Zusammenfassung
Unsere Interpretation der „Lehrlinge“ soll zudem in einen zweiten Rahmen gesetzt werden, der auf eine Auseinandersetzung dieses Romans mit Grundzügen der analytischen Philosophie des 20. Jhds. hinauswill. Rudolf Carnaps Frühwerk „Der logische Aufbau der Welt“ von 1928, welches als Elementargerüst des logischen Positivismus‘ angesehen werden kann, dient dabei als exemplarischer Orientierungspunkt in dieser Auseinandersetzung. Die Motivation dafür, den Roman einerseits mit Novalis‘ Zeichentheorie, andererseits mit Grundzügen der analytischen Philosophie zu konfrontieren, liegt in auffälligen Koinzidenzien dieser beiden Theoriegebilde. Ein erster Berührungspunkt zeigt sich dabei in der Frage des Verhältnisses von empirischer Einzel Wissenschaft und „Totalwissenschaft“. Wir wiesen zuvor auf Novalis’ Mißtrauen gegenüber der in den Einzelwissenschaften sich äußerenden Durchdringung partieller Wirklichkeitsbereiche hin, die keine Gewähr mehr bietet dafür, daß die Forschungsergebnisse einem übergreifenden, für alle Menschen stimmig erscheinenden Kriterium genügen können. Hinter den Entdeckungen der „mannigfachen“ Dinge, die Novalis 1798 besonders in den Bereichen der Chemie und Physik sorgfältig rezipiert hatte, vermochte er offenbar nicht mehr eine einheitliche Praxis, ein übereinstimmendes Verhältnis von Natur und Mensch wahrzunehmen. Sein Gegenentwurf zu dieser unreflektierten Forschungspraxis besteht, wie wir skizzierten, in einem Beharren auf die ursprüngliche Verbundenheit der sprachlichen Darstellungsform von Erkenntnis mit dem Erkenntnisobjekt, derart, daß es die Lautdimension der Sprache sei, die sich in ihre Zeichenform hineindränge und in einer riskanten Übereinstimmung zwischen Menschen eine Gewähr für gemeinsame Weltwahrnehmung biete.
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Anmerkungen
Rudolf Carnap: Der logische Aufbau der Welt. (Scheinprobleme in der Philosophie). 2. Aufl. Hamburg 1961 S. 2f.
Novalis: Die Lehrlinge zu Sais. In: Novalis: Gedichte, Die Lehrlinge zu Sais. Hrsg. Johannes Mahr. Stuttgart 1984. S. 61.
Rudolf Carnap: Logische Syntax der Sprache. Wien 1934.
Zit. nach: Rudolf Carnap: Philosophie und Syntax. in: Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, 20. Jhd.. Hrsg. Rüdiger Bubner. Stuttgart 1981. S. 327–346.
Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus. Logischphilosophische Abhandlung. 6.124. (F.a.M. 1971).
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Leusing, R. (1993). Die bestimmten Zeichen. In: Die Stimme als Erkenntnisform — zu Novalis’ Roman „Die Lehrlinge zu Sais“. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04191-3_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04191-3_3
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-04191-3
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