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Forscherwissen

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Wissen und Handeln
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Zusammenfassung

Oben wurde dargelegt, daß Tugenden gute Erklärungsgründe für anerkennenswertes Handeln abgeben. In diesem Zusammenhang haben wir unreflektiert von einem Wissensbegriff Gebrauch gemacht, der sich mit der Vorstellung von individuellem Agieren verträgt. Wissen ist der wichtigste Erklärungsgrund erfolgreichen Forscherhandelns, ein Zusammenhang, der im 4. Kapitel genauer auszuweisen sein wird. Zuvor gilt es, den Begriff des Wissens selbst als Kompetenzbegriff zu sichern, und zwar auf eine andere Weise als es zuweilen bereits geschieht. Wenig kümmern muß uns die gängige handlungsbezogene Vorstellung vom Wissen als einem praktischen Können. Auch wissenschaftliches Können umfaßt Fähigkeiten, die sich — soweit sie stabile Dispositionen sind — als Tugenden begreifen lassen, und das ›implizite‹ Wissen des Experimentators beispielsweise bündelt dessen praktische Kompetenzen. Aber Wissenschaft geht nicht in halb- oder gar unbewußten Kniffen auf, wenngleich deren Bedeutung im Kontext wissenssichernder Praktiken, speziell im Beobachtungsund Experimentierwesen, nicht gering geschätzt werden sollte. Mit der Ausrichtung an praktischen Fertigkeiten — und seien sie noch so nützlich — wird Wissenschaft in ihren weitaus imposanteren ›expliziten‹ Zügen verfehlt. Wenn wir etwa davon sprechen, daß eine zutreffende Beobachtung empirisches Wissen schafft und eine weitausgreifende Gesetzesaussage Wissen wiedergibt, meinen wir kein ›Gewußt-Wie‹, sondern ein ›Wissen-Daß‹. In der Folge wird versucht, die Ausrichtung an Wissen in diesem Sinne gegenüber widerstrebenden Auffassungen zu verteidigen und zu schärfen. Darauf bauend können im nächsten Schritt die Verbindungen zu den Ideen einer tugendhaften Einführung des Neuen und eines tugendbestimmten wissenschaftlichen Fortschritts hergestellt werden.

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Anmerkungen

  1. So noch jüngst die sonst gelungene Einführung von Klee, R., Introduction to the Philosophy of Science — Cutting Nature at Its Seams, Oxford 1997. Dort nimmt das Glossar dankenswerte Rücksicht auf herkömmliche Vorstellungen: »Epistemology is one of the five traditional subfields of philosophy. An epistemological issue is one that in some way has to do with knowledge: what knowledge is, how it is arrived at, its different sources, what forms it takes under what circumstances, how one justifies a claim to know something, how knowledge differs from accidently true opinion, and so on« (S. 243). Der anschließende Index weist aus, was von diesem Stoff im Haupttext übrig bleibt: Der Begriff ›knowledge‹ fehlt ganz und unter ›epistemology‹ heißt es schlicht »see Theories, scientific; epistemological aspects of« (S. 254). Wer dem Hinweis folgt, findet denn auch nichts anderes als Themen von der Art der Duhem-Quine-These, der Berechtigung des Realismus usw.

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  2. S. insbesondere Poppers Projekt der Aufhebung herkömmlicher Theorie des ›erkennenden Subjekts‹ in einer spekulativen Ontologie (Drei-Welten-Lehre).

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  3. Larvor, B., »History, Role in the Philosophy of Science«, in: Newton-Smith, W. H., (Hg.), A Companion to the Philosophy of Science, Oxford 2000, S. 154–161, S. 160: ähnlich unausgewiesen die Einschätzung von »Wissenschaft als Paradigma des Wissens« bei Agazzi, Das Gute, S. 29 ff.

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  4. Rogers, G. A. J., »Locke«, in: Newton-Smith, Companion, S. 229–232.

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  5. Gooding, D. C., »Experiment«, in: Newton-Smith, Companion, S. 117–26, S. 122.

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  6. Bei de Finetti selbst wird der Grad des Überzeugtseins (›degree of belief‹) mit einer Kohärenzforderung verbunden, so daß die Überlegungen in einer Überzeugtheitsnorm münden. Vgl. den Überblick bei Stegmüller, W., Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Bd. 4, Personelle und Statistische Wahrscheinlichkeit, Berlin 1973, S. 65 ff.

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  7. »These priors [sc. prior probabilities] are my own estimate of what a typical scientist, at the time, would have given as an estimate of the probability. They are not the actual or estimated judgment of any particular scientist. […] I believe that in the practice of science the estimates of the priors do not differ by enough to prevent the scientific community from agreeing on the best confirmed or supported hypothesis, given a reasonable evidence.« Franklin, A., Experiment, Right or Wrong, Cambridge 1990, S. 101.

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  8. Pais, A., ›Raffiniert ist der Herrgott …‹ Albert Einstein — Eine wissenschaftliche Biographie, engl. 1982, übers. v. R. Sexl u. a., Braunschweig/Wiesbaden, 1986, Kap. III, 6b, S. 115–126.

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  9. Vgl. etwa den Titel von Poppers bekanntem Aufsatz »Truth, Rationality and the Growth of Scientific Knowledge« und der Anthologien Criticism and the Growth of Scientific Knowledge (Lakatos/Musgrave) und Scientific Knowledge (Kourany). S. auch die soziologistische Gegenseite: Barnes, B. u. a., Scientific Knowledge — A Sociological Analysis, Chicago 1996. Daß man bei Übersetzungen in den ersten beiden Fällen den Ausdruck ›wissenschaftliche Erkenntnis‹ meidet und statt vom Wachstum wissenschaftlicher Erkenntnis von Erkenntnisfortschritt spricht, mag daran liegen, daß der Ausdruck ›wissenschaftliche Erkenntnis‹ für manchen Sprecher etwas Pathetisch-Endgültiges konnotiert, das nicht zur Vorstellung von Wissenschaft in flux paßt.

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  10. Vgl. z. B. die Inanspruchnahme von physikalischer Gesetzeskenntnis bei Einstein, A. u. Infeld, L., The Evolution of Physics, Cambridge 1938, S. 224.

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  11. Das Bild ist außer der History of the Inductive Sciences (1837) und der Philosophy of the Inductive Sciences (1840) auch den Principles of the English University Education (1837) und Of a Liberal Education in General (1845) vorangestellt. Dazu s. Williams, P., »Passing on the Torch: Whewell’s Philosophy and the Principles of English University Education«, in: Fisch, M., u. Schaffer, S., (Hg.), William Whewell — A Composite Portrait, Oxford 1991, S. 117–147. Zum Motiv vgl. »Vicissim traditur« in: Schöne, A., u. Henkel, A., Emblemata — Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Stuttgart 1967, S. 1379 f.

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  12. Nach Hekataios von Abdera hat bereits Hermes (Thot) die gebildetesten Griechen nach Ägypten kommen lassen, um dort etwas zu lernen. Mitgeteilt bei Diodor 1, 16. Daß dies in der Konkretheit vermutlich ptolemäische Kulturpropaganda ist, hebt die immergrüne Gedankenfigur nicht auf.

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  13. Der Kuriosität halber sei erwähnt, daß der Vater eines späteren Direktors des Jardin Royal seinen Sohn unmittelbar nach der Geburt mit der wissenschaftlichen Sozialisation beginnen ließ: »Dès eut les yeux ouverts, il vit qu’on estimoit les Savans […]«. Fontenelle, B. de, »Eloge de Monsieur du Fay«, Œuvres, Bd. 7, S. 317–329, S. 318.

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  14. S. Fontenelle, B. de, »Eloge de Monsieur Viviani«, Œuvres, Bd. 6, S. 81–93, S. 81. Den Hintergrund von Galileis für den modernen Betrachter nicht sonderlich originell wirkender Forderung bildet eines der faszinierendsten Momente der sog. Wissenschaftlichen Revolution, die Aufwertung der Mathematik. Das besonders mit den Bemühungen Clavius’ im Collegium Romanum verbundene Projekt der Neupositionierung der Mathematik sowohl was den Lehrbetrieb anging als auch hinsichtlich ihres Erkenntnisanspruches findet seinen Niederschlag in der maßgeblichen Ausbildungsordnung, Clavius’ Ratio studiorum (1599), sowie in De mathematicorum natura dissertatio (1615) seines Schülers Josephus Blancanus, die der Geometrie causae formalis und causae materialis zuschreibt. Überblicke hierüber geben Wallace, W. A., Galileo and His Sources: The Heritage of the Collegio Romano in Galileo’s Science, Princeton 1984, S. 136 ff., und Dear, P., »Jesuit Mathematical Science and the Reconstitution of Experience in the Early Seventeenth Century«, Studies in History and Philosophy of Science 18/1987, S. 133–175.

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  15. Diese gedankliche Figur setzt sich bis in die neueste Literatur hinein fort und findet sich oft auch dort, wo nicht mehr nur Theorie-Evidenz-Relationen zur Debatte stehen. Rothbart, D., Explaining the Growth of Scientific Knowledge: Metaphors, Models, and Meanings, New York 1997, beginnt in vermeintlicher Selbstverständlichkeit nicht mit der Frage, was wissenschaftliches Wissen sei, sondern erläutert den Modellbegriff. Die Frage nach menschlichen Überzeugungen ergibt sich dann eher en passant im Kapitel 4, wo es um den Umgang mit technischen Gerätschaften geht (»The Epistemology of a Spectrometer«). Sogar dort, wo die Problemvorgabe es zu verbieten scheint, epistemische Zustände zu reduzieren, gelingt es noch, sie vom Kopf auf die Füße zu stellen. Aus Kuhns revolutionären Veränderung der Forschereinstellungen wird eine forscherlose »Paradigm driven Science« (Kap. 5).

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  16. Wegweisend war der Versuch von Barwise, J., u. Perry, J., Situations and Attitudes, Cambridge/Mass. 1983, bes. Kap. 6–8.

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  17. In der zweiten Auflage einer verbreiteten Handreichung heißt es in diesem Sinne u. a. »[…] an individual’s knowledge properly enters the domain of science only after it is presented to others in such a fashion that they can independently judge its validity. This process occurs in many different ways. Researchers talk to their colleagues and supervisors in laboratories, in hallways, and over the telephone. They trade data and speculations over computer networks. They give presentations at seminars and conferences. They write up their results and send them to scientific journals, which in turn send the papers to be scrutinized by reviewers [etc.]. In the process, individual knowledge is gradually converted into generally accepted knowledge.« Committee on Science, Engineering, and Public Policy u. a., On Being a Scientist, 2. Aufl. Washington 1994, Introduction, unpag. Die Phrase ›knowledge of researchers‹ statt ›scientific knowledge‹ verwendet etwa das ambitionierte ›Weiße Papier‹ des Dänischen Ministeriums für Forschung und Informationstechnologie: Forskningsministeriet, Research in Perspective, Kopenhagen 1995, Kap. 4, passim. Für den deutschen Ausdruck ›Forscherwissen‹ gibt es bisher lediglich sporadische Verwendungen. S. etwa die politischen Stellungnahmen der Garchinger Physiker zur Erstellung der Neutronenquelle FRM-II: Artus, G. u. a., Wir wollen Zukunft für Wissenschaft in unserem Land!, Garching 1999, in der — was vom Sprachgebrauch ganz auf der Linie der weiteren Erörterung in diesem Kapitel liegt — auf die »Kontinuität des Wissensflusses von einer Forschergeneration zur nächsten« abgehoben wird und die Sorge zum Ausdruck kommt, daß das »enorme Wissen der [älteren] Neutronenforscher« nicht weitergegeben werden könne, da diese Generation aus Altersgründen bald aus der aktiven Forschung ausscheide und der »Wissensverlust für die deutsche Neutronenforschung« beträchtlich wäre. Es gibt vergleichsweise wenig Verständnis für den hier sichtbaren Typus von Argumentationen, und ihren inzwischen eingetretenen Erfolg dürften die Garchinger Physiker eher diffusen politischen Hoffnungen auf technischen Nutzen verdanken. Vgl. dagegen die entschiedene Personalisierung des Wissenstransfers bei Hutchinson, J., u. Huberman, M., Knowledge Dissemination and Use in Science and Mathematics Education: A Literature Review, (National Science Foundation Report, NSF 9375), Washington 1993.

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  18. Es gilt etwa: »our knowledge of the conditions of the motion of agitation is more complete than our knowledge of electrolysis« oder »full explanation [sc. of the law of molecular specific heats] depends on a more perfect knowledge of the internal structure of a molecule than we as yet possess«. Maxwell, J. C., »On the Dynamical Evidence of the Molecular Constitution of Bodies«, Journal of the Chemical Society of London 28/1875, S. 493–508; Faksimile in Nye, M. J., The Question of the Atom, Los Angeles 1984. Vgl. auch die häufige Begründungsfloskel des Nobelpreiskomittees »for his [her] contributions to the knowledge […]«. Bezeichnend ist auch die von jeglicher erkenntnistheoretischer Einschränkung freie reflexive Verwendung im Blick auf wissenschaftliche Täuschungen, Irrtümer usw. Vgl. die Auseinandersetzung von Renate Mayntz mit dem Fall Brach/Herrmann: »Ich will mich hier nicht einlassen auf eine Diskussion über ›Wahrheit‹. Wissenschaftliche Aussagen können kaum Wahrheit in einem absoluten, abbildhaften Sinn beanspruchen; Ziel kann nur sein, hic et nunc nach bestem Wissen und Gewissen zutreffende Aussagen zu machen. ›Nach bestem Wissen und Gewissem‹ — das heißt, daß der Forscher unter Einhaltung der »Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis« gearbeitet hat.« (Betrug in der Wissenschaft — Randerscheinung oder wachsendes Problem? — Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Working Paper 99/4, April 1999, unpag.).

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  19. Vgl. in der neueren Literatur besonders nachdrücklich Dretske, F., »Conclusive Reasons«, Australasian Journal of Philosophy 49/1971, S. 1–22.

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  20. Vgl. Goldman, A. I., Epistemology and Cognition, Cambridge/Mass. 1986, S. 89 ff.

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  21. Der Begriff der Verläßlichkeit findet zunehmend wissenschaftstheoretische Verbreitung, und zwar unberührt davon, ob eine Gemeinschaft mit dem erkenntnistheoretischen Reliabilismus hergestellt wird. Kelly, K. T., The Logic of Reliable Inquiry, Oxford 1996, behandelt logische Verläßlichkeit, d. h. in erster Linie Verfahren, die mehr oder minder garantierende Erweiterungsschlüsse aus gegebenen Prämissen erlauben, und verknüpft das klassische Induktionsproblem mit der Formalen Lerntheorie. Etwas näher am Stoff reliabilistischer Epistemologie u. a. liegen verschiedene Beiträge, die unter dem Sektionstitel »Evidence, Data Generation, and Scientific Practice: Toward A Reliabilist Philosophy of Experiment« beim Sixteenth Biennial Meeting der Philosophy of Science Association 1998 Kansas City, October 22–25, vorgetragen wurden. (Veröffentlichung angekündigt). Auf Verträglichkeit seines Ansatzes mit reliablistischen Argumentationen zielt auch Jardine, N., The Fortunes of Inquiry, Oxford 1986, S. 95 ff. Die engsten Nachbarschaftsverhältnisse zur nachstehenden Argumentation, soweit sie im engen Bereich der Auszeichnung von Wissen bleibt, bilden Goldman, Knowledge, Kap. 8, (›Science‹), sowie Papineau, Naturalism, Kap. 5, u. ders., Science and Truth. Zu den Defiziten beider Konzeptionen unter den Aspekten der Einführung von Neuem und der Theorienwahl s. die Bemerkungen in der Einleitung (oben).

