Skip to main content

Robinson Crusoe und Die Folgen

  • Chapter
Märchenkinder — Zeitgenossen
  • 151 Accesses

Zusammenfassung

Über die Problematik des Bühlerschen Ansatzes ist schon gesprochen worden;2 schließt er doch von der Lieblingslektüre der Kinder auf unverrückbare, in der „Natur des Kindes“ begründete Entwicklungsstufen, die in strenger Reihenfolge zu erklimmen sind. So übt nach Bühler das Kind im Märchenalter die „Vorstellungswelt“; in der späteren Kindheit, der „realistischen Phase“, den Intellekt; während Gefühls- und Willensleben vor allem in der Pubertät, dem „Heldenalter“ entfaltet wird. Robinson, der „praktisch Tüchtige“, wird in dieser Phase abgelöst vom „idealen Helden, einem Draufgänger, furchtlos und mutig wie Siegfried, weniger klug als edel“.3

Typisch für das Ideal des Robinsonalters ist Robinson, der kluge Erfinder, der sich gewandt und aus eigener Kraft — nicht wie die Märchenmenschen mit wunderbaren Hilfen — in allen Nöten zurechtfindet. Robinson, der Weitgereiste, Lebenserfahrene. Vor ihm verblaßt der Märchenprinz, dem Glückszufälle und hilfreiche Geister beistehen müssen, damit er vorankommt (…). So ist es ja im Leben nicht. Klare Tageshelle beleuchtet nüchtern Robinsons Reise. Wunder und Fabelwesen können hier gar nicht eindringen. (Charlotte Bühler)1

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Notizen

  1. Bühler, Charlotte: Das Seelenleben des Jugendlichen (1921). Frankfurt/M. 1975, S. 229

    Google Scholar 

  2. Rumpf, Albert: Vom Kinde aus. Die neue Fragestellung in der Jugendschriftenfrage. In: Weismantel, Leo (Hrsg.): Über die geistesbiologischen Grundlagen des Leseguts. Augsburg 1931, S. 8

    Google Scholar 

  3. Von Aichberger, Rose: Kindemrteile über Bücher. In: Bücherei und Bildungspflege 6, 1928, H. 2/3, S. 87–97, S. 94

    Google Scholar 

  4. Wilkending, Gisela: Kinder- und Jugendbuch. Bamberg 1988 (=Themen, Texte, Interpretationen. Bd 10), S. 225

    Google Scholar 

  5. Busse, Hans H.: Die häusliche Lektüre der Volksschulkinder. In: Deutsche Viertelsjahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 1927, H. 3, S. 407–433, S. 418/419

    Google Scholar 

  6. Vgl. Dolle, Bernd: Das Märchen im Prozeß der Erziehung. In: Brackert, Helmut (Hrsg.): Und wenn sie nicht gestorben sind. Perspektiven auf das Märchen. Frankfurt/M. 1980, S. 165–192

    Google Scholar 

  7. [Anonym:] Das lesende Kind. Eine Umfrage. In: Die Scholle. Blätter für Kunst und Leben 1925, H.8, S. 513–541, S. 513

    Google Scholar 

  8. Bernfeld, Siegfried: Das Kind braucht keinen Schutz vor Schund. in: Die Literarische Welt 2, 1926, Nr. 49, S. 1;

    Google Scholar 

  9. wieder in: Richter, Dieter (Hrsg.): Das politische Kinderbuch. Darmstadt u. Neuwied 1973, S. 245–249, S. 247; dort auch die Beiträge von Tucholsky und Brecht.

    Google Scholar 

  10. Vgl. auch: Eßbach, W.: Der schmutzige Kampf gegen Schmutz und Schund. Massenliteratur und Literaturpädagogik. In: Richter, Dieter/Vogt, Jochen (Hrsg.): Die heimlichen Erzieher. Kinderbücher und politisches Lernen. Reinbek 1974, S. 108f.

