Zusammenfassung
Jahnns Versuch, das Eingebettetsein des Menschen in die Natur zu demonstrieren, läuft im Neuen Lübecker Totentanz, analog zur bereits dargestellten Anthropomorphisierung der Natur (↖ S. 258), auf eine Tendenz hinaus, die als „Renaturierung des Menschen“ bezeichnet werden könnte. Das belegen einige besonders symptomatische Textstellen in diesem Bühnenwerk. Da ist zunächst jene Berichterstatterrede, welche die Menschen in „Wurzelwerk“ und „Frischlinge“ einteilt [472/36f.]; da sind vor allem die Bilder zur Veranschaulichung der Individuation des jungen Menschen, dessen Ausgesetztsein an Naturgewalten Jahnns Überzeugung von der Konsubstantialität der menschlichen Psyche mit der Natur erkennen läßt. (↖ S. 204) Ferner demonstriert der Totentanzchor in seinem Verstext aus Szene 10 [484/19–26] sehr prägnant jenen Kausalzusammenhang, der zwischen dem alljährlichen Erwachen des Frühlings in der Natur und einer „nicht grundlosen“ Furcht im Menschenherz zu bestehen scheint — ein melancholischer Hinweis Jahnns darauf, daß menschliches Vergänglichkeitsbewußtsein in der Lage ist, im Werden bereits das Vergehen zu ahnen. Eine weitere Assimilierung zwischen Naturveränderungen und Entwicklungen in der Menschenwelt nimmt schließlich die Mutter vor, wenn sie am Schluß des Dramas von ihrem Sohn sagt: „Ich weiß, er ist von mir abgefallen.
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Walitschke, M. (1994). Die Natur des Menschen. In: Hans Henny Jahnns Neuer Lübecker Totentanz. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04198-2_16
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04198-2_16
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-45041-8
Online ISBN: 978-3-476-04198-2
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