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  22. Vgl. unter diesem Aspekt die Schlußfolgerung bei Unger, P., Ignorance: A Case for Scepticism, Oxford 1975: Gewißheit ist nie verbürgt — Wissen erfordert Gewißheit — Ergo gibt es kein Wissen. Dazu s. Weintraub, R., »Epistemology without Knowledge?«, Ratio (New Series) 4/1991, S. 156–66.

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  23. Nicht zu verwechseln mit Goldman, A. I., »Strong and Weak Justification« (1988), abgedr. in: ders., Liaisons, S. 127–41. Goldmans ›schwache Rechtfertigung‹ ist im wesentlichen ein rein subjektiver Ausweis, dem u. a. damit Genüge getan ist, daß eine Person glaubt, einen verläßlichen Erkenntnisprozeß begleitet zu haben. Zu den Eigenarten der oben favorisierten (›schwachen‹) ›innerweltlichen‹ Rechtfertigung gehört, daß sie den genius malignus nicht abblockt. Dies scheint mir hinzunehmen, weil es für die vorliegende Argumentation ausreicht, daß Forschung sich ›innerweltlich‹ auszeichnet. Was eine mögliche Anbindung an klassische philosophische Auffassung angeht, so ist unschwer zu erkennen, daß es Parallelen zu Lockes Umgang mit Ideen gibt. Dies gilt speziell für die vorgeschlagene Behandlung des Intersubjektivitätsproblems (s. unten Abschnitt 3.2.5).

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  24. Einsteins Realismus ist vielgestaltig und schillert zwischen der Idee der mit zunehmender Einfachheit verbundenen Entwicklung eines wahren »Gedankensystems« (z. B. Einstein, A., »Physik und Realität«, (1936), abgedr. in: ders, Aus meinen späten Jahren, Frankfurt/M. 1990, S. 63–106) und der eines perspektivischen Realismus, demzufolge verschiedene theoretische Auffassungen jeweils verschiedene Momente der Realität erfassen (vgl. den Brief an Moritz Schlick v. 21.5.1917, zit. in Howard, D., »Realism and Conventionalism in Einstein’s Philosophy of Science: The Einstein-Schlick Correspondance«, Philosophia Naturalis 21/1984, S. 616–29, S. 619). Überblick dazu bei Charpa, U., u. Grunwald, A., Albert Einstein, Frankfurt/M. 1993, S. 103–18. Bezeichnend für die sich hier auftuenden Schwierigkeiten ist die im einzelnen durchaus gut nachzuzeichnende Kennzeichnung von Einsteins Philosophie als »Kombination von materialistischem, essentialistischem, deterministischem, kritischem, prorationalistischem und konvergentem Realismus«. Polikarov, A., »Über den Charakter von Einsteins philosophischem Realismus«, Philosophia Naturalis 26/1989, S. 135–58, S. 149. In welchem Sinne hat nun Einstein an die Wahrheit einer bzw. seiner Theorie geglaubt?

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  25. »Scientist’s are […] very sceptical even of their best theories. Newton’s is the most powerful theory science has yet produced, but Newton himself never believed that bodies attract each other at a distance. So no degree of commitment to beliefs makes them knowledge«, Lakatos, I., »Science and Pseudoscience«, in: ders., Scientific Papers, Bd. 1, hg. v. J. Worrall u. G. Currie, Cambridge 1977, S. 1–7, S. 1.

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  26. Brief an die Eltern v. 31.7.1882, zit. nach Fölsing, A., Heinrich Hertz — Eine Biographie, Hamburg 1997, S. 165.

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  27. S. dazu Capurro, R., Information — Ein Beitrag zur etymologischen und ideengeschichtlichen Begründung des Informationsbegriffs, München 1978.

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  28. Ich benutze hier eine Allerweltsunterscheidung, die mit dem Verständnis von Information als ›Sache‹ zusammenfällt, was am ehesten dem Umgang mit dem Begriff in entwickelten Ansätzen der Theoretischen Physik (als Organisationmaß) entsprechen mag. Eine gewisse architektonische Übereinstimmung besteht zwischen dem Allerweltsverständnis und den Konzeptionen der sog. informationellen Semantik, die ›Information‹ als Grundbegriff verwenden, auf dem der des Wissens beruht. Informationen sind hier cum grano salis geistunabhängige Verknüpfungen zwischen einem Zeichen bzw. Signal und dem, wofür es steht, z. B. zwischen einem Hinweisschild mit dem entsprechenden Symbol und einem auf diese Weise angezeigten Fußgängerüberweg. Wissen entsteht im Zuge der Transformation solcher Informationen in Bedeutung (meaning). S. allgemein Dretske, F., Knowledge and the Flow of Information, Cambridge/Mass. 1981. Auf die Unterscheidung beziehen sich auch praktisch orientierte Theorien der Informationswissenschaft, mit der Konsequenz, daß z. B. Bibliotheken angehalten sind, Bücher so effektiv zu ordnen und inhaltsbezogen zu registrieren, daß Wissensbildung erleichtert wird. Vgl. die Stellungnahme gegen die Welt3-Konzeption Poppers, in der die Differenz von menschlichem Wissen und Information verdeckt werde, im Anschluß an Goldman (vgl. die Kapitel 6 u. 7 in Goldman, Knowledge) von Budd, J. D., »The Information Professions as Knowledge Professions«, Vortrag Konferenz Information Specialists for the 21st Century, 14./15.10., Hannover 1999. Diese Sichtweise kongruiert mit einer traditionshaltigen personalistischen Betrachtung, wie sie Raabe, P., Die Bibliothek als humane Anstalt betrachtet — Plädoyer für die Zukunft der Buchkultur, Stuttgart 1986, anstellt. Bibliothekarisches Wissen, ob als herkömmliches Gedächtniswissen oder als maschinell vermittelte Strukturgebung von Informationsspeichern, ist Wissen von Bibliothekaren. Die vorgenommene Abhebung des Wissens von Information schließt die Anerkennung der Autonomie der Informationstheorie ein, die wesentlich auf der Anwendung der mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie beruht. Ich gehe davon aus, daß der Begriff der Information in vielen derzeitigen Formulierungen gleichermaßen verwischt wird wie der des Wissens.

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  29. In deutlicher Entsprechung zum ersten Satz der Metaphysik des Aristoteles schreibt Fontenelle: »Il [l’esprit] veut savoir; tout ce qui peut-être connu lui est nécessaire […].« Aber wie gelangt man zu diesem Wissen? Für Fontenelle ist dies »dans les plus sèches et les plus épineuses recherches«. »Préface«, S. 44.

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  30. S. dazu den Hinweis auf die Bedeutung von »individual scientist’s capacity« beim Umgang mit Informationen aus dem Weltweiten Netz bei Hoven, M. J., van den, »Ethics, Social Epistemics, Electronic Communication and Scientific Research«, European Review 7/1999, S. 341–48. Angesichts der neuen Problemlast für Wissenschaftler liegt die Absurdität von Thesen wie der, man könne Kindern zu bemerkenswertem Wissen verhelfen, indem man ihnen die Bedienung einer Internet-Suchmaschine beibringt, auf der Hand.

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  31. Vgl. im Unterschied etwa Grupp, H., Messung und Erklärung technischen Wandels — Grundzüge einer empirischen Innovationökonomik, Berlin 1997.

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  32. Zemanek, H., Information und Ingenieurwissenschaft«, in: Folberth, O., u. Hackl, C., (Hg.), Der Informationsbegriff in Technik und Wissenschaft, München 1986, S. 17–52.

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  33. Vgl. Fontenelle, B. de, »Éloge de Monsieur Boerhaave«, in: ders., Œuvres, Bd. 7, S. 285–98, S. 290.

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  34. Dazu Rescher, N., Die Grenzen der Wissenschaft, engl. 1984, übers. v. L. B. Puntel, Stuttgart 1985, Kap. X; allgemeiner ders., Economy.

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  35. Vgl. als Zugänge die Sammlungen von Carruthers, P. u. Smith, P., Theories of Theories of Mind. Cambridge 1996; Davies, M. u. Stone, T., (Hg.), Folk Psychology: The Theory of Mind Debate, Oxford 1995; Stich, S.P., (Hg.), Deconstructing the Mind, Oxford 1996. Wichtig ist für die folgende Darstellung, daß nicht notwendig grundsätzliche Entscheidungen zu treffen sind, wenn wir zu Entfaltungszwecken einer alltagsmentalistischen Betrachtungsweise Raum geben. Vgl. die Entlastung bei Tetens, H., Geist, Gehirn, Maschine — Philosophische Versuche über ihren Zusammenhang, Stuttgart 1994, S. 22 ff.

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  36. »[…] there is no necessary or deep individuative relation between the individual’s being in states of those [sc. mental] kinds and the nature of the individual’s physical or social environments«. Bürge, T., »Individualism and Psychology«, Philosophical Review 95/1986, S. 3–45, S. 4.

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  37. Das bekannte Argument ist Putnams (Die Bedeutung von ›Bedeutung‹, engl. 1975, übers. v. W. Spohn, Frankfurt/M. 1979, S. 31 ff.) Beispiel: Ein Erdling und ein Bewohner einer Zwillingserde, die sich physikalisch in nichts unterscheiden, können dennoch mental differieren. Der Erdling hätte z. B. einen Gedanken über Wasser im Sinne von H2O, wohingegen der Zwillingserdling einen Stoff XYZ damit verbinden könnte, wenn seine Umwelt entsprechend beschaffen wäre und XYZ dort die entsprechenden Funktionen wahrnähme. Stephen Stich (Stich, S. P., From Folk Psychology to Cognitive Science: The Case against Belief, Cambridge/Mass. 1983, S. 63 f.) und andere Autoren führen Beispiele aus, bei denen die Vergleichssubjekte nicht völlig, sondern lediglich in wichtigen Hinsichten gleich sind.

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  38. »That is one reason why individualists draw the line where they do. The whole subject is the largest candidate for the supervenience base because it is the largest integrated system available«. Segal, G., »Defence of a Reasonable Individualism«, Mind 100/1991, S. 485–94. Segals Beschreibung ist nicht polemisch. Stich schreibt von »conceptually complex hybrids« in denen sich sich eine autonome (interne) Komponente mit kontextuellen Gegebenheiten verbinde. Stich, Folk Psychology, S. 168 ff.

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  39. Vgl. Davies, M., »Externality, Psychological Explanation, and Narrow content«, Proceedings of the Aristotelian Society 60/1986, S. 263–83.

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  40. Das Problem der disziplinären Eingrenzung bleibt hier offen. Ein sog. starkes Programm nach dem soziologischen Vorbild der Edinburgh-Gruppe vertritt Freedman, E. G., »Understanding Scientific Discourse: A Strong Programme for the Cognitive Psychology of Science«, Theory and Review 1997 (nur elektronisch: http://www.gemstate.net/susan/Eric/eric.htm; eingesehen am 1.10.1998). Ich halte ein solches Programm für fruchtbarer als den soziologistischen Ansatz, weise aber darauf hin, daß auch ein psychologisch angesetztes sog. starkes Programm wissenschaftstheoretisch gesehen ein schwaches ist. Die klassische wissenschaftstheoretische Erklärungsaufgabe beruht auf Kontrastierungen des Inhalts ›Warum ist eine gute wissenschaftliche Theorie prognostisch erfolgreicher als eine schlechte, nicht zu reden von Allerweltshypothesen?‹ Zu erklären ist wissenschaftlicher Fortschritt, so daß die Individualität der Repräsentation nur — wie es im weiteren auch geschieht — als integrales Moment des Fortschreitens aufgefaßt wird. Sehr plausibel ist hingegen die Annahme, daß individualpsychologische Überlegungen zur Erklärung von Dissens beitragen können (s. Freedman, E. G., »Understanding Scientific Controversies from a Computational Perspective: The Case of Latent Learning«, in: Giere, R. N., (Hg.), Cognitive Models of Science, Minneapolis 1992, S. 310–337). So empfiehlt es sich durchaus in einer parasitären philosophischen Haltung zu verbleiben, die psychologische Überlegungen bei Bedarf nutzt (s. parallel auch den frühen Prospekt der Sozialwissenschaftler Mitroff, I., u. Kilmann, R. H., »Systematic Knowledge — Toward an Integrated Theory of Science«, Theory and Society 4/1977, S. 103–29). Vgl. grundsätzlich zum eingeschränkten Naturalismus oben Kapitel 1.4.

  41. Von Davidson übernommene Charakterisierung von Barwise u. Perry, Situations, S. 174 ff.

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  42. Dies belegt eine uferlose Diskussion. Die meisten Ansätze sind externalistisch, d. h. sie behaupten, die ›Inhalte‹ propositionaler Einstellungen resultierten aus Interaktionen zwischen den Symbolen einer mentalen Sprache (alltagspsychologisch: Gedanken) und äußeren Objekten. Darunter sind nur einige wenige, die überhaupt den Anspruch erheben, den alltäglichen Mentalismus zu reinterpretieren, wie es die ideenorientierten Philosophien des 18. Jahrhunderts auf sich nahmen. Es geht, wo nicht ohnehin Ersetzung anvisiert wird, eher um eine Art Harmonie nach dem Motto Quines, der die Begriffe des Mentalen für »practically indispensable« (Word and Object, Cambridge/Mass. 1960, S. 219) erklärt. Auf eine Verteidigung des gewöhnlichen Mentalismus zielt der komplexe Ansatz von Jerry Fodor (»a scientific psychology that vindicates commonsense belief/desire explanation«, Psychosemantics, S. 16; s. a. den Anhang »Why There Still Has to Be a Language of Thought«), der dualistisch ausfällt, d. h. ›nahen‹ und ›weiten‹ Gehalt anerkennt. In einfacher Form zusammengefaßt, ergibt sich seinem Rekonstruktionsvorschlag zufolge etwa folgende Szene: Eine mentales Symbol, wie beispielsweise *Licht* wird durch einen leuchtenden Gegenstand hervorgerufen. Zwar können auch unpassende Gegenstände *Licht* anregen, aber dies setzt voraus, daß passende Gegenstände vorher *Licht* erzeugt haben. Aus solchen Asymmetrien entstünde schließlich das, worauf sich unser Wissen, Meinen, Glauben, Hoffen usw. bezieht. Zur Diskussion s. Loewer, B., u. Rey, G., (Hg.), Meaning in Mind: Fodor and his Critics, Oxford 1990, mit ›anti-mentalesischen‹ Kritiken Dennetts u. a. Ob Fodors Ansatz tatsächlich mit unseren gewöhnlichen Erfahrungen mentaler Tatbestände harmoniert, sei freilich dahingestellt. Goldman, Epistemology, S. 165 ff. merkt im Blick auf die Infragestellung mentaler Zustände an, daß die Kritik des Alltagsmentalismus sich wesentlich daraus speise, daß dieser als eine Theorie behandelt werde, die aufgrund schwacher Leistung, etwa hinsichtlich ihres prognostischen Vermögens, zu verwerfen sei. Es handle sich aber eher um eine Sammlung von Begriffen, die ontologisch nicht deshalb problematisch sein müßten, weil sie methodologisch gesehen ihre Tücken hätten. Davon abgesehen handelt es bei der kontrastiv vorausgesetzten Erklärungskraft physikalistisch reduzierender Handlungserklärungen bislang um kaum mehr als um eine Verheißung.