    Google Scholar 

  11. Ebda, S. 247; eine These, die von der Kinderpyschoanalyse bestätigt wird; vgl. Pipal, E.: Beim Lesen schöner Geschichten. In: Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik VI, 1932, S. 156. — Der Zusammenhang von Lesegier und Onanie wurde schon von J. H. Campe beargwöhnt;

    Google Scholar 

  12. vgl. Rutschky, Katharina: Schwarze Pädagogik. Frankfurt/M. 1977;

    Google Scholar 

  13. Steinlein, Rüdiger: Die domestizierte Phantasie. Heidelberg 1987

    Google Scholar 

  14. Ebda, S. 247. — Die Debatte um das „Gesetz gegen Schmutz und Schund“ nimmt ihrerseits die Auseinandersetzung vorweg, die um den Gebrauch von Horrorvideos durch Kinder und Jugendliche geführt wird. Auch hier hat die Ablehnung monokausaler Begründungszusammenhänge es schwer, sich gegen das auf den ersten Bück viel plausiblere „Verführungsmodell“ durchzusetzen, auch hier werden weiterhin die Motive zum Sehen mit den befürchteten Folgen verwechselt. Allerdings stellt sich das Problem durch die umfassende Mediatisierung von Erfahrung bzw. dem daraus resultierenden Erfahrungsverflust auf erheblich differenzierterer Ebene; vgl. dazu Rogge, Jan Uwe: Pac Man und die Zombies. Reinbek 1985

    Google Scholar 

  15. Vgl. Kreis, Rudolf: Die verborgene Geschichte des Kindes in der deutschen Literatur. Stuttgart 1980

    Google Scholar 

  16. Steinlein, Rüdiger: Vom geselligen Hörer zum einsamen Leser. In: Merkel, Johannes/Nagel, Manfred (Hrsg.): Erzählen. Die Wiederentdeckung einer vergessenen Kunst. Reinbek 1983, S. 156–171

    Google Scholar 

  17. Vgl. Petzold, Dieter: Daniel Defoe, „Robinson Crusoe“. München 1982

    Google Scholar 

  18. Stach, Reinhard: Robinson und die Pädagogen. In: Schiefertafel 7/1984, S. 84–91

    Google Scholar 

  19. Vgl. Liebs, Elke: Die pädagogische Insel. Studien zur Rezeption des Robinson Crusoe. Stuttgart 1977

    Google Scholar 

  20. Rousseau, Jean-Jacques: Emile. Paderborn 1971, S. 57

    Google Scholar 

  21. Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Hrsg. Heinrich Merkel u. Dieter Richter. München 1977 (=Sammlung alter Kinderbücher. Bd 1), S. DC

    Google Scholar 

  22. Siehe dazu Stach, Reinhard: „Robinson der Jüngere“ als pädagogisch-didaktisches Modell des philantropischen Erziehungsgedankens. Kastellaun 1970

    Google Scholar 

  23. Binder, Alwin/Richartz, Heinrich: J. H. Campes „Robinson der Jüngere“ als literarische Darstellung von Theorie und Praxis des aufstrebenden Bürgertums. In: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Hrsg. Alwin Binder u. Heinrich Richartz. Stuttgart 1981, S. 377–425, S. 401

    Google Scholar 

  24. Ewers, Hans-Heino: Erzählkunst und Kinderliteratur. Walter Benjamins Theorie des Erzählens. In: Doderer, Klaus (Hrsg.): Walter Benjamin und die Kinderliteratur. Weinheim u. München 1988, S196–212, S. 202

    Google Scholar 

  25. Benjamin, Walter: Der Erzähler. In: Benjamin, Walter: Gesammelte Schriften II., 2. Frankfurt/M. 1980, S. 438–465, S. 440

    Google Scholar 

  26. Vgl. Zupancic, Peter: Die Robinsonade in der Jugendliteratur. Bochum 1976

    Google Scholar 

  27. Macherey, Pierre: Zur Theorie der literarischen Produktion. Darmstadt u. Neuwied 1974, S. 122

    Google Scholar 

  28. Veme, Jules: Die Schule der Robinsons. Frankfurt/M. 1978 (=Haidnische Alterthümer)

    Google Scholar 

  29. Steinlein, Rüdiger: In finsteren und blutigen Gründen. Das Indianerbuch als Jugendmassenlektüre. [Nachwort] In: Krusow, Major von: Jack, die Bärenklaue. München 1979 (=Sammlung alter Kinderbücher. Bd 4), S. 135–181

    Google Scholar 

  30. Steinlein: Die domestizierte Phantasie a.a.O. (Anm. 19), S. 262; vgl. auch Christadler, Marie-Luise: Kriegserziehung im Jugendbuch. Literarische Mobilmachung in Deutschland und Frankreich vor 1914. Frankfurt/M. 1978

    Google Scholar 

  31. Stern, Fried: Der Robinson in Reim und Bild. Frankfurt 1916

    Google Scholar 

  32. Kerschensteiner, Georg: Der Begriff der Arbeitsschule. Leipzig u. Berlin 1912; für das nachrevolutionäre Rußland entworfen und schon 1920 in Deutschland erschienen: Pawel Blonskij: Die Arbeitsschule; vgl. Blonskij, P. Petrowitsch: Die Arbeitsschule. Hrsg. H. E. Wittig. Paderborn 1973

    Google Scholar 

  33. Sonnleitner, A. Th.: Die Höhlenkinder. Im Heimlichen Grund (I) — Die Höhlenkinder. Im Pfahlbau (II) — Die Höhlenkinder. im Steinhaus (III). 3 Bde. München 1987/88 (=dtv junior), leicht bearbeitete Fassung der Erstausgaben von 1919/20. ich zitiere aus dieser dtv-Ausgabe, wo nicht anders vermerkt.

