Zusammenfassung
Seitdem von geistigen Eliten die Rede ist, d.h. seit sie beginnen, einen Anspruch auf Autonomie zu erheben und sich als selbständige Gruppe zu etablieren, wird um ihre Legitimität heftig gestritten. Diese Debatte erreicht eine neue Qualität, als Ende des 19. Jahrhunderts auf der Grundlage tiefgreifender sozialer Veränderungen ein gewandelter Typus von Geistesarbeitern entsteht, für den sich im Frankreich der Dreyfus-Affäre die Bezeichnung “Intellektueller” durchsetzt.1) Ausgehend von Frankreich bürgert sich der Begriff in fast allen europäischen Ländem sehr schnell ein und gehört heute überall zum schlechterdings unvermeidlichen politisch-sozialen Vokabular. Trotz der öffentlichen Konsekration des Terminus hält indes die Debatte um die Intellektuellen unvermindert an. Bald wird ihnen der Prozeß gemacht, bald nachdrücklich ihre Apologie betrieben. Ziel dieser Arbeit soll es nicht sein, ein neues Glied an die Kette einer uralten Polemik zu schmieden, sondern aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ihre Motive und Begründungszusammenhänge in einem Zeitraum zu untersuchen, in dem einige der bis heute wichtigsten Positionen formuliert worden sind. Es handelt sich um die Zeit vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Ende der zwanziger Jahre.
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Notizen
Vgl. Charle, Christophe: Naissance des “intellectuels” (1880–1900), Paris 1990. Den neuen Sozialtypus “Intellektueller” sieht Charle aus einer quantitativen Explosion des intellektuellen Sektors resultieren. Das traditionelle Selbstverständnis seiner Repräsentanten gerät so in eine Krise. Ihr weiterhin hohes Prestige gerät zunehmend in Widerspruch zu ihrer tatsächlichen Stellung in der sozialen Hierarchie. Die Prägung des Begriffs und die Entstehung bestimmter sozialer Praktiken erscheinen so als Versuch, die eigene Position neu zu bestimmen und einen neuen Eliteanspruch zu etablieren.
Loubet Del Bayle, Jean-Louis: Les non-conformistes des années 30, Paris 1969, S. 11.
Parsons, Talcott: “The Intellectual”, A Social Role Category, in: On Intellectuals, hrsg. von Philip Rieff, New York 1969, S. 324.
Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit, Darmstadt/Neuwied 1986. Ähnlich äußert sich auch schon Mannheim: “Schon der Humanismus wurde weitgehend von einer […] sozial sich mehr oder minder emanzipierenden Schicht getragen. […] Eine sozial sich ganz und gar abhebende Bildungsebene konstituierte sich aber erst zur Zeit des aufkommenden Bürgertums.” Ideologie und Utopie, op.cit., S. 136.
Duclos, Charles: Considerations sur les mœurs de ce siècle, Lausanne 1970, S. 311.
Rolland, Romain: Jean-Christophe, Bd. V, Evreux 1970, S. 28.
Vgl. Bering, Dietz: Die Intellektuellen. Geschichte eines Schimpfwortes, Frankfurt/Berlin/Wien 1982.
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Gipper, A. (1992). Einleitung. In: Der Intellektuelle. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04185-2_1
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