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  43. Auf die Austauschbarkeit hebt die eliminativistische Strategie von Velmans, M., »Intersubjective Science«, Journal of Consciousness Studies 6/1999, S. 299–306, ab. Eine reliabilistisch hinreichende Sicherung mentalistischer Beschreibungen wird aber meines Erachtens auch erreicht, ohne sich zugunsten einer bestimmten Theorie des Bewußtseins zu entscheiden, die hierfür lediglich ein Interpretament anböte. Dies ergibt sich auch aus einer grundsätzlichen Überlegung: Eine Betrachtung, die nicht versucht, ›Wissen‹, ›Glauben‹ u. ä. ›folk‹-Begriffe aufzunehmen, sondern z. B. vollständig im Rahmen etwa der Neurophysiologie bliebe, wäre auch nicht in einem nachvollziehbaren Sinne als ›erkenntnistheoretisch‹ einzustufen, insofern ihr die begriffliche Brücke zum Traditionsunternehmen fehlte. Dies beträfe zuvorderst Churchlands Ansatz. Allerdings gilt für die weitere Darstellung eingestandenermaßen, daß wer, etwa unter konnektionistischen Prämissen, die Vorstellung vom Wissen als eine Art von ›Stücken des Geistes‹ ablehnt, die nachfolgenden alltagsmentalistischen Beschreibungen nur als bequeme Redeweisen auf einer oberflächlichen Betrachtungsebene ansehen kann.

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  44. S. die durch Computermodelle inspirierten Strukturierungsvorschläge von De Mey, M., The Cognitive Paradigm, 3. Auflage Chicago 1992.

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  45. Die meisten wissenschaftspsychologischen Untersuchungen vollziehen sich auf der Spur bekannter methodologischer Auffassungen, d. h. beziehen sich — in der Regel selbst experimentell angelegt — auf Schlußverfahren, damit zusammenhängend die Überprüfung von Hypothesen oder — wobei Simulationen eine große Rolle spielen — auf Entdeckungsverläufe (vgl. Beiträge von Campbell, Tweeney u.a in Gholson, B., u. a., (Hg.), Psychology of Science — Contribution to Metascience, Cambridge 1989). Dagegen gibt es vergleichsweise wenig Aufschlüsse hinsichtlich des Verfugens über Vorstellungen bzw. Wissen. Hingewiesen sei auf Brewer, W. F., u. Chinn, C. A., »Entrenched Beliefs, Inconsistent Information, and Knowledge Change«, in: Birnbaum, L., (Hg.), Proceedings of 1991 International Conferences on the Learning Sciences, Charlottesville 1992, S. 67–73, die zeigen, daß die Vorbehalte und Zustimmungen ›normaler‹ Erwachsener, die in Quanten- und Relativitätstheorie eingeführt werden, sich in der Nußschale des psychologischen Versuchs ähnlich darstellen, wie es in den entsprechenden wissenschaftsgeschichtlichen Situationen der Fall war. Auch inhaltlich deutet sich möglicherweise so etwas wie eine Tendenz zur — frei mit Haeckel gesprochen — Rekapitulation an: Ungeschult entwickelte physikalische Vorstellungen von Anfängern ähneln jenen der Impetustheorie Johannes Philoponus oder Buridans. S. McCloskey, M., »Intuitive Physics«, Scientific American 1983, Nr. 248, S. 122–130. Vgl. allgemein auch Lipmann, O. u. Bogen, H., Naive Physik, Leipzig 1923. Einen guten Überblick über das Feld verschaffen Feist, G. J. u. Gorman, M. E., »Psychology of Science: Review and Integration of a Nascent Disciplines Review of General Psychology 2/1998, S. 1–45, bes. Abschnitt 2 (»Conceptual Change in Child, Student and Scientist«). Eine erste Überblicksdarstellung, die sich auch um Bezüge zur Wissenschaftshistorie bemüht, ist derzeit in Vorbereitung: Feist, G., Origins of Science: An Introduction the Psychology of Science, New Haven, erscheint voraussichtlich 2001.

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  46. Bezeichnend sind die passivischen Überschriften der drei Kapitel einer kollektivistischen Darstellung: Shapin, S., The Scientific Revolution, Chicago 1996: »What was Known?« — »How was It Known?« — »What Was the Knowledge For?«.

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  47. Vgl. dagegen die eindeutige Kennzeichung entsprechender Eindrücke als Emotionen, die sich aus der Unübersehbarkeit von Ableitungsmöglichkeiten bzw. Anwendungsfällen einer Theorie ergeben können, in Hertz’ Leopoldina-Rede: »Man kann diese wunderbare Theorie [sc. das System der Maxwellschen Gleichungen] nicht studieren, ohne bisweilen das Gefühl zu haben, als wohne den mathematischen Formeln selbständiges Leben und eigener Verstand inne, als seien sie klüger als wir, klüger sogar als ihr Erfinder, als gäben sie uns mehr heraus, als seinerzeit in sie hineingelegt wurde. Es ist dies auch nicht geradezu unmöglich, es kann eintreten, wenn nämlich die Formeln richtig sind über das Maß dessen hinaus, was ihr Erfinder sicher wissen konnte.« Hertz, H., »Über die Beziehungen zwischen Licht und Elektrizität«. Vortrag auf der 62. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Heidelberg am 20. September 1889, abgedr. in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 1, hg. v. Ph. Lenard, Leipzig 1895, S. 339–54, S. 345 f. (Hervorhebung nicht im Original). Der sachliche Kern von Hertz Feststellung erzwingt keine apersonale Betrachtungsweise, sondern läßt sich so interpretieren, daß die Kenntnis einer Formel und ihrer anfänglichen Anwendungsmöglichkeiten sich im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts zu einem größeren Wissen der Forschungsbeteiligten auswächst.

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  48. Die Kritik mag an Vorwürfe erinnern, die gegenüber einer verbreiteten Darstellungspraxis von Ideenhistorikern erhoben worden sind: »The fact that ideas presuppose agents is very readily discounted, as the ideas get up and do battle on their own behalf«. Skinner, Q., »Meaning and Understanding in the History of Ideas«, History and Theory 8/1969, S. 3–53, S. 11.

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  49. Dawkins, R., The Selfish Gene, 2. Aufl. Oxford 1989; die Analogisierung bietet sich an, weil die Dawkins’ Argumentation zugrundeliegende Unterscheidung von ›vehicle‹ und ›replicator‹ (›Hull-Dawkins distinction‹) auch in eine einschlägige apersonale Wissenschaftstheorie eingegangen ist, in den evolutionistischen Ansatz von Hull, D., Science as a Process: An Evolutionary Account of the Social and Conceptual Development of Science, Chicago 1989.

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  50. Der nachstehend verteidigte Individualismus findet, wie im folgenden ausgeführt, seine Grenze in der Anerkennung der über-individuellen Existenz von Eigenschaften bzw. Arten und stellt somit eine sehr zurückhaltende Variante dar, die — im Gegensatz zu anderen Formen — mit der Alltagspsychologie verträglich ist und auch gegenüber Zwillingserde-Beispielen unempfindlich ist.

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  51. Eine etwas anspruchsvollere Fassung dieser Feststellung findet sich bei Lowe, E.J., Kinds of Being, Oxford 1989, S. 23 f.

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  52. Getreu Bridgmans ›Science is private science‹ wäre die Wärme, die ich mit der Hand an einer Hauswand spüre, etwa anderes als die, die den Quecksilberfaden meines Thermometers dehnt.

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  53. Um den explikativen Aufwand einzuschränken, gehe ich der Möglichkeit einer mereologischen Argumentation nicht nach, weise aber ausdrücklich darauf hin. Sie böte u. a. die Chance einer Differenzierung zwischen den Momenten und den Stücken von mentalen Ganzen. S. Smith, B., Parts and Moments — Studies in Logic and Formal Ontology, München 1982; Simons, P., Parts — A Study in Ontology, Oxford 1987; dazu jeweils einführend Charpa, U., »Neues zur Lehre von den Ganzen und Teilen«, Philosophische Rundschau 31/1984, S. 52–59, u. ders., Rez.: Simons, Parts, Philosophische Rundschau 36/1989, S. 333–337. Ungelöst bleibt in der vorgeschlagenen Gedankenführung die Frage der Fixierung von Gleichheit. Es sei auf die Schwierigkeiten von Nelson Goodmans Vorstellung eines direkten Vergleichs (The Structure of Appearance, 3. Aufl. Dordrecht 1977, S. 197) hingewiesen. Sie ist erstens auf mentale Tatbestände nicht anwendbar, zweitens zirkulär, insofern Vergleiche Paarbildung voraussetzen. Vgl. Millikan, R. G., »Perceptual Content and Fregean Myth«, Mind 100/1991, S. 441–56., S. 450. Ein Ausweg wäre vielleicht aus der ›Beste-Erklärung‹-Überlegung zu entwickeln, daß Ähnlichkeit bzw. partielle Gleichheit den besten Erklärungsgrund abgeben, wenn der alltagsbekannte Eindruck zutrifft, daß individuelle Zustände konsilient sind, etwa indem wir mit verschiedenen Sinnen dieselbe Richtung ausmachen (Peacocke, C., »Analogue Content«, Proceedings of the Aristotelian Society, Suppl. Bd. 60/1986, S. 1–17). Was wir nichtsdestoweniger festhalten können, ist der Tatbestand, daß faktische Simulationsversuche einer bestimmten Kognition sogar dann erfolgreich sein können, wenn die begrifflichen Kategorisierung different ausfällt. Zu den hinter schwankenden Konzeptualisierungen vermuteten stabilen ›modalen Symbolen‹ s. den Ansatz von Barsalou, L. W., »Perceptual Symbol Systems«, Behavioral and Brain Sciences 20/1999, S. 577–609. Vgl. auch den Umsetzungsversuch von Chen, X., u. Barker, P, »Continuity Through Revolutions: A Frame-Based Account of Conceptual Change During Scientific Revolutions, erscheint in Philosophy of Science 67/2000.

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  54. Vgl. die Überlegungen zur ›sortal dependency of identity‹ bei Wiggins, D., Sameness and Substance, Cambridge/Mass 1980, bes. Kap. 2. Musterhaft verfahren, was saubere Festlegungen angeht, die Vertreter der ›strukturalistischen‹ Wissenschaftsinterpretation (Balzer, Moulines u. a.), aber dies ist eine eher zufällig Koinzidenz. Der ›strukturalistische‹ Ansatz zielt nicht auf eine möglichst zutreffende Darstellung faktischer Forschungskomponenten, sondern auf eine freie Repräsentation, die nicht isomorph abbildet. Kein einziges faktisches Forschungselement muß einem Element der repräsentierenden Darstellung entsprechen.

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  55. Die Unterstellung synchronischer Identität steht wegen der darin enthaltenen, schon von Aristoteles (Physik 218a) bemängelten Idee von Gegenwärtigkeit ohnehin ontologisch auf schwachen Füßen. Es kann im hier interessierenden Kontext damit nichts anderes gemeint sein, als daß die in einer bestimmten Zeitspanne stattfindenden individuellen Vorgänge keine Auswirkungen auf die Identität etwa einer Theorie hätten.

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  56. Vgl. Pulte, H., »Neuere Newtoniana: Zum 350. Geburtsjahr Isaac Newtons (1643–1727)«, Journal for General Philosophy of Science 24/1993, S. 169–85. Die Darwin-Forschung belegt einen gedanklichen Evolutionismus im Kleinen mit diversen Mutationen und Anpassungsvorgängen, denen Darwins Auffassungen unterlagen, s. bes. De Beer, G. u. a., »Darwins Notebooks on Transmutation of Species«, Bulletin of the British Museum (Natural History) Historical Series, 2/1960/61, S. 27–200; 3/1967, S. 129–176.

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  57. Zur Interpretation gibt es verschiedene Wege, z. B. den von Stich beschriebenen: »A pair of belief states counts as similar along this dimension if they have similar patterns of potential causal interaction with (actual or possible) stimuli, with other (actual or possible) mental states, and with (actual or possible) behavior«. […] »The ideological [sc. doxastic] similarity of a pair of beliefs is a measure of the extent to which the beliefs are embedded in similar networks of belief«, Stich, Folk, S. 88 f. Im Anschluß an Wittgenstein aufgefaßte Ähnlichkeitsrelationen sowohl auf der Betrachter- als auch auf der Gegenstandsebene spielen eine große Rolle bei Thomas S. Kuhn, der ebenfalls den Lernaspekt besonders herausstellt. Vgl. die Rekonstruktion bei Hoyningen-Huene, Wissenschaftsphilosophie, S. 78 ff.

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  58. Locke, Essay, 3, III, 11, 25 (dort gemünzt auf den »common use«).

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  59. Zu den Ergebnissen der genaueren kognitionspsychologischen Erschließung gehört, daß die Ausgangsidee der Symmetrie im faktischen Vollzug nicht gilt. S. das sog. Asymmetrie-Prinzip von Tversky, A., »Features of Similarity«, Psychological Review 84/1977, S. 327–52, was mit der unterschiedlichen Komplexität sich ähnelnder Objekte für einen Betrachter bzw. dessen Merkmalsgewichtungen zusammenhängt. Z.B. wird ein Pappmodell des Kölner Doms als diesem ähnlicher wahrgenommen als umgekehrt der Dom im Vergleich mit dem Modell.

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  60. Die logische Einschätzung korrespondiert in kognitivistischer Betrachtung mit einem stabilen Moment der Konzeptualisierung. Dies scheint insofern gesichert, als Menschen auch dann, wenn sie über die gemeinsame Einstufung von Faktoren uneins sind, sehr wohl in der Lage sind, die abweichende Einschätzung zu simulieren und sogar in ihrer jeweiligen Plausibilität nachzuvollziehen (vgl. Barsalou, »Systems«, 2.4.5. Dies ermöglichen die biologischen Gemeinsamkeiten unserer Perzeptionsmechanismen und — in realistischer Betrachtung — die gemeinsame physische Umgebung (Newton, N., Foundations of Understanding, Philadelphia 1996.

