Zusammenfassung
Die Entwicklung des Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft, die ihm das Erstreben einer Identität nahelegt, hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die literarische Produktion. Solange der einzelne mehr vom Wir- als vom Ich-Empfinden beherrscht ist, kann auch die Literatur nicht subjektiv geprägt sein. Tägliche Aufzeichnungen beziehen sich in der vor-bürgerlichen Kultur auf äußere Geschehnisse. “Die Notiz der ‘Chronik’ herrschte vor. Doch kam es schon im Hellenismus vereinzelt zu subjektiven Wertungen und eigenen Betrachtungen. Am Ausgang der Antike erfolgte dann der erste breite Durchbruch der Subjektivität. Im Mittelalter mehrten sich ‘Seelengeschichten’ und ‘Konfessionen’, und seit der Renaissance wurden Ephemerides, Diaria, Journals, Diaries, Dnevniki, Tagebücher zu immer genaueren Spiegelungen der intimen, unteilbaren, souveränen Individualität.”1 Die Konstituierung des Ich-ßewußtseins geht einher mit der Komplizierung der modernen Welt und zieht veränderte literarische Formen nach sich.
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Endnoten
Hocke, Gustav René: Das europäische Tagebuch. Wiesbaden 1963, S. 16.
Jurgensen, Manfred: Das fiktionale Ich. Untersuchungen zum Tagebuch. Bern, München 1979, S. 16.
Kaschnitz, Marie Luise: Unveröff. Privattagebücher 1937.
Kaschnitz, Marie Luise: Unveröff. Privattagebücher 1937.
Kaschnitz, Marie Luise: Unveröff. Privattagebücher 1938.
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Vetter, H. (1994). Die Tagebuchprosa von Marie Luise Kaschnitz in der Tradition des Genres. In: Ichsuche. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04210-1_3
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