Science-Fiction

Zusammenfassung

Nach der Veröffentlichung seines ersten Romans hat Brinkmann keine erzählende Prosa mehr geschrieben. Auch das zweite Romanprojekt, von dem er in den siebziger Jahren immer wieder spricht, bleibt unausgeführt. An seine Stelle tritt die Auseinandersetzung mit der Gattung selber, deren grundsätzlicher Charakter sehr schnell die Grenzen rein gattungspoetischer Überlegungen sprengt. In den wenigen, kurzen Texten, die in den Jahren 1969 – 1974 entstehen und die der Band Der Film in Worten versammelt, bedient sich Brinkmann der literarischen Form des Essays. In dieser Mischform findet er das adäquate Medium für seine »science-fiction«-Texte, die literarische, d.h. fiktionale Elemente mit wissenschaftlichen Theoremen und Forschungsergebnissen ineinander komponieren. Mit der wechselseitigen Durchdringung von Wissenschaft und Literatur erschafft sich Brinkmann ein Reflexions- und Ausdrucksmedium, das die Konkurrenz der getrennten Diskurssysteme überwindet. Wenn Brinkmann hier den literarischen Diskurs an den wissenschaftlichen anbindet, so tut er dies mit der Absicht, den Methodenzwang des wissenschaftlichen Denkens durch die Regellosigkeit des subjektiven Sprechens zu zersetzen. Aber nicht um abstrakte Denksysteme, um die Systemzwänge der Sprache geht es Brinkmann in letzter Konsequenz, sondern um die Bewältigung physischer und psychischer Verletzungen des Individuums, um die Befreiung aus den konditionierten sprachlichen Reiz-Reaktions-Schemata als Produzenten des individuell erfahrenen Leidensdrucks, der die Individuen bis in ihre physische Verfassung hinein schädigt: »Unsinnig ist doch, und zugleich grausam, mechanisch, daß Ich-Empfindungen, Selbst-Gefühle, das Bewußtsein von einem Selbst erst dann aufkommen, sobald Schmerz empfunden wird«.