Zusammenfassung
Gewalt ist kein Spiel! Mit diesem Satz ist man sich des Beifalls sicher. Von allen demokratisch Gesinnten. Dieser Satz ist moralisch und politisch korrekt. Betroffenheit ersetzt die öffentliche Diskussion über Gewalt. Staatstheorien begnügen sich oft mit anthropologischen Festlegungen, daß „der Menschen seiner Natur nach aggressiv“ sei. Diskussionen über den Menschen als gewaltfähiges Wesen polarisieren sich an der Frage, ob die Eigenschaften angeboren oder angelernt seien. Welche Demokratietheorie setzt sich anders als negativ mit Gewalt als einem Ausdruck von Herrschaft auseinander? Der Begriff der Gewaltenteilung wird kaum auf den illegitimen Teil dieser Gewalt hin befragt. Wir sind uns alle einig, daß das Spiel der Gewalten hier nichts zu tun hat mit dem „realen“ Blut dort, wie es uns die Bilder der Kriege ins Wohnzimmer liefern. Wie weit kann man Gewalt ausdifferenzieren und historisieren, ohne sie dabei auch zu legitimieren? Zwischen der Gewalt, die in rechtlichen und vertraglichen Verfahren kanalisiert ist, und der „illegitimen“ Gewalt vermittelt die As-thetik. Fichtes und Pasolinis Arbeiten handeln oft von jenem Sprung, der zwischen der Ästhetik der Gewalt und der Beschwörung der Realität der Grausamkeit besteht. Letztere ist ein körperlicher und geistiger Moment der Existenz, der durch nichts einzuholen ist.
In meinem ganzen Leben habe ich nie einen Akt der Gewalt ausgeübt.Nicht etwa, weil ich fanatisch für die Gewaltlosigkeit wäre. Auch die kann zur Gewalt werden, nämlich dann, wenn sie eine Form ideologischer Selbstbezwingung ist. […] Es gibt eine einzige Ausnahme. Und darüber will ich reden.1
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Notizen
Pier Paolo Pasolini: Fragment. In: Ders.: Freibeuterschriften. Die Zerstörung der Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft, Berlin 1978, S. 121.
Heißenbüttel, Helmut: Hubert Fichte definitiv. In: Text und Kritik, 72: Hubert Fichte. München 1981, S. 3.
Pier Paolo Pasolini: Petrolio, Torino 1992, S. 9.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1988, S. 126–127.
Hermann Lang: Die Sprache und das Unbewußte. Jacques Lacans Grundlegung der Psychoanalyse, Frankfurt am Main 1986, S. 218.
Pier Paolo Pasolini: La nuova gioventü, Torino 1975 , S. 245.
Slavoj Zizek: Der erhabenste aller Hysteriker. Wien 1991, S. 214.
Hubert Fichte: Jeder kann der nächste sein. In: Der Spiegel, 7, 1976, S. 105.
Dieter E. Zimmer: Genauigkeit, ein Versteck. In: Die Zeit, 9. 4. 1971, S. Lit8.
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Mundel, R. (1995). Diener und Grafen. Fußnotenschächte zu den Freibeutern Hubert Fichte und Pier Paolo Pasolini. In: Böhme, H., Tiling, N. (eds) Medium und Maske. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04238-5_12
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