Zusammenfassung
So pries im Jahr 1928 anläßlich des »Berlin im Licht«-Festes Otto Stranskys Marschsong die Hauptstadt der Weimarer Republik als »Vorbild Neuer Sachlichkeit«. Berlin spielte mit den Muskeln: Bisher unbeleuchtete Stadtteile bekamen damals erstmals Licht, und die großen Unternehmen gestalteten in der gesamten Innenstadt eine eindrucksvolle Werbeschau mit einer neuen und für damalige Verhältnisse überwältigenden Beleuchtung. Ein kommerziell intendiertes Spektakel also war das »Berlin im Licht«-Fest; nach außen hin sollte deutlich werden, daß Berlin eine moderne, junge Weltstadt war, die mit New York oder London konkurrieren könne. Nicht für andere Städte etwa war Berlin das Vorbild, sondern für einen Trend, der mehr als nur Fragen urbaner Strukturierung betraf — den gesamten »modernen Zeitgeist«, sowohl die moderne ökonomische Struktur (»Achtung wie noch nie vor deinem Handel, deiner Industrie«, so heißt es im Refrain desselben Songs) als auch den jugendlichen Elan und die offene Weltzugewandtheit Berlins umfassend. Für einen Trend, dem dieses Vorbild dienen konnte, gab es kaum ein besseres Schlagwort als die »Neue Sachlichkeit«.
Mit tausend Volt wird Nacht zum Tag,
Es siegt die Technik Schlag auf Schlag
Die Zeit marschiert im Riesenschritt,
Berlin geht an der Spitze mit.
Du alte Stadt mit Deinem Schwung
Erhältst du dich für immer jung!
Du bist das Vorbild Neuer Sachlichkeit
Praktisch, geschmackvoll und gescheit!1
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Notizen
Otto Stransky: »Berlin im Licht«. Marsch, Text von Günther Bilbo, in: Haus, Hof, Garten.Illustrierte Wochenschrift des Berliner Tageblatts, 13.10.1928.
Stephen Hinton: Neue Sachlichkeit, in: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie. Freiburg im Breisgau. Auslieferung 1991.
Kurt Weill: Verschiebungen in der musikalischen Produktion [1927], in: Ders.: Musik und Theater. Gesammelte Schriften, hg. von Stephen Hinton und Jürgen Schebera. Berlin 1990, S. 45–8.
Detlev J.K. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne. Frankfurt a.M. 1987, S. 94–8.
Peter Gay: Die Republik der Außenseiter. Geist und Kultur in der Weimarer Zeit: 1918–1933. Frankfurt a.M. 1987, S. 162.
Max Butting: Die Musik und die Menschen, in: Melos 6 (1927), S. 58–63. Auch die folgenden Zitate Buttings entstammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus diesem Essay.
Heinrich Besseler: Studien zur Musik des Mittelalters (Teil 2), in: Archiv für Musikwissenschaft 8 (1926), S. 137–258; Zitat: S. 146.
Licco Amar: Zur Frage der Gebrauchsmusik, in: Die Musik 21 (1929), S. 401–3. Das ganze Märzheft dieses Jahrgangs ist dem Thema »Gebrauchsmusik« gewidmet.
Hanns Eisler: Music for the Film, in: Ders.: Musik und Politik. Schriften 1924–1948. Textkritische Ausgabe von Günter Mayer. Leipzig 21985, S. 440–2.
Erwin Stein: Utopien, in: Pult und Taktstock 6 (1929), S. 25–30.
Ernst Schliepe: Musik und Neue Sachlichkeit, in: Signale für die musikalische Welt 87 (1929), S. 1206–10.
Lion Feuchtwanger: Der Roman von heute ist international [1932], in: Ein Buch nur für meine Freunde. Frankfurt a.M. 1984, S. 422–7.
Kim H. Kowalke: Kurt Weill, Modernism, and Popular Culture: Öffentlichkeit als Stil, in: Modernism/Modernity 2 (1995), S. 27–69;
Kurt Weill, Moderne und populäre Kultur. ›Öffentlichkeit als Stil‹ in: Komponisten in der Medienlandschaft des Exils 1933–1945 (- Veröffentlichungen der Kurt Weill-Gesellschaft Dessau, Bd. 2), hg. von Nils Grosch u.a., Stuttgart 1997, S. 171–220.
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Grosch, N. (1999). Einführung. In: Die Musik der Neuen Sachlichkeit. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03771-8_1
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