Zusammenfassung
Wer sich mit der Wiedergabe der erhaltenen Arbeitshandschriften der Gedichte von 1853/54 bei Werner Nöthlich bzw. im Kommentarband der DHA beschäftigt, wird kaum umhinkommen, festzustellen: Der (ohnehin nur partiell belegbare) umfangreiche Arbeitsprozeß Heines verweist keineswegs auf eine der Krankheit geschuldete eingeschränkte schöpferische Aktivität des Dichters368, sondern auf das genaue Gegenteil. Er belegt, daß die lyrischen Texte des späten Heine das Ergebnis höchst intensiver, höchst angestrengter geistiger Tätigkeit sind. Auch der kranke Dichter der Matratzengruft verfügt über jene unglaubliche Energie und Konzentrationskraft, die notwendig sind, um den ersten Entwurf eines hochkomplexen lyrischen Gebildes rein gedanklich, ohne Zuhilfenahme von Schreibmaterial zu produzieren. Bereits die erste schriftliche Fixierung eines lyrischen Textes enthält in der Regel alle wesentlichen Elemente, und zwar in formaler wie in inhaltlichthematisch-motivischer Hinsicht. Können wir über diesen ersten, schöpferischen Akt der poetischen Produktion kaum je etwas sagen, da er sich im genauen Sinn des Wortes im Hirn des Dichters vollzieht ( Wie langsam kriechet sie dahin), so ist es möglich, Heines Arbeit an dem einmal fixierten Textentwurf zu verfolgen. Dabei wird sichtbar, daß Heine offensichtlich nahezu ausnahmslos eine Schreibregel befolgt hat, die darauf hinausläuft, das Wesen der ursprünglichen Idee — der Idee zumindest, von der wir die erste Notiz besitzen — im Laufe des Arbeitsprozesses kaum zu verändern: Heines Tätigkeit ist vielmehr darauf gerichtet, sie schärfer/ genauer/ beziehungsreicher zu fassen; jene Worte/ Formulierungen/ Strukturen zu finden, die — durch Motivverknüpfung vermittelt — den Bezug zur (jeweils historisch konkreten) Konzeption seiner Werke am genauesten herstellen/ sichern/ andeuten.
Heitres Wissen, holdes Können — aus: Jehuda ben Halevy, 3/1, 134.
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Pistiak, A. (1999). Heitres Wissen, holdes Können Über Heines poetische Arbeit. In: »Ich will das rote Sefchen küssen«. Heine-Studien. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03777-0_13
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03777-0_13
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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