Zusammenfassung
Ein immer wiederkehrender Stachel im Fleisch aller Textinterpretation ist die Frage nach dem Zusammenhang von Leben und Werk. Gerade im Fall Holder-lins hat es nicht an Versuchen gefehlt, diesen Zusammenhang von Lebensge-schichte und Gestalt der Werke gänzlich zu leugnen. Einerseits sollte dem Vor-wurf des bloß Subjektiv-Überspannten begegnet werden, weil hier ein Dichter seine Trauer scheinbar hemmungslos im Gedicht aussprach. Das beunruhigte schon die ersten Rezipienten: zuallererst Schiller. Spätere Interpreten ließen dann (fast) nichts unversucht, dies verstôrende Moment aus der Welt zu schaffen.* Andererseits ist vor allem in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts der Versuch nicht zu übersehen, Hôlderlin seinen bedrückenden Lebensumständen zu entrücken, um seiner für ganz eigene ideologische Interessen habhaft zu werden. Es versteht sich fast von selbst, daß der eine wie der andere Interpretationsansatz das Werk Hôlderlins verfehlen muß; ihrer Erwähnung hätte es dann gar nicht bedurft.
Wir sind keine denkenden Frösche, keine Objektivier- und Registrierapparate mit kaltgestellten Eingeweiden -wir müssen beständig unsre Gedanken aus unsrem Schmerz gebären und mütterlich ihnen alles mitgeben, was wir von Blut, Herz, Feuer, Lust, Leidenschaft, Quai, Gewissen, Schicksal, Verhängnis in uns haben.
Friedrich Nietzsche 1886
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Darsow, GL. (1995). Einleitung Zum Verhältnis von Werk und Biographie. In: „…aber von Ihnen dependier ich unüberwindlich…“. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04223-1_2
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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