre Bedeutung, nicht zuletzt, weil ihre Argumentationsweise durch Humes und Kants Kritik an der Zirkularität ihres Schlußverfahrens zweifelhaft wird. Ruth und Dieter Groh: Weltbild und Naturaneignung. Zur Kulturgeschichte der Natur, Frankfurt a. M. 1991.

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  10. Karl N. Renner: ‚…laß das Büchlein deinen Freund seyn‘. Goethes Roman ‚Die Leiden des jungen Werthers‘ und die Diäthetik der Aufklärung, in: Zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur von der Aufklärung bis zur Jahrhundertwende: Einzelstudien, hg. von Günter Häntzschel, Tübingen 1985, S. 19 f. In einer Anmerkung verweist Renner auf eine ältere Studie von Hellmuth Sudheimer, die „auf den biologisch-vitalistischen Geniebegriff des jungen Goethe […] bereits […] aufmerksam“ gemacht habe. Da von dieser Arbeit für meine Untersuchung keine besondere Anregung ausging, möchte ich es bei diesem Hinweis belassen. Hellmuth Sudheimer: Der Geniebegriff des jungen Goethe, Berlin 1935.

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  11. Wolfgang Braungart: Naturverhältnisse. Zur poetischen Reflexion eines Aufklärungsproblems beim jungen Goethe, in: Idealismus und Aufklärung. Kontinuität und Kritik der Aufklärung in Philosophie und Poesie um 1800, hg. von Christoph Jamme und Gerhard Kurz, Stuttgart 1988, S. 19.

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  12. Jeremy Adler: ‚Eine fast magische Anziehungskraft‘: Goethes ‚Wahlverwandtschaften‘ und die Chemie seiner Zeit, München 1987, S. 138.

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Arz, M. (1996). Einleitung. In: Literatur und Lebenskraft. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04248-4_1

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