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Leopold von Rankes intendierte Verabschiedung der spekulativen fortschrittsorientierten Geschichtsphilosophie

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Kritik der Geschichtsphilosophie
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Zusammenfassung

Leopold von Rankes geschichtstheoretische Reflexionen und Auffassungen stellen eine Kritik der spekulativen Geschichtsphilosophie Hegelschen Typs dar. Der Intention nach wollen sie jene philosophische Auffassung von der Geschichte verabschieden, welche die einzelnen geschichtlichen Erscheinungen und Phänomene dem Allgemeinen, Abstrakten subsumiert, ohne das Einmalige in ihnen in adäquater Weise zu begreifen, bzw. in spekulativer Manier und mittels einer für den Historiker nicht unmittelbar zugänglichen dialektischen Methode das Besondere vom Allgemeinen ableitet. Der Versuch, den geschichtlichen Prozeß und seine Dynamik aus der Logik seiner spekulativ erkannten Bewegungsgesetze zu begreifen, führt nach Ranke unvermeidbar dazu, daß das Besondere, das einzelne geschichtliche Phänomen also, sein selbständiges Leben einbüßt und eine schematische, schattenhafte Gestalt wird. Der Name Hegels wird bei dieser Kritik selten genannt.

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Notizen

  1. Dem Verhältnis Rankes zu der Hegelschen Philosophie sind mehrere Untersuchungen gewidmet worden. Vgl. z. B. E. Simon, Ranke und Hegel, Berlin 1928; E. Schulin, Die weltgeschichtliche Erfassung des Orients bei Hegel und Ranke, Göttingen 1958 sowie die einschlägigen Passagen bei M.-J. Zemlin, Geschichte zwischen Theorie und Theoria. Untersuchungen zur Geschichtsphilosophie Rankes, Köln 1985. Hegels philosophische Geschichtsauffassung wird von Ranke im Sinne eines Gegenmodells zu der eigenen intendierten Position konstruiert, ohne daß sich der Historiker um das Verstehen der Hegelschen Entwürfe wirklich bemühte. Diese Art der Auseinandersetzung mit Hegel wird zu einem nicht geringen Teil durch die damalige Frontenbildung an der Berliner Universität, in die Ranke hineingeriet, gefördert. Mehr hierzu weiter unten.

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  2. W. J. Mommsen (Hrsg.), Leopold von Ranke und die moderne Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1988, 149.

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  3. Zum “historistischen Paradigma” der Geschichtswissenschaft und zu seiner Problematisierung vgl. J. Rüsen, Für eine erneuerte Historik. Studien zur Theorie der Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1976; G. G. Iggers, Neue Geschichtswissenschaft. Vom Historismus zur Historischen Sozialwissenschaft, München 1978 und H. U. Wehler, Geschichte als historische Sozialwissenschaft, Frankfurt 21977. Zum Begriff des Historismus s. V. Steenblock, Transformationen des Historismus (Diss. Univ. Bochum).

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  4. Zu der “Historik” J. G. Droysens vgl. T. Gil, Das Handlungskonzept in der “Historik” J. G. Droysens, Diss., Münster 1981.

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  5. Zu der Arbeitsweise L. v. Rankes s. die Einleitung von W. P. Fuchs, in: Lepold von Ranke, Aus Werk und Nachlass, hrsg. v. W. P. Fuchs und Th. Schieder, Bd. 1, München 1964. (Zitiert: WuN.)

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  6. Zu dem geistigen Umfeld der Individualitätsidee vgl. H. Berding, Leopold von Ranke, in: H. U. Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. I, Göttingen 1971, 7–24.

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  7. Vgl. z. B. G. G. Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart, München 31976, 107 ff.; den bereits zitierten Artikel von H. Berding und R. Vierhaus, Ranke und die soziale Welt, Münster 1957.

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  8. Vgl. u. a. F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates, München 41919, 287.

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  9. Zur allgemeinen “Erklären-Verstehen Kontroverse” in der Geschichte der Geisteswissenschaften und heute vgl. u. a. K. O. Apel, Die Erklären:Verstehen-Kontroverse in transzendentalpragmatischer Sicht, Frankfurt 1979; K. O. Apel, J. Manninen und R. Tuomela (Hrsg.), Neue Versuche über Erklären und Verstehen, Frankfurt 1978; D. Böhler, Rekonstruktive Pragmatik, Frankfurt 1985 sowie T. Gil, Philosophie als Zivilisationskritik, in: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie, XVII/1, 1986, 161 ff. Zur Funktion von expianatorisch vorgehenden Theorien in der Geschichtswissenschaft vgl. P. Gardiner (Hrsg.), Theories of History, Glencoe, Illinois 21960 und A. C. Danto, Analytical Philosophy of History, Cambridge 1965, 201 – 232.

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  11. Vgl. R. Vierhaus, Rankes Begriff der historischen Objektivität, in: R. Koselleck, W. Mommsen, J. Rüsen (Hrsg.), Objektivität und Parteilichkeit in der Geschichtswissenschaft (Beiträge zur Historik, Bd. 1) München 1977, 72.

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  12. Vgl. Th. Carlyle, On History, in: Th. Carlyle, Selected Writings, 1986, 56 f.

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  13. Vgl. R. Vierhaus, Rankes Begriff der historischen Objektivität, 65 f. Zum Problem der historischen Objektivität im allgemeinen siehe auch die anderen Beiträge in diesem Band sowie J. Rüsen (Hrsg.), Historische Objektivität. Aufsätze zur Geschichtstheorie, Göttingen 1975.

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  14. WuN. II, 71. Zur Rankeschen Konzeption der Weitgeschichte vgl. auch die ältere, immer noch konsultationswürdige Arbeit G. Masurs “Rankes Begriff der Weltgeschichte” (München 1926).

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  15. Zum Gottesbegriff Rankes vgl. S. Backs, Dialektisches Denken in Rankes Geschichtsschreibung bis 1854, Köln 1985, 42–56 und H. Hauser, Leopold von Rankes protestantisches Geschichtsbild, Zürich 1950.

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  16. Vgl. hierzu E. Bloch, Differenzierungen im Begriff Fortschritt, in: W. Oelmüller (Hrsg.), Weiterentwicklungen des Marxismus, Darmstadt 1977, 81 – 110. Zur Problematik des Fortschritts in den einzelnen Wissenschaften s. R. W. Meyer (Hrsg.), Das Problem des Fortschritts — heute, Darmstadt 1969.

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  17. Vgl. Fichtes Werke, hrsg. von I. H. Fichte, Bd. VII, Berlin 1971, 5. Zu Fichtes Begriff der Geschichte s. R. Lauth, Der Begriff der Geschichte nach Fichte, in: Philosophisches Jahrbuch, 72, 1964 – 65, 353–384.

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  18. Vgl. S. Backs, Dialektisches Denken in Rankes Geschichtsschreibung bis 1854, 259 ff.

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  19. H. G. Gadamer, Wahrheit und Methode, Tübingen 41975, 199.

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Gil, T. (1993). Leopold von Rankes intendierte Verabschiedung der spekulativen fortschrittsorientierten Geschichtsphilosophie. In: Kritik der Geschichtsphilosophie. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04186-9_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04186-9_2

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-45028-9

  • Online ISBN: 978-3-476-04186-9

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