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Zusammenfassung

Überall in Deutschland wurde am Abend des 17. Januar 1929 das gleiche Stück Neuer Musik übertragen. Es handelte sich um eine Suite für Kammerorchester, die Franz Schreker eigens für diesen Zweck komponiert hatte: eine Originalmusik für Rundfunk also. Die überregionale Radiozeitschrift »Die Sendung« kündigte die Ausstrahlung als »bedeutsame Premiere« an, denn es werde zum ersten Mal ein Orchesterstück aufgeführt, »das nicht aus der sonstigen musikalischen Uteratur übernommen, sondern den Bedingungen des Rundfunks ganz besonders angepaßt« war.2 Deshalb handelte es sich auch nicht nur um eine Premiere für Schrekers Komposition, sondern auch für die Reichsrundfunkgesellschaft (RRG), die Dachorganisation der regionalen Rundfunksender in Deutschland, die, so berichtet die Ankündigung der Schrekerschen Rundfunkmusik, »nun an einzelne Komponisten mit festen Aufträgen für Rundfunkmusik herangetreten« war und diese Politik auch in Zukunft fortzusetzen gedenke. Eine solche Auftragspolitik erschien damals zukunftsweisend, denn in der ganzen Musikgeschichte, darauf wies man nachdrücklich hin, »haben Aufträge häufig wichtige Funktionen gehabt, muß es doch für jeden Komponisten einen wesentlichen Unterschied ausmachen, ob er ein Werk schreibt, ohne die Gewißheit einer Aufführung zu haben, oder ob ihm diese und damit die entsprechende Einnahme von vornherein garantiert ist«. So sollte der Rundfunk die Lücke schließen, die durch die wirtschaftliche und soziale Umstrukturierung der Weimarer Republik zwischen komponierter Musik und deren Konsumenten gerissen worden war, indem er auf Dauer die Rolle eines Mäzens und die Funktion des wirtschaftlichen Trägers übernahm.

Jedes musikalische Kunstwerk erklingt in irgendeinem gesellschaftlichen Rahmen. Und jede Musik der Vergangenheit hat einen ihr völlig angemessenen gesellschaftlichen Rahmen gehabt. Das gibt es heute nicht. Unser Musikleben geht im allgemeinen so vor sich, daß wir Musik in den alten Konzertsälen und Opernhäusern auffuhren, aus denen die Gesellschaft, die hineinpaßte, eigentlich verschwunden ist.

Max Butting, 19281

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Notizen

  1. Ernst Latzko: Rundfunk-Umschau (Komponistenaufträge im Rundfunk-Januarprogramm), in: Melos 8 (1929),S.65–9.

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  2. Siehe detailliert hierzu Andreas Hauff: Der Rundfunk, die Öffentlichkeit und das Theater. Kurt Weill, der Komponist als Kritiker — der Kritiker als Komonist, in: Kurt Weill. Die frühen Werke 1916–1928 (=Musik-Konzepte 101/102), hg. von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn. München 1998, S. 84–104.

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  3. Der Deutsche Rundfunk 3 (1925), S. 1625. Vgl. hierzu auch Weill: Gesammelte Schriften, S. 196.

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  4. Weill: Stellung des Rundfunks innerhalb des Musiklebens, in: Der Deutsche Rundfunk 3 (1925), S. 1573f., auch in: Gesammelte Schriften S. 190f.

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  5. Weill: Der Rundfunk und die Umschichtung des Musiklebens [1926], in: Gesammelte Schriften, S. 221–3.

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  6. Das macht ein Vergleich führender Rundfunkästhetiker der Weimarer Republik (siehe z.B. Aus meinem Archiv. Probleme des Rundfunks, hg. von Hans Bredow. Heidelberg 1950) mit aktuelleren Radiokonzeptionen (beispielhaft dokumentiert durch Thomas Münch: POP-FIT. Musikdramaturgie in Servicewellen. Eine Fallstudie. Pfaffenweiler 1991) deutlich.

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  7. Dieser Sendeplatz ist durch die Kritiken im »Deutschen Rundfunk« gut dokumentiert. Vgl. zu den allgemeinen Aspekten der deutschen Radiogeschichte auch Susanna Großmann-Vendrey u.a.: Auf der Suche nach sich selbst. Anfänge des Hörfunks in Deutschland — Oktober 1923 bis März 1925, in: ARD Jahrbuch 1983. 60 Jahre Radio 1923–1983, Hamburg 1983, S. 41–61;

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  8. sowie Winfried B. Lerg: Rundfunkpolitik in der Weimarer Republik. (= Rundfunk in Deutschland Band 1). München 1980.

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  9. Hermann Scherchen: Arteigene Rundfunkmusik [1930], in: Werke und Briefe, hg. von Joachim Lucchesi, Band 1, Schriften 1. Berlin u.a. 1991, S. 67–73.