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  61. Fontenelle, B. de »Éloge de M. le Marquis de l’Hôpital«, in: ders., Œuvre, Bd. 6, S. 95–107, S. 98. Der Problemsteller ist der damals in Groningen lehrende Johann Bernoulli, der im Text erwähnte »Bernoulli de Basle« ist sein Bruder Jakob (1654–1705). Zu letzterem s. Fontenelle, B. de, »Éloge de M. Bernoulli«, in: ders., Œuvre, Bd. 6, S. 109–121. Kanonisch als Problemvorgaben in unserem Jahrhundert sind die in dem Pariser Vortrag von David Hilbert von 1900 gestellten Aufgaben: Hilbert, D., »Mathematische Probleme«, in: ders., Gesammelte Abhandlungen, Bd. 3, Berlin 1935, S. 290–329.

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  62. Heinrich Hertz, Brief an die Eltern vom 31.5.1884, zit. Fölsing, Hertz, S. 227.

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  63. Hier liegt einer der gedanklichen Schlüssel für das Mißtrauen, das viele professionelle Wissenschaftshistoriker der Wissenschaftstheorie entgegenbringen. Vgl. die massive Kritik an Agassis und Berksons Faraday-Interpretationen: »By ignoring and denying this development of Faraday’s ideas, both authors are false to history and art. If Faraday began his career with his ideas already formed, there is little drama in his life. What makes it both exciting and inspiring is the evolution of these ideas […]«. Pearce Williams, L., »Should Philosophers be Allowed to Write History?«, British Journal for the Philosophy of Science 26/1975, S. 241–53, S. 252.

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  64. Kitcher, P., »From Neurophilosophy to Neurocomputation,« in: McCauley, J., (Hg.) The Churchlands and Their Critics, Cambridge, Mass. 1996, S. 62.

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  65. Zur Merkmalsgewichtung (im Sinne von Tversky, »Features«) in Verbindung mit Kompetenz s. die Arbeit von Hitoshi Ohnishi u. a.: »Similarity by Feature Creation: Reexamination of the Asymmetry of Similarity«, in: Proceedings of Sixteenth Annual Conference of Cognitive Science Society, Hillsdale 1994, S. 687–92.

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  66. Vgl. die Gesprächsanalyse bei Clark, H. H., u. Brennan, S. E., »Grounding in Communication, in: Resnick, D., u. a. (Hg.), Perspectives on Socially Shared Cognition, Washington 1991, S. 127–49. Wie naturalistische und apriorische Auffassungen in diesem Punkt auseinanderfallen, zeigt der Befund, wonach eine gewisse Umständlichkeit (Clark, H. H., u. Wilkes-Gibbs, D., »Referring as a Collaborative Process«, Cognition 22/1986, S. 1–39) die Chancen verbessert, einen Ähnlichkeitsraum zu sichern, wohingegen die Befolgung von Unmißverständlichkeit verheißenden ›lakonischen‹ Verständigungsmaximen (s. aus der neueren Literatur etwa Grice, H. P., Studies in the Way of Words, Cambridge/Mass. 1989) diese beeinträchtigt.

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  67. S. Hacker, K. L., u. a., »The Emergence of Task Representations in Small-Group Simulations of Scientific Reasoning«, Journal of Social Behavior and Personality 5/1990, S. 175–86.

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  68. Ich lasse offen, ob es nicht an der Basis von Wissenschaft etwas gibt, hinsichtlich dessen — wie Locke sagt — die inneren Zustände des einen »commonly the same that others have« (Locke, Essay, 3, IV, 15) sind. Eine fundamentalistische Grundlegung nach dem Muster von Lockes Konzeption der einfachen Ideen, die sich auf die distinkte Eigenart von Realien bezöge, würde die unten (Kapitel 3.4.3) beschriebene Robustheit der Anschauung im Sinne eines Schlusses auf die beste Erklärung herleitbar machen, erübrigt sich aber dank der Stärkung reliabilistischer Aspekte. Lokkes Reliabilismen sind nur schwach im Sinne von Minimalbedingungen und werden häufig negativ umrissen, etwa wenn er auf die »imperfection of accurately discriminating ideas from one another«, auf »dullness or faults of the organs of sense« (Locke, Essay, 2, XI, 2) abhebt und betont, daß Menschen erkenntnismäßig zurückbleiben, »the duller the faculties are that are employed about them [sc. impressions]« (Locke, Essay, 2, IX, 15).

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  69. Mill, J. S., »On Nature«, 1874, abgedr. in ders., Nature, The Utility of Religion and Theism, London 1904, S. 7–33, S. 8.

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  70. S. die Darstellung der skeptischen Tropen bei Sextus Empiricus, Pyrrh. Hyp. I, 164 ff.; einen Überblick zum Problem des infiniten Regresses enthält Brown, H. I., Rationality, London 1988, Kap. 2. Die Wiederaufnahme des Themas ist eng verbunden mit den erkenntnistheoretischen Idealen der Klassischen Mathematischen Naturphilosophie bzw. den Schwierigkeiten, ihnen zu genügen, die um die Wende zum 19. Jahrhundert zunehmend wahrgenommen wurde. Vgl. Pulte, Naturphilosophie, S. 41 f., 141 ff. In Verbindung mit Fries taucht m.W. auch erstmalig der später von Hans Albert in Umlauf gebrachte Münchhausen-Vergleich auf (Brief von Carl Friedrich Gauß an Fries v. 11.5.1841, zit. in: Henke, E. L., Jacob Friedrich Fries, Leipzig S. 261). Das Trilemma paßt strenggenommen nur in bezug auf die Petitio Principii ins literarische Bild.

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  71. Die alltägliche pejorative Verwendung des Dogmenbegriffs hat eine Vorgeschichte, die nicht nur im kritizistischen Gebrauch (vgl. schon Kants Bemerkung über die »unschicklich[e] dogmatische Methode« (KrV A 737 / B 765) dokumentiert ist. Sprat, Th., The History of the Royal Society of London For the Improving of Natural Knowledge, 1667, hg. v. J. Cope u. W. Jones, St. Louis 1958, nennt als Maxime der Gesellschaft, nicht »dogmatically [to] define or fix axioms« (S. 107). Einschlägig ist bereits die antike Identifikation der sog. Dogmatischen Ärzteschule mit empiriekritischen Auffassungen. Vgl. den Dialog zwischen Empirikern und Dogmatikern in Galens arabisch überlieferter Schrift über medizinische Erfahrung (Übers. u. Kommentar: Walzer, R., Galen on Medical Experience, Oxford 1947, u. ders., »Galens Schrift über medizinische Erfahrung«, Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften — Philologisch-historische Klasse 1931, S. 449–68). Allgemein zum ›Dogmatismus‹ in der griechischen Naturforschung s. Lloyd, G. E. R., Methods and Problems in Greek Science, Cambridge 1991, S. 47 f. et passim; Barnes, J., »Medicine, Experience and Logic«, in: Barnes, J., u. a., (Hg.) Science and Speculation. Studies in Hellenistic Theory and Practice, Cambridge 1982, S. 24–68. Zur Differenzierung hinsichtlich des ›Dogmatismus‹ der aristotelischen Vorstellungen in bezug auf das Trilemma s. Höffe, O., »Einführung in die Wissenschaftstheorie der Zweiten Analytik«, in: Aristoteles, Lehre vom Beweis oder Zweite Analytik (Organon IV), übers. v. E. Rolfes, Neudruck d. Ausgabe v. 1922, Hamburg 1990, S. VII–XXXIII, S. XXVI ff.

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  72. Vgl. in diesem Sinne die Einschränkung des Ideals des Beweises als »letzte[r] Begründer der Wahrheit unserer Erkenntniß« bei Fries, J. F., Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft, 2. Aufl. 1828, ders., Sämtliche Schriften, hg. v. G. König u. L. Geldsetzer, Bd. 4, S. 31–479, S. 92.

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  73. Vgl. Shea, W. R., »Descartes: Methodological Ideal and Actual Procedure«, Philosophia Naturalis 21/1984, S. 577–89; bezeichnenderweise empfiehlt Mersenne — Descartes’ certistische Selbsteinschätzung offensichtlich ignorierend — die Principia philosophiae mit dem Hinweis, darin werde die Natur (horribile vel mirabile dictu) »ex hypothesibus« erklärt. Mersenne, M., Universae geometriae, mixtaeque synopsis (1644), zit. in: Dear, P., Mersenne and the Learning of the Schools, New York 1988, S. 205.

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  74. Es gibt noch einen anderen Weg, der darauf hinausläuft, skeptische Einwürfe in eine Situation der Entscheidung über die beste Erklärung zu bringen. Dieses Argument, das für gewöhnlich auf Peirce zurückgeführt wird (Collected Papers 5.180 ff.), benutzt schon Fries, J. F., System der Logik. Ein Handbuch für Lehrer und zum Selbstgebrauch, 3. Auf. 1837, ders., Sämtliche Schriften, Bd. 7, hg. v. G. König u. L. Geldsetzer, Aalen 1971, S. 336 ff., und zwar zur Abwehr des Skeptizismus. Bei Fries taucht an der nämlichen Stelle auch der unten in Verbindung mit Dretskes Relevante-Alternativen-Idee angeführte Gedanke der Unwahrscheinlichkeit der skeptischen Möglichkeit auf. Die Strategie des Schlusses zur besten Erklärung wird bei Fries, bezugnehmend auf die klassische Entgegensetzung des ›einfachen‹ Kopernikanismus und des ›komplexen‹ Geozentrismus, so vollzogen, daß die einfachste Erklärung von Tatbeständen (›Geburt‹, ›Leben‹ u. a. m.) ohne den genius malignus auskomme. Goldman, Epistemology, S. 37, behauptet, daß die Aufnahme solcher Argumentationen uns dazu verpflichte zu zeigen, daß einfachere Behauptungen generell bessere Erklärungen liefern als komplexe, das Prinzip der besten Erklärung epistemisch verbindlich ist, usw. Demnach geriete man in eine andere epistemologische Richtung als der Reliabilismus, nämlich in die einer Rechtfertigung von ›oben‹. Ich halte diese Befürchtung nicht für zwingend, wenn wir die Begriffe der Einfachheit und der besten Erklärung lokal und personal bestimmen. Die Fragestruktur wäre demnach nicht ›Ist A die einfachste Erklärung für Z?‹, sondern ›Ist A für eine Person P in der Situation S eine einfachere Erklärung als B?‹. Genau dies scheint, betrachtet man den auffälligen Gebrauch der Pronomen der ersten Person, Fries’ Verwendung zu sein. Vgl. zur entsprechenden Bestimmung des Einfachheitsbegriffs Sober, E., »Let’s Razor Occam’s Razor«, 1990, abgedr. in: ders., From a Biological Point of View — Essays in Evolutionary Philosophy, Cambridge 1994, S. 136–57. Daß ich nicht an diesen Gedanken anknüpfen will, liegt an der hier gebotenen ›lokalen‹ Zweckmäßigkeit. Er würde uns in das Gestrüpp zweier im 20. Jahrhundert extrem verzweigt gewordener Diskussionen versetzen. Und das gilt nicht nur für die philosophische Explikation des Erklärungs- und Einfachheitsbegriffes. So ist der Kopernikus-Fall wissenschaftshistorisch strittig (vgl. die Rekonstruktion bei Teichmann, J., Wandel des Weltbildes, Darmstadt 1983, S. 62).

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  75. Die wichtigsten Beiträge sind zusammengefaßt in Cohen, S., »Relevant Alternatives«, in: Dancy, J., u. Sosa, E., A Companion to Epistemology, Oxford 1992, S. 430–432. Den Hinweis auf diesen Ansatz verdanke ich einem Vortrag von Elena Zagura (Bukarest) in Gert Königs wissenschaftstheoretischem Kolloquium an der Ruhr-Universität. Die oben vorgenommene Umsetzung geschieht hinsichtlich des dominierenden temporalen Aspekts frei, liegt aber tendenziell auf der Linie von Goldman, A. I., »Discrimination and Perceptual Knowledge« (1976), abgedr. in: ders., Liaisons, S. 85–103.

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  76. S. in diesem Sinne Dretske, F., »The Pragmatic Dimension of Knowledge«, Philosophical Studies 40/1981, S. 363–78.

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  77. Der Rückgriff auf Wahrscheinlichkeit ist indes keine nur aktuelle Angelegenheit, sondern eine Figur bereits der akademischen Skepsis in der Auseinandersetzung mit dem Pyrrhonismus (wie auch dem Dogmatismus). S. etwa Cicero, Acad. 2. Mit dem Ciceronianismus bei Rudolf Agricola u.a beginnt die neuzeitliche Geschichte des Gedankens. Auf der Einsicht in die Schwäche des subjektiven Probabilismus in dieser Hinsicht beruht Mersennes — an der Idee mathematischer Gewißheit ausgerichtete — Strategie gegen den Pyrrhonismus. Vgl. Dear, Mersenne, S. 34 ff.

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  78. Du Bois-Reymond, E., Untersuchungen über thierische Elektrizität, Bd. 1, Berlin 1849, S. 203.

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  79. Fontenelle, B. de, »Éloge de Monsieur du Verney«, in: ders., Œuvres, Bd. 7, S. 189–198, S. 193.

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  80. Fontenelle, »Verney«, S. 193.

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  81. Diesem Problem hat schon schon Peirce vorzubeugen versucht, indem er in den letzten Jahren seines Lebens zwischen ›moralischer‹ und ›absoluter‹ Sicherheit unterschied (Collected Papers 7.214) — hier geht es um faire Würfel, die ›absolut‹ gesehen nichts daran hindern kann, bei jedem Wurf einen Pasch zu bilden. Daran hält sich Isaac Levi, wenn er gegen Peirces Konvergenzrealismus, der auch in Poppers Konzeption der Wahrheitsannäherung wiederkehrt, geltend macht, daß das — in Peirces Beschreibung — ›moralisch‹ Gesicherte (zu denken etwa als eine überlegene Theorie) sich stets nur gegenüber dem ›Schlechteren‹ ausweist, aber nicht in bezug auf eine feste ferne Größe. Sie kann ›absolut‹ betrachtet falsch sein. Levi schlägt vor, sich mit dem Nahziel (er spricht von tugendhafter Kurzsichtigkeit — »virtues of myopeia«) zufrieden zu geben, etwas, das man für wahr erachtet hat, aber sich nun als falsch erweist, durch das zu ersetzen, was man aktuell für wahr hält (Levi, I., The Fixation of Belief and Its Undoing, Cambridge 1991).

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  82. Vgl. die Ausführungen zur ›Superioritätsthese‹ in Goldman, Knowledge, S. 250 ff.

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  83. Was anders betrachtet auf die bei der Entstehung entsprechender Disziplinen leitenden Motive verweist, und zwar nicht nur in ihren alexandrinischen Anfängen. Z.B. heißt es über eine Episode aus den Anfangstagen der Germanistik: »In Berlin setzt Simrock die Sammlung von Volksbüchern fort. Er bedauert die […] ›Verwahrlosung‹, in der man die Volksbücher bis jetzt angeboten habe. Leider hat auch, so stellt er fest, ›der Inhalt der Volksbücher bei solcher Verwahrlosung deutlich gelitten‹ — durch Druckfehler, Versehen, Gebrauch veralteter Wendungen, Verballhornungen […]«. Moser, H., Karl Simrock. Universitätslehrer und Poet, Germanist und Erneuer von ›Volkspoesie‹ und älterer ›Nationalliteratur‹ — Ein Stück Literatur-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bonn 1976, S. 127.

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  84. Vgl. die Hinweise auf berechtigte Fortschrittsintuitionen etwa der Sorte, daß ein moderner Ägyptologe selbstverständlich mehr über hieroglyphische Texte weiß als Athanasius Kircher, in Charpa, U., »Philologischer Fortschritt«, Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie 17/1986, S. 229–55.

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  85. Die Genealogie der These von der Meinungshaltigkeit der wissenschaftlichen Wahrnehmung ist m.W. noch ungeschrieben. Was die Debatte des 20. Jahrhunderts angeht, ist inzwischen vor allem die Bedeutung der polnischen Ärzteschule und der konstruktivistischen Beobachtungslehre von Zygmunt Kramstyk, des Begründers der ersten Zeitschrift für philosophische Probleme der Medizin (Krytika Lekarska, 1897 ff.), die wiederum wesentlich Flecks Auffassungen bestimmt zu haben scheint, in Erinnerung gebracht worden. S. besonders den von Ilana Löwy edierten Sammelband The Polish School of Philosophy of Medicine. From Tytus Chalubinski (1820–1889) to Ludwik Fleck (1896–1961), Dordrecht 1990.

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  86. S. außer Kants Dualismus von Anschauung und Begriff auch die assoziationistischen Vorstellungen Lockes, Humes und anderer.

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  87. Der Ansatz von John G. Taylor (die erste formale Darstellung stammt aus dem Jahr 1973; s. danach aus jüngster Zeit »Breakthrough to Awareness«, Biological Cybernetics 75/1996, S. 59–72, und Where and How Does Consciousness Emerge?, Skript, King’s College, 1996) teilt das Bewußtsein in einen ›aktiven‹ und einen ›passiven‹ Part ein, wobei das Arbeitsgedächtnis für die Phänomenaufnahme zuständig ist und andere neurale Aktivitäten für die Kontexteinbettung der anfänglichen Registration sorgen.

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  88. Vgl. KrV A51/B75.

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  89. Vgl. das Bild von Kant als frühem Konstruktivisten bei E. v. Glaserfeld, S. J. Schmidt u. a.

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  90. Vgl. Schleiden, M. J., Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik — Methodologische Einleitung (1861), abgedr. in: ders., Wissenschaftsphilosophische Schriften, hg. v. U. Charpa, Köln 1989, S. 45–196, S. 126. Vgl. auch die Beschreibung seines philosophischen Patrons, der von Anschauung als etwas spricht, das für sich selbst sein »eigener Zeuge der Wahrheit« sei, und dem wir vertrauen müssen, wenn wir etwas von dem »Sein wirklicher Gegenstände« wissen wollen. S. Fries, Kritik, Schriften, Bd. 4, S. XXVIII. Die bei Schleiden anklingende pragmatische Bestimmung der Anschauungsstabilität läßt die Möglichkeit offen, sie realiter als gestuft zu bestimmen. Vgl. den Begriff des Freiheitsgrades eines kognitiven Systems, der mit zunehmendem Komplexitätsniveau anwächst, bei Fischer, Grundlagen, S. 275 ff.

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  91. Vgl. die nach einer planvollen Ausschaltungsprozedur (s.u.) übrigbleibenden und gegenüber Interpretationen resistenten »precognitions« bei Goldman, Epistemology, S. 189.

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  92. Dies ist auch ein Argument gegen Poppers Fries kritisierende Behauptung, die Begrifflichkeit der Basissätze verleihe ihnen hypothetischen Charakter (Popper, Logik, S. 60 f.).

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  93. »[…] seeing is a ›theory-laden‹ undertaking. Observation of x is shaped by prior knowledge of x.« Hanson, N. R., Patterns of Discovery, Cambridge 1958, S. 19.

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  94. Sokal, A., »Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity«, Social Text 46–47/1996, S. 217–252, S. 217.

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  95. Vgl. das Insistieren auf ›produktivem‹ und ›konstruierendem‹ Experimentieren bei Heidelberger, M., »Die Erweiterung der Wirklichkeit im Experiment«, in: ders., u. Steinle, F., (Hg.), Experimental Essays — Versuche zum Experiment, Baden-Baden 1998, S. 71–92. Weitere Möglichkeiten in der Auswahlliste aus Charpa, Wissenschaftsphilosophie, Kap. 7.3. Die wichtigste Ausarbeitung der eigenständigen Züge des Experimentierens stammt von Galison, Experiments. McKinney, W., Plausibility and Experiment — Investigations in the Context of the Pursuit, Bloomington 1992, stellt heraus, in welchem Umfang das Experimentierwesen in der modernen Hochenergiephysik durch die Art der verfügbaren Apparate sowie die jeweiligen technischen Kompetenzen der Forscher beeinflußt werden.

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  96. Mit einer konventionalistischen Behandlung des Basisproblems, wie sie Popper, Logik, S. 69 f., vertritt, erscheinen Theorien aus reliabilistischer Sicht als Wahrheitskandidaten chancenlos. Nach Schäfer, L., Erfahrung und Konvention — zum Theoriebegriff der empirischen Wissenschaften, Stuttgart 1974, S. 61 f., ist die Inkaufnahme von Konventionalismen an der Basis und andernorts der »Preis […], den man zahlen muß, wenn man wissenschaftlichen Fortschritt haben will. Die wissenschaftliche Entwicklung ist von der Entscheidung abhängig, welche Forschungsrichtung weiter verfolgt werden soll.« Letzterem läßt sich leicht beipflichten, in der Verbindung mit einem Basiskonventionalismus hat es aber die Konsequenz, daß Entscheidungen (über Theorien) auf Übereinkünften (über Basissätze) beruhen sollen. Damit entsteht ein Gebäude der Arbitrarität. Wenn wir wissenschaftlichen Fortschritt mit Entscheidungen in Verbindungen bringen, wie es auch in 3.6.4 geschieht, benötigen wir neben Konventionen eine nicht-konventionelle Fortschrittskomponente, da sonst keine epistemische Rechtfertigung statthat. Man kann sich dies von der Rechtfertigungsseite herkommend mittels des Sprichwortes ›Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht‹ klarmachen: Angenommen, jemand, der sonstige Mißgriffe mit Aufschneidereien kompensiert, hat ausnahmsweise einmal etwas Großartiges vollbracht. Leider hat er keine Zeugen und niemand mag den Glauben an seinen Bericht teilen. Nichtsdestoweniger gibt dieser einen wahren gerechtfertigten Glauben wieder. Die verweigerte Einwilligung nimmt dem nichts. Was die Betrachtung von der Konventionsseite her angeht, so läßt sich das Problem mittels der Erzählung von des Kaisers neuen Kleidern illustrieren. Konventionen können außer auf wahrheitsbezogenen Motiven auch auf gemeinsamer Unkenntnis, Inkompetenz, Faulheit, von außen verursachter Desinformation u. ä. m. beruhen. Sie sind möglicherweise sogar zweckrational, aber sowenig wissensgarantierend, wie Wissen deshalb aufgehoben wird, weil wir — etwa unter Orwellschen Bedingungen — eine widrige Konvention akzeptieren. Übereinkünfte und Entscheidungen liefern Gründe des Forschungshandelns, das uns zu guten Gründen des Überzeugtseins verhelfen kann, etwa indem ein überprüfendes Experiment gemacht wird. Aber nicht die Entscheidung ist ein guter Grund, sondern das Versuchsergebnis (falls es durch einen verläßlichen Prozeß zustandegekommen ist).

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  97. Liebig., J. v., »Ueber Francis Bacon von Verulam und die Methode der Naturforschung«, abgedr. in: ders., Reden und Abhandlungen, Leipzig 1874, S. 220–254, S. 249. Die Motive von Liebigs Bacon-Kritik liegen vermutlich in Aversionen gegen die zeitgenössische philosophische Szene und in einer personalistisch eingefärbten Autonomiethese, wonach die Prinzipien der Forschung von tätigen Forschern entworfen werden und nicht von »Gentlemen, welche in unsern [der Forscher] Büchern, die sie zu ihrer Belehrung und Erbauung lesen, eigentlich nur eine geistige Unterhaltung suchen«. Liebig, J. v., »Ein Philosoph und ein Naturforscher über Francis Bacon von Verulam«, 1863, in: ders., Reden, S. 255–79, S. 274. Hier wird Voraussetzungshaftigkeit auf verschiedenen Ebenen thematisiert, von denen die des Experimentes nur eine ist. Liebig sieht induktive wie deduktive Vorgehensweisen sich nebeneinander entfalten wie auch zusammenspielen, wobei es in beiden Fällen sowohl begriffliche als auch pragmatische Voraussetzungen gibt. Vgl. Liebig, J. v., »Induction und Deduction«, 1865, in: ders., Reden, S. 296–309. Das Verhältnis von Liebigs Induktionsbegriff zu dem der systematisch auf Maximen und transzendentale Bedingungen abhebenden Friesschen Schule wäre der genaueren Untersuchung wert. Die Angaben zu den pragmatischen Bedingungen lassen sich in die Idee des Vertrautseins (Kapitel 3.5) integrieren wie auch unter den Tugendbegriff der Kompetenz fassen: »Zur deductiven sowohl als zur inductiven Forschung gehört selbstverständlich, wenn sie Erfolg haben sollen, ein gewisser Umfang von Kenntnissen: bei dem deduktiven Forscher die gründliche Kenntniss der bereits ermittelten Gesetze, zu der ihm Vorlesungen und Bücher verhelfen, bei dem inductiven Forscher die weit reichende Bekanntschaft mit sinnlichen Erscheinungen, die er in chemischen, physikalischen und physiologischen Laboratorien erwirbt […]«. Liebig, »Induction«, S. 307.

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  98. Vgl. Bonsiepen, W., »E. F. Apelts Fries-Rezeption dargestellt anhand seiner Schriften ›Die Theorie der Induktion‹ und ›Metaphysik‹«, in: Hogrebe, W., u. Herrmann, K., (Hg.), Jakob Friedrich Fries — Philosoph, Naturwissenschaftler und Mathematiker, Frankfurt/M. 1999, S. 195–220; s. a. ders., Die Begründung einer Naturphilosophie bei Kant, Schelling, Fries und Hegel. Mathematische versus spekulative Naturphilosophie, Frankfurt/M. 1997; König, G., u. Geldsetzer, L., »Vorbemerkung der Herausgeber zum 13. Band«, in: Fries, J. F., Sämtliche Schriften, hg. v. G. König u. L. Geldsetzer, Bd. 13, Aalen 1979, S. 17*–94*; Buchdahl, »Approaches«; ders., »Leitende Prinzipien und Induktion: Matthias Schleiden und die Methodologie der Botanik«, in: Schleiden, Schriften, S. 314–45; Charpa, U., »Methodologie der Verzeitlichung — Schleiden, Whewell und das entwicklungsgeschichtliche Projekt«, Philosophia Naturalis 25/1988, S. 75–109; Pulte, H., »›… sondern Empirismus und Speculation sich verbinden sollen‹ — Historiographische Überlegungen zur bisherigen Rezeption des wissenschaftstheoretischen und naturphilosophischen Werkes von J. F. Fries und einige Gründe für dessen Neubewertung«, in: Hogrebe u. Hermann, (Hg.), Fries, S. 57–94; ders, Naturphilosophie, Kap. IV.

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  99. Vgl. Fries, J. F., Die mathematische Naturphilosophie nach philosophischer Methode bearbeitet. Ein Versuch, 1822, ders., Schriften, Bd. 13, S. 571. Bei Whewell sind Setzungen von ›fundamental ideas‹ im Unterschied zu den Auffassungen von Fries keine Maximen, sondern vage Angaben, deren Sinn sich erst im Zuge wissenschaftlicher Entwicklungen ergibt.

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  100. Schleiden beschreibt Standpunkthaftigkeit so: »Wir setzen überall [sc. die leitenden Maximen] Einheit und Gesetzmäßigkeit als vorhanden voraus und entscheiden uns deshalb vorzugsweise für das, was mit dieser Voraussetzung übereinstimmt.« (Schleiden, »Einleitung«, in: ders., Schriften, S. 45–196, S. 174). Erst in der weiteren Entfaltung der Forschung verhelfen Maximen zu theoretischen Annahmen, über deren Geltung nach Kriterien entschieden werden kann. In der relativistischen Deutung des wissenschaftlichen Fortschritts wird dieses perspektivische Moment so ausgelegt, als ob damit Vergleichbarkeit und Wahrheitsfunktionalität notwendig verloren gingen (vgl. Dilworth, C., Scientific Progress — A Study Concerning the Nature of the Relation between Successive Scientific Theories, Dordrecht 1981, S. 76–99 (»The Perspectivist Conception of Science«). Gerade der Begriff der Perspektive erlaubt indes eine deutliche Absetzung der unter bestimmten Bedingungen vollzogenen Repräsentation einerseits, von freier Konstruktion andererseits. Begriffsüberblick bei König, G., »Perspektive, Perspektivismus, perspektivisch, 1«, in: Ritter u. Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 7, S. 363–75.

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  101. S. unter diesem Gesichtspunkt die Absichtserklärung eines herausragenden Forschungspraktikers der Zeit: »Ich wollte die Länder, die ich besuchte, einer allgemeinen Kenntnis zufuhren; und ich wollte Tatsachen zur Erweiterung einer Wissenschaft sammeln, die noch kaum skizziert ist und ziemlich unbestimmt bald Physik der Welt, Theorie der Erde bald Physikalische Geographie genannt wird.« Humboldt, A. v., Reise in die Äquinoktial-Gegenden des neuen Kontinents, frz. 1841, hg. u. übers. v. O. Ette, Bd. 1, Frankfurt/M. 1999, S. 12.

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  102. Schleiden, »Einleitung«, S. 24.

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  103. Reichenbach, H., Axiomatik der relativistischen Raum-Zeit-Lehre (1924), abgedr. in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 3, hg. v. A. Kamlah, Braunschweig 1977, S. 11–171, S. 15.

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  104. Duhem, P., Ziel und Struktur der physikalischen Theorien, frz. 1904/5, übers. v. F. Adler, Leipzig 1908. T. 2, 8, §1.

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  105. Duhem, Ziel, T. 2, 8, §1.

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  106. S. Pera, M., »In Praise of Cumulative Progress«, in: Pitt, J. C., (Hg.), Change and Progress in Modern Science, Dordrecht 1985, S. 267–82; anknüpfen ließe sich auch an die Theorienstufung von Liebmann, O., Die Klimax der Theorien — Eine Untersuchung aus dem Bereich der allgemeinen Wissenschaftslehre, Straßburg 1884.

