Wiederentdeckung der Subjektivität: Entwicklungslinien der Lyrik

Zusammenfassung

Der programmatische Titel des ersten Lyrikbandes »Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt« suggeriert einen Verweisungszusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Erfahrungswirklichkeit und subjektiven Empfindungen, den die dort versammelten Texte nicht bestätigen wollen und wohl auch nicht können. Vielmehr verschreiben sie sich fast durchweg einem sprachexperimentellen Verfahren, das bestimmte grammatische Modelle oder eingeschliffene Redeweisen und Redewendungen demonstrierend vorführt. Als hervorstechende Beispiele lassen sich dafür »Der Rand der Wörter 1« (IAI 31), »Der Rand der Wörter 2« (IAI 104), »Die verkehrte Welt« (IAI 32–35), die »Abstraktion von dem Ball, der in den Fluß gefallen ist« (IAI 40–42) oder »Veränderungen im Lauf des Tages« (IAI 49–52) und schließlich die »Wortfamilie« (IAI 99–103) anführen. Dieses Hervortreten des Experimentellen und Formalistischen, das einen Kritiker zu der Bemerkung bringt, Handke komme »in seinen Texten einfach nicht vor« (ÜH 60), weist allerdings nicht nur auf die Formelhaftigkeit der vorgeführten Sprache, die manche Interpreten als Hinweis auf eine grundsätzliche Entfremdung in der Sprache ansehen (Nägele/Voris 109). Vielmehr zeigen die lyrischen Texte, die wie die frühen Sprechstücke und die frühe Prosa immer wieder daran erinnern, daß alle Literatur schon Sekundärliteratur geworden ist (ÜH 61), nicht nur die sprachbestimmenden Regeln und Klischees, sondern sie machen diese zugleich produktiv (ÜH 58), sie entwerfen den Spielraum eines poetischen Ich.