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  10. Weill: Der Rundfunk und die Umschichtung des Musiklebens [1926].

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  11. Scherchen: Musik und Rundfunk [1929], in: Werke und Briefe, S. 57–9.

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  12. Weill: [Kompositionsaufträge des Rundfunks, 1929], in: Gesammelte Schriften, S. 279f.

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  13. Vgl. Christopher Hailey: Rethinking Sound: Music and Radio in Weimar Germany, in: Music and Performance During the Weimar Republic (= Cambridge Studies on Performance Practice 3), hg. von Bryan Gilliam. Cambridge 1994, S. 13–36..

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  14. Alfred Szendrei: Rundfunk und Musikpflege, Phil.Diss. (Universität Leipzig). Leipzig 1930. Szendrei war damals schon Direktor des Leipziger Senders.

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  15. Weill: [Kompositionsaufträge des Rundfunks, 1929].

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  16. Ein Topos der Radiotheorie jener Zeit, hier zitiert nach Weill: Notiz zum Berliner Requiem, in: Der deutsche Rundfunk 7 (1929), S. 613; Neuabdruck in: Gesammelte Schriften, S. 289–91.

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  17. Eisler: [Rundfunkmusik, 1929], in: Schriften 1924–1948, S. 28.

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  18. Weill: Der Rundfunk und die Umschichtung des Musiklebens [1926].

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  19. Weill: Verschiebungen in der musikalischen Produktion [1927].

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  20. Weill: Der Rundfunk und die Umschichtung des Musiklebens [1926].

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  21. Brecht: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks [1932], in: Gesammelte Werke, Bd. 18. Frankfurt 1967, S. 127–34.

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  22. Weill: Der Rundfunk und die Umschichtung des Musiklebens [1926].

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  23. Weill: Tannhäuser im Kundfunk, in: Gesammelte Schriften, S. 167–71.

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  24. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit [1936]. Frankfurt a.M. 1963, v.a. S. 11–18.

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  25. Benjamin: Das Kunstwerk [1936], S. 22.

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  26. Frank Warschauer: Funkmusik auf Musikfesten, in: Melos 9 (1930), S. 133–5.

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  27. Benjamin: Das Kunstwerk [1936], S. 40.

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  28. Weill: Der Rundfunk und die Umschichtung des Musiklebens [1926].

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  29. Weill: [Kompositionsaufträge des Rundfunks, 1929], in: Gesammelte Schriften, S. 279f.

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  30. Latzko: Rundfunk-Umschau [Januar 1929]. Bei Hauer läßt sich dies bestätigen, denn nachweislich besaß die UE bereits Anfang 1929 eine Kopie von Hauers Rundfunkvertrag, vgl. hierzu Brief der UE an Weill vom 21.2 1929.

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  31. Latzko: Rundfunk-Umschau [Januar 1929], vgl. S. 183. Folgende Zitate entstammen derselben Quelle, soweit nicht anders gekennzeichnet.

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  32. Weill: [Franz Schreker dirigiert im Funk 1927], in: Gesammelte Schriften, S. 245f.

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  33. Christopher Hailey: Franz Schreker, 1878–1934. A Cultural Biography. Cambridge 1993, S. 196–225f.

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  34. Stuckenschmidt: Der Musikverbraucher, in: Die Musik 21 (1929), S. 410–5.

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  35. Eckhardt van den Hoogen: Die Orchesterwerke Franz Schrekers in ihrer Zeit. Werkanalytische Studien (= Kölner Beiträge zur Musikforschung Bd. 111), Regensburg 1981, S. 315.

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  36. Latzko: Rundfunk-Umschau [Januar 1929].

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  37. Latzko: Rundfunk-Umschau [Januar 1929].

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  38. Latzko: Kundfunk-Umschau [Januar 1929].

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  39. Georg Schünemann: Die Funkversuchsstelle bei der Staatlich Akademischen Hochschule für Musik in Berlin, in: Rundfunkjahrbuch 1929, hg. von der Reichsrundfunkgesellschaft. Berlin o.D., S. 277–93.

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  40. Weill: [Übertragungsbedingungen für den Orchesterklang, 1928], in: Gesammelte Schriften, S. 278f.

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  41. Weill: Über die Möglichkeiten einer Rundfunkversuchsstelle [1927], in: Gesammelte Schriften, S. 243–5.

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  42. Vgl. hierzu Hugo Leichtentritt: Das Konservatorium Klindworth-Scharwenka Berlin. Festschrift aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens. Berlin 1931, S. 39.

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  43. Georg Schünemann: Die Funkversuchsstelle bei der Staatlich Akademischen Hochschule für Musik in Berlin, in: Rundfunkjahrbuch 1929, hg. von der Reichsrundfunkgesellschaft, Berlin o.D., S. 277–93.