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  107. Zit. in Berkel, K. van, »Academics and Aristocrats 1620–1700«, in: Berkel, K. van u. a., (Hg.), A History of Science in the Netherlands — Survey, Themes and Reference, Leiden 1999, S. 37–67, S. 67.

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  108. Vgl. die Hinweise bei Heidelberger, »Erweiterung« auf die Herstellung von konstanten Elektrizitätsquellen im Vorfeld der Elektritätslehre.

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  109. Hinweis unter dem hier genannten Aspekt bei Bieganski, W., Medizinische Logik — Kritik der ärztlichen Erkenntnis, poln. 1906, übers. v. A. Fabian, Würzburg 1909, S. 42.

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  110. Das bekannteste Beispiel ist das C-Rohr-Problem: Von einem durch ein in C-Form gekrümmtes Rohr geschleuderten Ball vermuteten im Versuch immerhin 40% der befragten Studenten, er würde nach dem Austritt weiter eine gekrümmte Bahn verfolgen, statt eine Tangente zu beschreiben (s. McCloskey, M., u. a., »Curvilinear Motion in the Absence of External Forces: Naive Beliefs about the Motion of Objects«, Science 210/1980, S. 1139–41).

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  111. Vgl. die Einschränkung der Aussagekraft des C-Rohr-Versuchs bei Kaiser, M. K. u. a., »Intuitive Reasoning about Abstract and Familiar Physics Problems«, Memory and Cognition 14/1986, S. 308–12.

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  112. Es ist schlecht vorstellbar, daß die direkte Beobachtung des Bahnverlaufs nach dem Verlassen des C-Rohrs einen gesunden Observanten nicht zur Korrektur veranlaßt.

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  113. Ein zentrales Problem bei der Untersuchung der empirischen These der Einstellungsabhängigkeit von Wahrnehmungen ist das Zusammenspiel von Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Überzeugungsanteilen. Z.B. scheint Bewegungswahrnehmung von der Erinnerung an häufige Verläufe affiziert zu sein. McBeath, M. C., u. a. »Perceptual Bias for Forward-Facing Motion«, Psychological Science 3/1992, S. 362–67. Allgemein s. Brewer, W. F., u. Lambert, B. L., »The Theory Ladenness of Observation: Evidence from Cognitive Psychology«, Proceedings of the Fifteenth Annual Conference of the Cognitive Science Society, Hillsdale 1993, S. 254–259.

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  114. Das Argument stammt von Fodor, J., »Observation Reconsidered«, Philosophy of Science 51/1984, S. 23–43. Dagegen s. Churchland, P., »Perceptual Plasticity and Theoretical Neutrality: A Reply to Jerry Fodor«, Philosophy of Science 55/1988, S. 167–87, der die These der Theoriehaltigkeit allerdings ohnehin entschärft und als bloß allgemeine Bedingtheit verteidigt, was eine reliablistische Argumentation nicht herausfordert. Der in diesem Zusammenhang von ihm herausgestellten Anteil der Wahrnehmungsfertigkeiten kann als Tugendmoment angesehen werden.

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  115. Überblicke zur Geschichte und zum Forschungsstand bei Hershenson, M., (Hg.), The Moon Illusion, Hillsdale 1989.

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  116. Auch der berühmte Gestalt-Switch, etwa angesichts des Entenhasen, ist mit einer Veränderung der Augenposition verbunden. Vgl. Gilman, D., »What’s Theory to do … with Seeing? Or Some Empirical Considerations for Obervation and Theory«, British Journal for the Philosophy of Science 43/1992, S. 287–309.

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  117. Vgl. dagegen Schleidens Betrachtung der Mond-Illusion, »Einleitung«, S. 126, der auf die »Vermeidung und Erkennung dieser Irrtümer« setzt, ohne zu sehen, daß die Erkennung des Illusionscharakters nicht zur Vermeidung der inkriminierten Anschauung führt, sondern lediglich deren Interpretation verbessert.

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  118. Kaufman, L., u. Kaufman, J., »Explaining the Moon Illusion«, in: Proceedings of the National Academy of Sciences, Bd. 97,1/2000, S. 500–5.

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  119. Fodor nennt sie informationell verkapselte Module, Fodor, J., The Modularity of Mind, Cambridge/Mass. 1983, S. 69.

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  120. Zum Rekurs auf Unstrittiges s. Kitcher, Advancement, S. 226 f.

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  121. Vgl. den Übergang von der Ablehnung des »voraussetzungslosen Beobachtens« zur Behauptung, Gestaltwahrnehmung sei eine »ausgesprochene Denkstilangelegenheit« (Fleck, Entstehung, S. 121). Auch der Schwung und die oberflächliche Überzeugungskraft des neueren biologisch motivierten Konstruktivismus beruhen auf diesem Fehlgriff. Vgl. zuletzt noch die Kennzeichnung des Wahrnehmens als »Überprüfen von Hypothesen« durch Wolf Singer, den Leiters des MPI für Hirnforschung (»Das Bild im Kopf — ein Paradigmenwechsel. Neurobiologische Anmerkungen zum Konstruktivismus-Diskurs«, Universitas 55/2000, S. 108–120, S. 118 f.

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  122. S. die angloamerikanische Adaption des Weltanschauungsbegriffs zur Betitelung der Ansichten Feyerabends, Kuhns, Hansons u. a. (etwa Suppe, F., »The Waning of the Weltanschauungen Views«, in: ders., (Hg.), The Structure of Scientific Theories, 2. Aufl. Urbana 1977, S. 632–730. S. in dieser Richtung schon die Begriffsverwendung bei Fleck: »Wenn eine Auffassung genug stark ein Denkkollektiv durchtränkt […], dann erscheint ein Widerspruch undenkbar.« Fleck, Entstehung, S. 41.

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  123. Wilson, E. O., Consilience — The Unity of Knowledge, London 1999, S. 205.

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  124. Eine gedanklich bereinigte Fassung der eher diffusen ursprünglichen Argumentation gibt Lucy, J., Language Diversity and Thought: A Reformulation of the Linguistic Relativity Hypothesis, Cambridge 1992.

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  125. Vgl. Shepard, R. N., »The Perceptual Organization of Colors: An Adaptation to Regularities of the Terrestrial World?«, in: Barkow, J. u. a., The Adapted Mind: Evolutionary Psychology and the Generation of Culture, Oxford 1992, S. 495–532.

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  126. Vgl. Keil, F., Semantic and Conceptual Development: An Ontological Perspective, Cambridge/Mass. 1979, S. 131 ff.

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  127. Mentale Modelle sind das Thema von Shore, B., Culture in Mind: Cognition, Culture and the Problem of Meaning, Oxford 1996.

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  128. Vgl. die ungeachtet der — auf eine Verlängerung bis in die rezente Wissenschaft hinein angelegten — These sorgsam differenzierenden Arbeiten von Atran, S., Cognitive Foundations of Natural History — Towards an Anthropology of Science, Cambridge 1990; ders., »Core Domains versus Scientific Theories: Evidence from Systematics and Itza-Maya Folkbiology«, in: Hirschfeld, L. A. u. a., (Hg.), Mapping the Mind: Domain Specificity in Cognition and Culture, Cambridge 1994, S. 316–340, stellen zahlreiche kultur- bzw. epochentranszendente Übereinstimmungen heraus. Atran, S., »Causal Constraints on Categories and Categorical Constraints on Biological Reasoning across Cultures«, in: Sperber, D. u. a., (Hg.), Causal Cognition: A Multidisciplinary Debate, Oxford 1995, S. 205–233, behauptet einen allgemeinen Aristotelismus: Sämtliche vorwissenschaftlichen Klassifikationen von Lebewesen seien hierarchisch, essentialistisch und bildeten den Grundstock teleologischer Erklärungen. S. auch die Beiträge von Diamond u. Berlin sowie Atran in: Medin, D. L., u. Atran, S., (Hg.), Folkbiology, Cambridge/Mass. 1999.

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  129. In diesem Sinne sei auf Nancy Cartwrights Auszeichung phänomenologischer Gesetze verwiesen: Cartwright, Laws, Kap. 6.

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  130. Reichenbach, H., »Bemerkung (zu Karl Popper, ›Ein Kriterium des empirischen Charakters theoretischer Systeme‹)«, Erkenntnis 3/1932, S. 427–8

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  131. Zum Verhältnis von Duhems Auffassung zu Quines eher vager Formulierung s. Vuillemin, J., »On Duhems and Quine’s Thesis«, in: Hahn, L. E., u. Schilpp, P. A., The Philosophy of W. V. Quine, La Salle 1986, S. 595–622.

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  132. Mach, Erkenntnis, S. 143.

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  133. Mach, Erkenntnis, S. 186.

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  134. Mach, Erkenntnis, S. 224.

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  135. Mach, Erkenntnis, S. 234.

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  136. S. noch vor Russells berühmter Distinktion von ›knowledge by acquaintance‹ und ›knowledge by description‹ Helmholtz’ Hinweis: »Neben dem Wissen, das mit Begriffen arbeitet, und deshalb des Ausdrucks in Worten fähig ist, besteht noch ein anderes Gebiet der Vorstellungsfähigkeit, welches nur sinnliche Eindrücke combinirt, die des unmittelbaren Ausdrucks durch Worte nicht fähig sind. Wir nennen es im Deutschen das Kennen. Wir kennen einen Menschen, eine Speise, eine riechende Substanz, das heisst wir haben diese Objecte gesehen, geschmeckt oder gerochen, halten diesen sinnlichen Ausdruck im Gedächtnis fest und werden ihn wieder erkennen, wenn er sich wiederholt, ohne dass wir im Stande wären uns oder anderen eine Beschreibung davon in Worten zu geben. Dessen ungeachtet ist es klar, dass dieses Kennen den allerhöchsten Grad von Bestimmtheit und Sicherheit haben kann, und in dieser Beziehung hinter keinem in Worten ausdrückbaren Wissen zurücksteht.« Helmholtz, H. v., »Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens« (1868), in: ders., Vorträge und Reden, Bd. 1, Braunschweig 1884, S. 233–331, S. 324. Vgl. als Beispielformulierung aus einem anderen Forschungsbereich das auf den humanistischen Philologen bezogene Postulat Angelo Polizianos, »intima familiaritas« mit einem zu kommentierenden Text herzustellen. Vgl. das Zitat in Stillers, R., Humanistische Deutung — Studien zu Kommentar und Literaturtheorie in der italienischen Renaissance, Düsseldorf 1988, S. 47.

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  137. S. die Auseinandersetzung mit Polanyi (Kapitel 1.2.1).

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  138. S. außer Helmholtz (s.o.) Dretskes Unterscheidung von ›epistemischem‹ und ›nicht-epistemischem‹ Beobachten. S. Dretske, F., Seeing and Knowing, London 1969. Vgl. auch die früher vorgebrachten Einwände gegen die Einstellungsabhängigkeit der Wahrnehmung (5.4).

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  139. KK-thesis: ›Wenn A weiß, daß p, dann weiß A, daß A weiß, daß p‹. Dem entspricht Regel K2 (KP→KKP) der epistemischen Logik. Vgl. u. a. Hintikka, J., Knowledge and Belief — An Introduction to the Logic of the Two Notions, Ithaca 1962, bes. S. 104 f., worauf sich allerdings Zirkularitätsvorwürfe richten (vgl. Chisholm, R., »The Logic of Knowing«, Journal of Philosophy 60/1963, S. 773–95, S. 784 ff.). In Hintikka, J., »›Knowing that one Knows‹ Reviewed«, Synthese 21/1970, S. 141–62, wird der Anspruch, den Wissensbegriff schlechthin zu rekonstruieren, eingeschränkt. Daß damit auch wissenschaftliches Wissen ausgrenzt wird, stellt Suppe, F., »Afterword 1977«, in: ders. (Hg.) Structure, S. 615–730, S. 717 ff. zurecht heraus. Allerdings läuft der Einwand von Suppe in die falsche Richtung: Forscherwissen ist nicht zu schwach im Sinne strenger Anforderungen, eingeschlossen die der ›logischen Allwissenheit‹ (K4), wonach A p dann und nur dann weiß, wenn A auch q kennt, für den Fall, daß pq: KP∧(K(P→Q)→KQ (zu einer mentale Vorgänge simulierenden Ausarbeitung s. Fagin, R., u. Halpern, J. Y, »Belief, Awareness, and Limited Reasoning«, Artificial Intelligence 34/1988, S. 39–76.). Vielmehr sind umgekehrt K2 und K4 mit einer strengen Auffassung unverträglich, wie man sich an Beispielfällen klarmachen kann: Wenn A durch ein mangelhaft gebautes Teleskop schaut, gewinnt A einen falschen Eindruck, und wenn A sich verrechnet, hat A ein falsches Ergebnis. Ob A im Sinne von K2 selbst registriert, daß sie getäuscht wird oder sich getäuscht hat, ist unerheblich. Hinsichtlich K4 stelle man sich vor, A werde Q gefragt, und verneine — wie man an einem Test feststellt — irrtümlich. Bei K3 (¬KA→K¬KA) wird die Anwendung vollends fragwürdig: Wenn A einen seltenen Käfer nicht kennt, muß A dies selbst wissen? Die epistemische Logik mit K2, K3 und K4 paßt nur zu einer schwachen, nämlich internalistischen Konzeption des Wissens. Übrigens zeiht Suppe, a.a. O. (s. auch ders., The Semantic Conception of Theories and Scientific Realism, Urbana 1989, Kap. 10) so gut wie die gesamte erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Tradition (unter den neueren Autoren besonders Feyerabend und Kuhn) der Vermischung der Ebenen von Wissen und Wissen, daß man weiß. Das ist hier nicht zu erörtern und m.E. durchschlagend nur gegen Descartes’ Auseinandersetzung mit dem Skeptizismus vorzubringen.

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  140. Helmholtz, H. v., »Ueber die Erhaltung der Kraft«, abgedr. in: ders., Vorträge, Bd. 1, S. 147–89, S. 152.

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  141. Dazu Miller, A. I., »Imagery and Metaphor: The Cognitive Science Connection«, in: Radman, Z., From a Metaphorical Point of View — A Multidisciplinary Apprach to the Cognitive Content of Metaphor, Berlin 1995, S. 198–224, S. 204 ff. Daß es sich lohnt, gegenüber entschiedenen Kritikern wie Salmon u. a. an der Vertrautheitsidee festzuhalten, zeigen die ersten Ergebnisse eines Forschungsprojektes von Henk de Regt, bes. ders., A Contextual Approach to Scientific Understanding, Skript, Universität Utrecht, 1999, der für die Rückbindung des in die neuere Erklärungstheorie integrierten Verständnisbegriffs an die Idee der Vertrautheit eintritt. S. auch De Regt, H. W., »Ludwig Boltzmann’s Bildtheorie and Scientific Understanding«, Synthese 120/1999, S. 113–34; ders., »Erwin Schrödinger, Anschaulichkeit, and Quantum Theory«, Studies in History and Philosophy of Modern Physics 28/1997, S. 461–481.