    Google Scholar 

  34. Arendt, Dieter: In ihrer Höhle wirst du sie erkennen, oder: die tragische Wiedergeburt der Jugend. In: Schiefertafel VIII, 1985, H. 2/3, S. 55–73, S. 57

    Google Scholar 

  35. Jäger, A.: Robinson Crusoe als Jugendlektüre. in: Pharus. Katholische Monatsschrift für Orientierung in der gesamten Pädagogik 7, 1916, S. 330–350, S. 343

    Google Scholar 

  36. Sonnleitner, A. Th.: Die Höhlenkinder im Steinhaus. 120. Tsd. Stuttgart: Franckh 1931

    Google Scholar 

  37. Paul, Jean: Werke in 12 Bänden. Hrsg. Norbert Miller. München 1975. Bd 5, S. 259

    Google Scholar 

  38. vgl. Brunner, Horst: Kinderbuch und Idylle. Rousseau und die Rezeption des Robinson Crusoe im 18. Jahrhundert. In: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 2, 1967, S. 85–116

    Google Scholar 

  39. Zum Kontext dieser Art von Idyllen siehe Hermand, Jost: Der neuromantische Seelenvagabund. In: Hermand, Jost: Der Schein des schönen Lebens. Studien zur Jahrhundertwende. Frankfurt/M. 1972, S. 129–146

    Google Scholar 

  40. Osten, Michael: Robinson in der Großstadt. In: Jugend und Welt. 1. Jahrbuch des Williams-Verlags. Berlin 1928, S. 91–138

    Google Scholar 

  41. Siehe Goldstein, Moritz: Berliner Jahre. Erinnerungen 1880–1933. München 1977

    Book  Google Scholar 

  42. Vgl. Klotz, Volker: Die erzählte Stadt. München 1969, S. 48f.

    Google Scholar 

  43. W. Benjamin: Programm eines proletarischen Kindertheaters (1928). In: Benjamin, Walter: Über Kinder, Jugend und Erziehung. Frankfurt/M. 1969, S. 79–86

    Google Scholar 

  44. Bezeichnenderweise gibt es m. W. keine Robinsonade von proletarisch-revolutionären Autoren — und konnte es auch wohl nicht geben; hier ist nicht die doppelte Ebene, sondern das unmittelbar operative Identifikationsmodell gefragt. Eine charakteristische Ausnahme bildet allerdings Alex Wedding, die in „Ede und Unku“ eine Gruppenrobinsonade als Parabel einsetzt: Die „Insel der faulen Fische“ dient hier als Lehrbeispiel für die Ausbeutung, die das Privateigentum von Produktionsmitteln ermöglicht. Lisa Tetzner nimmt unter den Erfahrungen des Exils die utopische Tradition der Gruppenrobinsonade wieder auf. (Tetzner, Lisa: Die Kinder auf der Insel. Aarau 1944). — Zum ideologischen Projekt der Robinsonfiktion in der proletarischen Erziehung vgl. Hoernles Kritik am „Roten Scoutismus“ bzw. am sowjetischen Scoutmeister Innocency Jukoff und seinem“ phantastischen Projekt der Schaffung eines etatmäßigen Postens eines Robinson Crusoe und seines Helfers Freitag beim Volkskommissariat für Volksaufklärung“. (Hoernle, Edwin: Roter Scoutismus oder kommunistische Kinderbewegung. In: Das proletarische Kind 3, 1923, H. 4;

    Google Scholar 

  45. wieder in: Flach, Herbert/Londershausen, Herbert [Hrsg.]: Das Proletarische Kind. Zur Schulpädagogik der Kommunistischen Partei Deutschlands in den Jahren der Weimarer Republik. Berlin/DDR 1958, S. 258–262)

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1995 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Karrenbrock, H. (1995). Robinson Crusoe und Die Folgen. In: Märchenkinder — Zeitgenossen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04224-8_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04224-8_3

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-45068-5

  • Online ISBN: 978-3-476-04224-8

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics