Zusammenfassung
Wenn auch die Eigenart jedes Volkes und jeder Epoche und stärker noch Temperament, Interessenrichtung und Begabung der Erzählerpersönlichkeit das Gesicht der Erzählungen mitbestimmten, so ergibt ein Vergleich der im Laufe der letzten Jahrhunderte zutage getretenen Märchen doch, daß über die nationalen, zeitlichen und individuellen Verschiedenheiten hinweg den europäischen Volksmärchen manche gemeinsame Züge eignen, so daß von einem Grundtyp des europäischen Volksmärchens gesprochen werden kann. Er muß als Idealtyp aufgefaßt werden; die einzelnen Erzählungen umkreisen ihn, nähern sich ihm, ohne ihn je ganz zu erreichen. Das europäische Volksmärchen kennzeichnet sich in der Hauptsache durch die Neigung zu einem bestimmten Personal, Requisitenbestand und Handlungsablauf und durch die Neigung zu einer bestimmten Darstellungsart (Stil).
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Literatur
Axel Olrik, Epische Gesetze der Volksdichtung, ZfdA 51, 1909, S. 1–12 (Wiederholung, Dreizahl, szenische Zweiheit, Gegensatz, Achtergewicht, Einsträngigkeit, Schematisierung; Eigenschaft spricht sich in Handlung aus; Konzentration um eine Hauptperson u.a.). Olriks Aufsatz, der geradezu klassische Geltung erlangt hat, wird scharf kritisiert von A. von Gennep, in: La Formation des Légendes, Paris 1910, S. 287–290, 326: »Les prétendues lois épiques, d’Axel Olrik: ce sont des techniques formelles, des rouages isolés arbitrairement.«
W. A. Berendsohn, Grundformen volkstümlicher Erzählerkunst, 1921 (21968): Zweiteiligkeit §29, S. 35; derselbe, Epische Gesetze der Volksdichtung, HDM S. 566–572.
Panzer, Märchen in: J. Meier, Dt. Volkskunde, S. 225ff.
Propp, passim.
Lüthi S. 69–75 (Universalität, Welthaltigkeit), 115–121 (Auseinandersetzung mit Propp); derselbe, Volksliteratur und Hochliteratur, 1970, passim (Aufsätze über Thematik, Paradoxien u.a.); derselbe, Europäische Volksliteratur, Themen, Motive, Zielkräfte, in: Albert Schaefer (Herausgeber), Weltliteratur und Volksliteratur, 1972, S. 55–79; derselbe, Ästhetik S. 131–150 (Ironie und Konträrironie S. 145–148, 187, mißglückende Vorund Nachahmung S. 111–120, s.a. Register); derselbe, Ironien in der Volkserzählung, in den Akten des VI International Congress for Folk Narrative Research 1974, Helsinki 1976, p. 67–74; vgl. a. unten S. 126ff.
Röhrich S. 232–242 (Themen des Märchens).
Felix Karlinger, Zauberschlaf und Entrückung. Zur Problematik des Motivs der Jenseitszeit in der Volkserzählung, Wien 1986.
A. Genzel, Die Helfer und Schädiger des Helden im deutschen Volksmärchen, Diss. (Masch.) Leipzig 1922.
Propp S. 31–70, 79–90, p. 35–85, 96–111.
Lüthi, Ästhetik S. 152–167; derselbe, Die Gabe im Märchen und in der Sage, Diss. Bern 1943, passim.
Katalin Horn, Der aktive und der passive Märchenheld, Basel 1983.
Hans-Jörg Uther, Zur Bedeutung und Funktion dienstbarer Geister in Märchen und Sage, in: Fabula 28, 1987, S. 227–244.
Die oben S. 26 f. genannten Arbeiten von Olrik, Berendsohn, Panzer, Lüthi, ferner A. Olrik, Nagle Grundsaetningar for Sagnforskning, Købnhavn 1921;
M. Lüthi, Volksmärchen und Volkssage. Zwei Grundformen erzählender Dichtung, Bern 31975 (Aufsätze); S. Thompson, Formel, HDM S. 160–164;
R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen, 1900; Mackensen S. 305–318.
Katalin Horn, Das Große im Kleinen. Eine märchenspezifische Übertreibung, in: Fabula 22, 1981, S. 250–271.
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Lüthi, M. (1990). Wesenszüge des europäischen Volksmärchens. In: Märchen. Sammlung Metzler. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04152-4_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04152-4_4
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-18016-2
Online ISBN: 978-3-476-04152-4
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