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  142. Vgl. Pauli, W., »Exclusion Principle, Lorentz Group and Reflection of Space-Time and Change«, in: ders., (Hg.) Niels Bohr and the Development of Physics — Essays Dedicated to Niels Bohr on the Occasion of His Seventieth Birthday, New York 1955, S. 30–55, S. 30. Zu diesem und weiteren Stellenhinweisen s. die umfassende Dokumentation von Miller, A. I., Imagery in Scientific Thought — Creating 20th-century Physics, Cambridge/Mass. 1984.

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  143. Heisenberg, W., Der Teil und das Ganze, München 1985, S. 90.

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  144. S. bes. die Auseinandersetzung mit den umstrittenen Auffassungen von David Bohm.

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  145. Bohm, D., »Science as Perception-Communication«, in: Suppe (Hg.), Structure, S. 374–91, S. 388.

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  146. Vgl. das fiktive Gespräch zwischen einem ›kontextualistischen‹ Duhemianer und einem ›modellistischen‹ Campbellianer bei Hesse, M. B., Models and Analogies in Science, Notre Dame 1966, S. 7 ff. Eine frühe Vorwegnahme des auf Vertrautes abhebenden Modellismus findet sich in Adam Smiths History of Astronomy (1795). Vgl. die Hinweise von Raphael, D. D., Adam Smith, engl. 1985, übers. v. U. Rennen, Frankfurt 1991, S. 123 ff.

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  147. S. die 1957 später unter dem Titel Foundations of Science — The Philosophy of Theory and Experiment, New York 1957, wiederaufgelegten Physics — The Elements, Cambridge 1919.

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  148. S. Hempel, C. G., Aspects of Scientific Explanation and Other Essays in the Philosophy of Science, New York 1965, S. 425 f. et passim. S. auch ders., Philosophie der Naturwissenschaften, engl. 1966, übers. v. W. Lenzen, München 1974, S. 117 ff.; Toulmin, S., Voraussicht und Verstehen — Ein Versuch über die Ziele der Wissenschaft, engl. 1961, übers. v. E. Bubser, Frankfurt 1968, rettet den Begriff des Verständnisses gegenüber Einwürfen der von Hempel vorgebrachten und von ihm selbst akzeptierten Sorte, indem er ihn von dem des Vertrautseins löst (s. bes. S. 74 f.), was aber den Verständnisbegriff entleert, und mit dem des Überzeugtseins von einer Theorie ineinslaufen läßt (s. S. 137).

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  149. Bridgman, P. W., The Nature of Physical Theory, Princeton 1936, S. 63, zählt zu den ›Kosten‹ der Quantentheorie, man könne kein physikalisches Modell von ihr bilden, bei dem sich das Zusammenspiel der Elemente darstellte »already so familiar to us that we can accept them as not needing explanation« (Hervorhebung nicht im Original).

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  150. Vgl. die verblüffende Deutung von Fraassen, B. van, Quantum Mechanics — An Empiricist View, Oxford 1991. Zu den nachträglichen Pointen der tiefgreifenden Diskussion — die Väter der Quantentheorie hatten eher nach einer Redefinition von Anschaulichkeit (s. Heisenberg, W., »Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik«, Zeitschrift für Physik 43/1927, S. 172–98; für Bohr, dessen Sprache von anschauungsbezogenen Ausdrücken wimmelt, ist die Situation noch schwieriger) gesucht — gehört, daß die National Science Foundation inzwischen ein praktisches Projekt auf den Weg gebracht hat, um Studenten durch interaktive Computer-Visualisierungen mit der Quantenmechanik vertraut zu machen (ESI 845278). Ein verwandtes für Chemiker gedachtes Unterfangen wird vom Konrad-Zuse-Zentrum in Berlin betreut. Man muß aber einräumen, daß solche Bemühungen stets nur auf neue Modellbildungen hinauslaufen, wobei gerade Anfängern die negativen Analogien im Sinne Hesses nicht ersichtlich sein können und somit letztlich doch verborgen bleibt, was die Deutung der Quantenmechanik als physikalische Theorie besagt. S. die Charakterisierung der Kopenhagener Deutung bei Drieschner, »Natur und Wirklichkeit in der modernen Physik«, in: Schäfer, L., u. Ströker, E., (Hg.), Naturauffassungen in Philosophie, Wissenschaft, Technik, Freiburg, Bd. 4, Freiburg 1996, S. 65–121.

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  151. S. als einführenden Überblick die Sammlung von Schurz. G., (Hg.), Erklären und Verstehen in der Wissenschaft, München 1988. S. auch schon Mach, Erkenntnis: »Die Annahmen aber, die man vorzugsweise als Hypothesen bezeichnet, beziehen sich auf die Bedingungen einer Tatsache, welche dieselben verständlich machen« (S. 235).

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  152. Darunter fällt u. a. der auf Vereinheitlichung abhebende Ansatz von Schurz, G., u. Lambert, K., »Outline of a Theory of Scientific Understanding«, Synthese 101/1994, S. 65–120. Z.B. mag eine scharfsinnig erdachte und mit den Daten harmonierende kosmologische Theorie Einheit stiften, Erstaunliches zu bedenken geben, verläßliche Prognosen liefern u. a. m., aber ein Verständnis des Kosmos verschaffte sie uns nur, wenn sie wahr wäre.

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  153. Strube, W., »Analyse des Verstehensbegriffs«, Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie 16/1985, S. 315–33.

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  154. Eine umfassende Darstellung des Weges von den vedischen Anfängen der Interpretationstheorie zur Verstehensphilosophie der Gegenwart liegt nicht vor. Recht gut dokumentiert sind die frühen pergamenischen und alexandrinischen Konzeptionen (Pfeiffer u.a). Seit Hasso Jägers Polemik (1974) ist auch die ›hermeneutica‹ des 17. und 18. Jahrhunderts zunehmend erschlossen worden. Die großen Konzeptionen des 19. Jahrhunderts (insbesondere diejenigen Schleiermachers und Diltheys) liegen ohnehin auf dem Feld der philosophiehistorischen Arbeit.

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  155. Teile des ersten Kapitels des zweiten Buches des gewaltigen, als eine Art theologischer Summe konzipierten Werkes liegen in einer deutsch-lateinischen Ausgabe vor: Flacius Illyricus, M., De ratione cognoscendi sacras literas. Über den Erkenntnisgrund der Heiligen Schrift, übers. u. hg. v. L. Geldsetzer, Düsseldorf 1968.

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  156. Sie ist passenderweise auch im Zusammenhang von Moralreflexion auf den Weg gekommen s. Scholtz, G., »Ethik und Hermeneutik«, in: ders., Ethik und Hermeneutik — Schleiermachers Grundlegung der Geisteswissenschaften, Frankfurt/M. 1995, S. 126–146.

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  157. Vgl. Fontenelle, B. de, »Préface«, S. 47.

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  158. Fontenelle, B. de, »Éloge de Lemery«, in: ders., Œuvres, Bd. 6, S. 311–21, S. 314.

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  159. Fontenelle, a.a.O. Von dem gelobten Pharmazeuten Nicolas Lemery (1645–1715) heißt es denn auch, er »fut le premier qui dissipa les ténèbres naturelles ou affectées de la Chymie, qui la réduisat à des idées plus nettes et plus simples, qui abolit la barbarie inutile de son langage […]« (a.a.O.), und dementsprechend seien seine Schriften denn auch in verschiedene Sprachen übersetzt worden. Ob Fontenelle in jeder Hinsicht recht hat, ist umstritten: Chinn, C. A., Constructing Scientific Explanations from Text: A Theory with Implications for Conceptual Change, Champaign 1995, bewegt sich auf der nämlichen Schiene. Dagegen sehen MacNamara, D. S., u. a., »Are Good Texts Always Better? Text Coherence, Background Knowledge, and Levels of Understanding in Learning from Text«, Cognition and Instruction 14/1996, S. 1–43, sowie Voss, J. F., u. Silfies, L. N., »Learning from History Texts: The Interaction of Knowledge and Comprehension Skill with Text Structure«, Cognition and Instruction 14/1987, S. 45–68, eine komplexere Interaktion am Werk, die auch dem partiell ›dunklen‹ Text Vorzüge einräumt — was in der Situation der philosophischen Lehr- und Lernpraxis ohnehin nicht in Frage steht.

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  160. Müller-Hill, B. The Lac Operon-A Short History of a Genetic Paradigm, Berlin 1996, S. 97.

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  161. Müller-Hill, Lac Operon, S. 97 f.

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  162. Der Klarheit der Entgegensetzung wegen lasse ich den langen Schatten einer verdeckenden Selbstdeutung außer acht, der sich in der populären Umsetzung des Mottos ›Nullius in verba‹ manifestiert. Die im Namen der Autopsie und des selbstgewissen Denkens verfaßten programmatischen Äußerungen Bacons, Descartes’, Boyles und vieler anderer stellen in gewisser Weise eine Kampfansage an das Buch dar, wiewohl die Programmatiker nachweislich selbst immer wieder eifrig um das Verständnis anderer Autoren rangen. Nur handelt es sich bei den Gelesenen oft um Autoren, die heute kaum mehr bekannt sind, so daß ein beträchtlicher Teil des den Bannerträgern des Buchverzichts aus Büchern bestens Vertrauten heute vergessen ist. Zum kanonischen Mißverständnis des aus einem Horaz-Wort (»Nullius addictus iurare in verba magistri — Quo me cumque rapit tempestas deferor hospes« abgeleiteten Mottos der Royal Society im Sinne von ›nicht in Worten‹ (sondern Taten bzw. Daten) s. Sutton. C., »›Nullius in verba‹ and ›nihil in verbis‹: Public Understanding of the Role of Language in Science«, British Journal for the History of Science 27/1994, S. 55–64. Wissenschafts- und philosophiehistorisch gesehen verhält es sich so, daß die Cartesianer auf der Grundlage der Konzeption der ideae innatae die Allgemeinheiten von mentalen Inhalten glaubten voraussetzen zu können, wohingegen sich Empiristen wegen des Primats der individuellen Erfahrung mit einer Verständigungsproblematik belastet sahen. Bacons Sprachkritik als Kritik einer »most troublesome« (Bacon, Works, 4, S. 433) Angelegenheit, eines Ortes von Trugbildern, läßt das Problem einer adäquaten Mitteilungspraxis (»art of transmission«) ungelöst: »[…] experience has not yet learned her letters«, Bacon, Works, Bd. 4, S. 96). Träfe die an einigen metaphorischen Wendungen Bacons ausgerichtete bekannte Bacon-Interpretation in Blumenberg, H., Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt/M. 1986, zu, könnte Forschung sich gemeinschaftlich auf die ›Sprache der Natur‹ beziehen. Genau dies ist aber die Position des von Bacon in dieser (!) Hinsicht abgelehnten Okkultismus. Immerhin hätte die Anerkennung eines ›natürlichen‹ Idioms die Rückkkehr zu den Ideen des verbum mirificum und des geheimen Wissens bedeutet. Bacons Einfluß erreicht auch die kontinentalen Forschergruppen (S. Minkowski, H., »Das Neue Atlantis des Francis Bacon und die Leopoldina-Carolina«, Archiv für Kulturgeschichte 26/1936, S. 283–95), und die Wissenschaftsszene des 17. Jahrhunderts ist u. a. eine Situation des Sich-Verständlichmachens durch rege Übersetzungstätigkeit. Vor dem Hintergrund der Okkultismus-Kritik und der Konzeption des öffentlichen, nicht auf eine spezifische Sprache beschränkten Wissens sollte in der Folge Lockes Beharren auf der — schon bei Bacon nolens im Anschluß an Aristoteles Peri hermeneias vertretenen (vgl. dazu Elsky, M., »Bacon’s Hieroglyphs and the Separation of Words and Things«, Philological Quarterly 63/1984, S. 449–60) — Arbitrarität des sprachlichen Zeichens (Locke, Essay 3, II) gesehen werden. Im Umkreis der Royal Society werden durch Glanvill, Sprat u.a im wesentlichen praktische Regeln gegeben, die bei Locke erkennntnistheoretisch eingebettet sind. Die allgemeine Verständlichkeitsbedingung (»unless a man’s word excite the same ideas in the hearer which he makes them stand for in speaking, he does not speak intelligibly«, Locke, Essay, 3, XI, 8) wird pragmatisch abgeschwächt, der gewöhnliche Gebrauch bewegt sich in losen Grenzen (Essay, 3, XI, 25), erst durch logische Strukturierung (Essay, 3, VII) und Definitionen (Essay 3, III, 10; 3, IV, 6 ff.) entsteht gesichertes Verständnis. Zur Auffassung von Lockes Ansatz als Verständigungslehre, die nur nachrangig semantische Theorie ist, wie sie in der modernen Sprachphilosophie dominiert s. Taylor, T. J., »Liberalism in Lockean Linguistics«, Historiographia Linguistica 17/1990, S. 99–109.

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  163. Zur hier nicht weiterverfolgten Simulationsidee s. Goldman, A. I., »Interpretation Psychologized« (1989), abgedr. in: ders., Liaisons, S. 9–33.

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  164. Fontenelle, »Viviani«, S. 83 (Hervorhebung nicht im Original).

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  165. Fontenelle, »Viviani«, S. 88.

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  166. Vgl. Wußing, H., Vorlesungen zur Geschichte der Mathematik, 2. Aufl. Leipzig 1989, S. 146.

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  167. Fontenelle, »Viviani«, S. 83.

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  168. Fontenelle, »Viviani«, S. 85.

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  169. Am Rande hingewiesen sei auf die Rolle des Verstehens in Pólyas Entdeckungslogik, die selbst wiederum eine bemerkenswerte personale Vorgeschichte hat: Pólya stammt wie John von Neumann, Isaac Rabi und eine Reihe bedeutender Mathematiker und Physiker aus einem winzigen geographischen Raum, dem ungarischen Teil der Karpato-Ukraine. (vgl. Ulam, S. M., Adventures of a Mathematician, New York 1976, S. 11) und profitierte von einer einschlägigen — heuristisch orientierten — Reform des Mathematikunterrichts: Beke, E., u. Mikola, S., (Hg.), Abhandlungen über die Reform des mathematischen Unterrichts in Ungarn, Leipzig 1911. Eine gut zum oben Gesagten passende Skizze zum Begriff mathematischer Intuition geben Davis, P. J., u. Hersh, R., Erfahrung Mathematik, engl. 1981, übers. v. J. Zehnder, Basel. 1994 S. 421. Zum Projekt der Entwicklung der Mathematik aus Vertrautem s. etwa Bernays, P., »Die Grundgedanken der Fries’schen Philosophie in ihrem Verhältnis zum heutigen Stand der Wissenschaft«, Abhandlungen der Fries’schen Schule, Neue Folge, Bd. 5., H. 2, 1933, S. 97–113, S. 108: »Die Untersuchung der Grundlagen der Mathematik [habe u. a.] gezeigt, daß eine gewisse Art rein-anschaulicher Erkenntnis als Ausgangspunkt für die Mathematik genommen werden muß, ja man schon die Logik als Theorie der Urteile und Schlüsse gar nicht ohne eine gewisse Heranziehung einer solchen anschaulichen Erkenntnis entwickeln kann […]«. Beispiele für historisch dokumentierte Verständnisprobleme beim Aufbau des Zahlenreiches (Huyghens u. a.) nennt Weyl, H., Philosophie der Mathematik und der Naturwissenschaft, München 1966, S. 50. Umfassend zum Zusammenhang lokaler, sozialer und epistemischer Faktoren s. Meusburger, P., Bildungsgeographie — Wissen und Ausbildung in der räumlichen Dimension, Heidelberg 1998.