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  44. Schünemann: Die Funkversuchsstelle [1929].

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  45. Weill: Notiz sym Berliner Requiem [1929].

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  46. Albert K. Henschel: Das Ohr im Äther, in: Die Sendung 7 (1930), S. 48.

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  47. Weill: Zu mener Kantate ›Das Berliner Requiem‹, in: Südwestdeutsche Rundfunk-Zeitung 20 (1929), S. 3.

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  48. Siehe hierzu Christiane Timper: Hörspielmusik in der deutschen Rundfunkgeschichte. Hörspielmusik im deutschen Hörspiel 1923–1986. Berlin 1990, S. 41.

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  49. Weill: Möglichkeiten absoluter Radiokunst [1925], in: Gesammelte Schriften, S. 191–6.

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  50. Camilla Stiemer: Die Aufführung des ›Herzog Theodor von Gothland‹, in: Der deutsche Rundfunk 4 (1926), S. 2580. Weill selbst zählte dieses Lied (Brief an Peter Bing vom 3.9.1926, Quelle im WLRC) zu den gelungensten Teilen seiner Sendespielmusik

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  51. Weill: Notizen zu den musikalischen Einrichtungen für die Aufnahmen mit Helen Hayes [1943], in: Gesammelte Schriften, S. 131 f.

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  52. Weill: Notiz zum Berliner Requiem [1929].

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  53. Weill: Notiz zum Berliner Requiem [1929].

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  54. Weill: Notiz zum Berliner Requiem [1929].

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  55. Weill: Zu meiner Kantate ›Das Berliner Requiem‹, in: Südwestdeutsche Rundfunk-Zeitung 20 (1929), S. 3, erneut in: Kurt Weill-Studien, hg. von Nils Grosch u.a. Stuttgart 1996, S. 195f.

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  56. Weill: Zu meiner Kantate ›Das Berliner Requiem‹ [1929].

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  57. Weill: Song-Album. Wien und Leipzig 1929.

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  58. Weill: Notiz zum Berliner Requiem [1929].

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  59. Weill: [Mit geistigen Mitteln ist nichts zu machen!, 1930], in: Kurt Weill-Studien, hg. von Nils Grosch u.a. Stuttgart und Weimar 1996, S. 197–9.

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  60. Siehe hierzu vor allem: Rudolf Stephan: Einleitung [zu Hindemiths Szenischen Versuchen], in: Hindemith: Sämtliche Werke, Band 1/6. Mainz 1982, VIII-XVIII;

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  61. Klaus Dieter Krabiel: Brechts Lehrstücke. Entstehung und Entwicklung eines Spieltyps. Stuttgart und Weimar 1993, S. 31–50.

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  62. Brecht sah im Lindberghflug eine kollektive Tat, die nicht nur dem Heldentum eines Einzelnen entspringt, wie sie schon im Titel des Fliegerberichts von Charles Lindbergh We (in der Übersetzung: Wir zwei. Im Flugzeug über den Atlantik. Leipzig 1927.) augenfällig wird. Diesen Gedanken arbeitete er in seinem Text besonders heraus. Vgl. Jan Knopf: Brecht-Handbuch. Lyrik, Prosa, Schriften. Eine Ästhetik der Widersprüche. Stuttgart 1984, S. 71 und S. 74.

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  63. Weill: Keine Differenz Weill-Hindemith [1929].

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  64. Henschel: Baden-Badener Rundfunkmusik aus Frankfurt, in: Die Sendung 6 (1929), S. 511.

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  65. Helga de la Motte-Haber: ›Das Unerreichbare‹. Über die Zusammenhänge von Brecht, Hindemith und Weill an dem Radiohörspiel ›Der Lindbergh-Flug‹, in: Neue Zürcher Zeitung, 28./29.5.1983, S. 68.

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  66. Weill: Keine Different Weill—Hindemith [1929].

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  67. Eduard Künneke: [Vorwort zu] Tänzerische Suite. Concerto Grosso in 5 Sätzen für eine Jasgband und großes Orchester. Berlin 1938.

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  68. Eduard Künneke: [Vorwort zur Tänzerischen Suite, 1938].

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  69. Künneke: [Vorwort zur Tänzerischen Suite, 1938].

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  70. Dr. Albert K. Henschel: Das Ohr im Äther, in: Die Sendung 6 (1929), S. 616.

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  71. Paul Höffer, in: Der Deutsche Rundfunk 8 (1930), S. 14.

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  72. Weill: Notiz zum Berliner Requiem [1929].

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Grosch, N. (1999). Rundfunkmusik 1929. In: Die Musik der Neuen Sachlichkeit. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03771-8_4

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