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  170. S. etwa Nunes, T. A. D., u. a., Street Mathematics and School Mathematics, Cambridge 1993.

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  171. Vgl. den Überblick im Anschluß an Fettweiß, Wilder, Ambrosio u. a. bei Gerdes, Ethnomathematik — dargestellt am Beispiel der Sona Geometrie, Heidelberg 1997, S. 1 ff.

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  172. Biographisches bei Bonelli, M. L., »L’ultimo discepolo: Vincenzo Viviani«, in Maccagni, C., (Hg.), Saggi su Galileo Galilei, Florenz 1972, S. 656–88.

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  173. Zum damaligen Stand s. Krautter, K., »Der ›Grammaticus‹ Poliziano in der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Humanisten — Zur Entwicklung der Philologie aus den ›studia humanitatis«, in: Buck, A., u. Heitmann, K., Die Antike-Rezeption in den Wissenschaften während der Renaissance, Weinheim 1983, S. 103–116; Grafton, A., Defenders of the Text: the Traditions of Scholarship in an Age of Science 1450–1800, Cambridge/Mass. 1991.

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  174. Außer der Edition in den Grammatici Graeci (1,1 Uhlig) s. [Dionysios Thrax] Linke, K., (Hg.), Die Fragmente des Grammatikers Dionysios Thrax, Berlin 1977. Einen guten Überblick vermittelt Kemp, A., »The Emergence of Autonomous Greek Grammar«, in: Schmitter, P. (Hg.) Geschichte der Sprachtheorie, 2. Aufl. Tübingen 1996, S. 377–394; vgl. auch die Abscheidung der téchne mikrá in Charpa, »Philologischer Fortschritt«.

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  175. Bieganski, Logik, S. 28.

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  176. s. oben Anm. 100.

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  177. Bieganski, Logik, S. 102.

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  178. S. Goldman, A.I., »Foundations of Social Epistemics« (1987), abgedr. in: ders., Liaisons, S. 179–207, S. 195 f., (›power‹, ›speed‹, ›efficacy‹).

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  179. S. Kapitel 3.2.5.

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  180. Ebbinghaus, H., Über das Gedächtnis — Untersuchungen zur experimentellen Psychologie, 1885, Nachdruck Amsterdam 1966; Nachdruck des Ms. Passau 1983.

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  181. »In comprehending easy texts in familiar domains, readers construct coherent, orderly text representation«, Kintsch, W., Comprehension — A Paradigm for Cognition, Cambridge 1998, S. 230.

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  182. S. das eigene und fremde Untersuchungen zusammenfassende Schaubild bei Kintsch, Comprehension, S. 231.

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  183. Dies in der kognitivistischen Betrachtung ohnehin selbstverständlich. Vgl. Fischer, Grundlagen, S. 162 ff., der u. a. auf die Bedeutung von Aktivierungshäufigkeit und Verknüpfungsintensität verweist, was gut mit dem Sinn des ›folk‹-Begriffs der Vertrautheit harmoniert.

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  184. Vgl. Audi, R., »Memorial Justification«, Philosophical Topics 23/1995, S. 31–45. Daß die faktische Irreduzibilität des Gedächtnisses selten gesehen wird, liegt möglicherweise in der üblichen Betrachtungsrichtung, in der die konstitutive Rolle des Gedächtnisses betont wird. S. etwa die verstreute Erörterung in Helmholtz, H. v., Handbuch der Physiologischen Optik, 2. Aufl. 1896, S. 947 f. et passim, zusammengefaßt in König, »Wissenschaftsbegriff«, S. 93 f.

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  185. Klein, F., Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert, Bd. 1, Berlin 1926, S. 291.

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  186. Krems, J., u. Johnson, T. R., »Integration of Anomalous Data in Multicausal Explanations«, in: Moore, J. D., u. Lehmann, J. F., (Hg.), Proceedings of the Seventeenth Annual Conference of the Cognitive Science Society, Hillsdale 1995, S. 277–82, im Unterschied zu Chinn, C. A. u. Brewer, W. F., »The Role of Anomalous Data in Knowledge Acquisition: A Theoretical Framework and Implications for Science Instruction«, Review of Educational Research 63/1993, S. 1–49.

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  187. Lawson, A. E., »The Acquisition of Biological Knowledge During Childhood: Cognitive Conflict or Tabula Rasa?«, Journal of Research in Science Teaching 25/1988, S. 185–199.

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  188. Vgl. zum historischen Verlauf von Hooks im Blick auf die Abgeschlossenheit gewählter Bezeichnung ›cellula‹ bis ins späte 19. Jahrhundert Jahn, I., »Einführung und Erläuterung zur Geschichte der Zellenlehre und der Zellentheorie«, in: dies., (Hg.), Klassische Schriften zur Zellenlehre von Matthias Jacob Schleiden, Theodor Schwann, Max Schultze, Leipzig 1987, S. 6–39. Auch die aktuelle Vorstellung von Zellen als vielgestaltigen Funktionseinheiten hat noch Verbindung zum ursprünglichen Benennungsmotiv.

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  189. Blackmore, J. T., »Is Planck’s Principle True?«, British Journal for the Philosophy of Science 29/1978, S. 347–49; Gorham, G., »Planck’s Principle and Jean’s Conversion«, Studies in History and Philosophy of Science 22/1991, S. 471–97; s. dagegen eher abwägend (vorrangig unter Berücksichtigung der Geschichte des Darwinismus) Hull, D., u. a., »Planck’s Principle. Do Younger Scientists Accept New Scientific Ideas with Greater Alacrity than Older Scientists?«, Science 202/1978, S. 717–23; zu einem anderen Fall s. Messeri, A. M., »Age Differences in the Reception of New Scientific Theories — The Case of Plate Tectonics Theory«, Social Studies of Science 18/1988, S. 91–112. Einen Überblick über die mittlerweile angefallene Literatur gibt Hull, D., »Studying the Study of Science Scientifically« Perspectives on Science 6/1998, S. 209–231, der u. a. zurecht darauf hinweist, daß — wenn das Prinzip denn korrekt sein sollte — es nur die Fortschritt behindernde Funktion betont, wohingegen die hilfreiche Blockierung von Holzwegen durch erfahrene Wissenschaftler (S. 216) ignoriert werde.

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  190. Vgl. den Vergleich des berühmtesten Mitglieds der ›Jungen Garde‹ mit dem eine Generation älteren Poincaré bei Miller, A. I., »Scientific Creativity: A Comparative Study of Henri Poincare and Albert Einstein«, Creativity Research Journal 5/1992, S. 385–418. Die Differenz beider Positionen führt Huber, R., Einstein und Poincaré. Die philosophische Beurteilung physikalischer Theorien, Paderborn 2000, auf unterschiedliche metaphysische Haltungen zurück, wobei Einsteins Metaphysik dem weiteren Verlauf nach eher verbreiteten Haltungen entgegenkam als die Poincarés.

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  191. Vgl. im Anschluß an Kuhn, der den Übergang zur Oxidationslehre als Beispiel einer die vertrauten Begriffe umstülpenden Revolution deutet, McCann, H. G., Chemistry Transformed: The Paradigmatic Shift from Phlogiston to Oxygen, Norwood 1978, der auch quantitative Methoden verwendet. Neuere Materialien bei Bensaude-Vincent, B. u. Abbri, F. (Hg.), Lavoisier in European Context. Negotiating a New Language for Chemistry, Canton 1995; s. a. die Monographie Bensaude-Vincent, B., Lavoisier: Mémoires d’une révolution, Paris 1993, wobei sich durchgehend zeigt, daß von einem plötzlichen Umschlag ins Unvertraute keine Rede sein kann. Lavoisier selbst hat als Phlogistiker begonnen und sich zögerlich auf die Oxidationslehre zubewegt. »[…] it remains unclear whether the sciences are really mysteries in which the convert must immerse himself before he can understand what is said and where he must abjure his previous understanding«, schreibt in Parallele zu den oben entfalteten Vorstellungen Knight, D., Ideas in Chemistry — A History of the Science, London 1992, S. 69. Der wissenschaftshistorische Klassiker, in dem weitgehend unter Hinanstellung der innovativen Momente die Verpflichtungen Lavoisiers gegenüber seine Vorgängern dargestellt werden, ist Metzger, H., La philosophie de la matière chez Lavoisier, Paris 1935. Vgl. auch allgemein deren »Le Rôle de précurseurs dans l’évolution de la science«, 1937–9, in: Metzger, Méthode, S. 75–91.

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  192. Der bekannteste Fall ist der von Richard Kirwan (Pasquinelli, A., »Le repliche lavoisieriane all’Essay on phlogiston di R. Kirwan«, Rivista di filosofia 76/1985, S. 425–433). Allgemein s. Kahlbaum, G. W. A. u. Hoffmann, A., Die Einführung der Lavoisierschen Theorie im besonderen in Deutschland, Leipzig 1897.

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  193. Zur Erklärung s. die systematische Rekonstruktion der begrifflichen Beziehungen zwischen Phlogiston- und Oxidationstheorie bei Thagard, P., Conceptual Revolutions, Princeton 1992, Kap. 3; vgl. zu den realgeschichtlichen Verbindungsfäden Gough, J. B., »Lavoisier and the Fulfillment of the Stahlian Revolution«, Osiris 4/1988, S. 15–33; Siegfried, R., »Lavoisier and the Phlogistic Connection«, Ambix 36/1989, S. 31–40.

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  194. Vgl. den Hinweis im Anschluß an Schorlemmer bei Strube, W., Der historische Weg der Chemie, Köln 1989, S. 154.

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  195. Nye, M. J., Science in the Provinces, Scientific Communities and Provincial Leadership in France 1860–1930, Berkeley 1986, dies., »National Styles? French and English Chemistry in the Nineteenth and Early Twentieth Centuries«, Osiris (Neue Serie) 8/1993, S. 30–52.

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  196. Crombie, Styles, unterscheidet sechs Stile, wobei die Typisierungen eine grandiose Organisation des historischen Stoffes leisten, ohne daß daraus ein Punkt zugunsten oder zuungunsten relativistischer Auffassungen erwüchse. Vgl. auch die Crombie-Adaption bei Hacking, I., »›Style‹ for Historians and Philosophers«, Studies in History and Philosophy of Science 23/1992, S. 1–20, demzufolge grundsätzliche Antithesen, wie die zwischen Realismus und Anti-Realismus, in dem historischen Stilrahmen wiederkehren. Allgemein s.a die Beiträge in Science in Context 4/1991.

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  197. [Buffon, G. L.L.], »Discours prononcé à L’Académie Françoise par M. de Buffon. le jour de sa réception«, 1753, abgedr. in: [Buffon, G. L. L.], Œuvres philosophiques de Buffon, hg. v. J. Piveteau, Bd. 41, Paris: 1954, S. 500–504, S. 503. Dazu s. Bouverot, D., »Et si nous relisions Buffon: Le Style est l’homme même«, in: Mélanges de Langue et de Littérature française offerts à Pierre Larthomas, Paris, 1985, S. 61–66.

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  198. Buffon, »Discours«, S. 503

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  199. Buffon, »Discours«, S. 500.

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  200. Buffon, »Discours«, S. 503.

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  201. »Les ouvrages bien écrits seront les seuls qui passeront à la postérité: la quantité des connaissances, la singularité des faits, la nouveauté même des découvertes, ne sont pas de sûrs garants de l’immortalité: si les ouvrages qui les contiennent ne roulent que sur de petits objets, s’ils sont écrits sans goût, sans noblesse et sans génie, ils périront […].« Buffon, »Discours«, S. 503. Zu den Kapriolen der Wissenschaftsgeschichte gehört, daß ausgerechnet der Diskurs, in dem dies behauptet wird, sich heute als derjenige Beitrag Buffons herausstellt, »qui passera à la posterité« (Le Maner, M., Buffon et les sciences naturelles au xviiie siècle, Saint-Omer 1988 [Ausstellungskatalog], S. 3.), wohingegen die Bände der Histoire naturelle fast nurmehr als Lieferanten von Illustrationen dienen.

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  202. Buffon, »Discours«, S. 503.

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  203. […] les connaissances, les faits et les découvertes s’enlèvent aisément, se transportent et gagnent même à être mises en oeuvre par des mains plus habiles«. Buffon, »Discours«, S. 503.

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  204. Glanvill, J., Plus Ultra: Or The Progress and Advancement of Knowledge, Since the Days of Aristotle, London 1668, Nachdruck Gainsville 1958.

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  205. Shapin, u. Scharfer, Leviathan.

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  206. S. die Arbeit von Forman (1971) und die sonstigen Beiträge in: Meyenn, K. v., (Hg.), Quantenmechanik und Weimarer Republik, Braunschweig 1994.

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  207. S. Gould, S. J., »Agassiz auf den Galápagos«, in: ders., Wie das Zebra zu seinen Streifen kommt — Essays zur Naturgeschichte, engl. 1983, übers. v. S. Cappellari, Basel 1986, S. 105–17; s.a. Rudwick, M. J. S., »Darwin and Glen Roy: A ›Great Failure in Scientific Method?«, Studies in History and Philosophy of Science 5/1974, S. 97–185. S. a. Bloor, Knowledge, S. 25.

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  208. Die Schwäche kontrafaktischer Argumentationen, in denen ein historischer Fortschrittsverlauf das nämliche Gewicht bekommt wie eine vage Alternatividee, betont Slezak, P., »Sociology of Scientific Knowledge and Scientific Education«, Science and Education 3/1994, S. 265–294 u. 329–55.

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  209. Chicago 1993. Wie suggestiv der relativistische Stilbegriff wirkt, zeigt sich in der Rezension von Hopwood, N., »Genetics in the Mandarin Style«, Studies in History and Philosophy of Science 25/1994, S. 237–250. Statt Harwoods These zu überprüfen, wird sie noch mit der Anregung überboten, soziale Relationen im Sinne von Produzenten- und Abnehmerverhältnissen einzubeziehen.

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  210. Vgl. Deichmann, U., »Gab es einen ›nationalen Stil‹ der genetischen Forschung in Deutschland zwischen den Weltkriegen?« Antrittsvorlesung. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Köln, Sommersemester 2000.

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Charpa, U. (2001). Forscherwissen. In: Wissen und Handeln. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03799-2_4

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