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Prellmechanik und Dämpfungsaufhebung

Zu den Besonderheiten des frühen Hammerklavierbaus in Deutschland

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Zusammenfassung

Die Tatsache, daß man in Deutschland nicht nur die technisch wie klanglich gleichermaßen überzeugende Hammermechanik des Bartolomeo Cristofori nachbaute1 und vervollkommnete, sondern gleichsam parallel dazu ein anderes Mechanikmodell entwickelte und einen ganz eigenständigen Weg im Fortepianobau beschritt, hat manche Verwirrung gestiftet. Dies um so mehr, als die frühen deutschen Klavierbauer sich nach einhelligem Bekunden zahlreicher Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts nicht am Cembalo orientierten, das Bartolomeo Cristofori zum Ausgangspunkt seiner Experimente nahm und das gemeinhin als direkter Vorläufer des Hammerklaviers gilt, sondern am Hackbrett. Anhand von zwei technischen Elementen des Hammerklaviers soll nachfolgend versucht werden, den Nachweis dafür zu erbringen, daß man in der Tat in Deutschland eine spezielle Konzeption des Fortepianos vertrat und fortentwickelte, und zwar selbst dann, wenn man sich technisch an der Mechanik des Florentiner Klavierbauers orientierte.

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Notizen

  1. Vergleiche etwa H. Henkel, Die Entwicklung des Hammerflügels in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Zur Weiterentwicklung des Instrumentariums im 18. Jahrhundert, hrsg. von E. Thom, Michaelstein/Blankenburg 1986 (= Studien zur Aufführungspraxis und Interpretation von Musik des 18. Jahrhunderts, Heft 29), S. 90–98, hier S. 91.

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  2. K. Restle, Bartolomeo Cristofori und die Anfänge des Hammerciaviers, München 1991 (= Münchener Arbeiten zur Musiktheorie und Instrumentenkunde, Bd. 1), S. 249 ff.

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  3. Vergleiche: C. Ahrens, Pantaleon Hebenstreit und die Frühgeschichte des Hammerklaviers, in: Beiträge zur Musikwissenschaft 29, 1987, S. 37–48, hier S. 42. Zwar hatte Christoph Gottlieb Schröter nach eigenem Bekunden bereits 1717 eine solche Mechanik konstruiert, doch fertigte er lediglich ein Modell an, ein spielfähiges Hammerklavier hat er nie gebaut.

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  4. Vergleiche die Zeichnung in: R. Harding, The Piano-Forte. Its History traced to the Great Exhibition of 1851, Old Woking 21978, S. 19. Es handelt sich dabei um eine Rekonstruktion jener Mechanik, die Heinrich Welcker von Gontershausen (Der Flügel oder die Beschaffenheit des Piano’s in allen Formen, Frankfurt a. M. 1853, S. 26) Christoph Gottlieb Schröter zuschrieb, von der er indessen lediglich eine grobe Teilskizze mitteilte.

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  5. Vergleiche: C. Ahrens, „Über vier und zwanzig Veränderungen“. Funktion und Bedeutung der Züge an frühen Fortepianos, in: Festschrift Klaus Hortschansky, Tutzing 1995, S. 351–365. Die Betrachtung und Nutzung der Züge als Register spiegelt sich zum Beispiel auch in jener Anzeige von 1769 wider, in der Johann Andreas Stein sein ‚Poly-Tono-Clavi-chordium‘ beschrieb; dort rangierten die eigentlichen Veränderungen’ gleichberechtigt neben den vier Registern (16’, 2x8’, 1x874’) im engeren Sinne.

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  6. (Vergleiche hierzu M. Latcham, The pianos of Johann Andreas Stein, in: Zur Geschichte des Hammerklaviers. 14. Musikinstrumentenbau-Symposium in Michaelstein am 12. und 13. November 1993, hrsg. von M. Lustig, Michaelstein 1996 (= Michaelsteiner Konferenzberichte, Band 50), S. 15–49, hier S. 28 f.)

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  7. Vergleiche: D. Rowland, A History of Pianoforte Pedalling, Cambridge 1993 (= Cambridge Musical Texts and Monographs), S. 31 f.

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  8. K. Restle, Bartolomeo Cristofori, a. a. O., S. 258. In einer Anzeige von 1765 (Leipziger Zeitungen, 10. September 1765, S. 564) verwendete Franz Jacob Späth, Regensburg, die Termini ‚Pandaleon‘, ‚Pandaleon-Clavecin‘ und ‚Forte-piano-Clavecin‘ als Synonyme für Fortepianos, dieser Sprachgebrauch läßt sich bis in die späten 1770er Jahre nachweisen (vergleiche hierzu: C. Ahrens, Vom Versuch zur Schöpfung — Clavichord und Fortepiano in Deutschland 1750–1800, in: Vom Versuch zur Schöpfung, Katalog zu einer Instrumentenausstellung im Rahmen der „Tage Alter Musik“ in Herne, Herne 1989, S. 27–66, hier S. 39 f.).

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  9. Herbert Heyde (Historische Musikinstrumente im Bachhaus Eisenach, Eisenach 1976, S. 143 ff.) wies auf die hier diskutierte Änderung der Wirkung der Dämpfung gegenüber dem ursprünglichen Modell nicht eigens hin, zudem ging er auch bei der Darstellung der Funktionsweise der Veränderungen (S. 143 bzw. S. 145) offenbar von der später üblichen Zwangsdämpfung aus.

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  10. Pedale waren zu jener Zeit zwar nicht gänzlich ungewöhnlich, stellten aber eher eine Ausnahme dar, vergleiche hierzu: M. Cole, Adam Beyer, Pianoforte Maker, in: The Galpin Society Journal 48, 1995, S. 94–119, hier S. 108 f., und D. Rowland, A History of Pianoforte Pedalling, a. a. O., S. 18 f. (M. Cole, Adam Beyer, Pianoforte Maker, a. a. O., S. 116) erfaßte insgesamt 24 Tafelklaviere aus der Zeit zwischen 1773 und 1798 von Beyer, von diesen haben 19 Handzüge und 14 Pedale. Darunter sind jedoch 8 bzw. 9 Instrumente, bei denen über das Pedal lediglich der Deckelschweller, der zwingend eine Fußbetätigung erfordert, bewegt wird, während für die übrigen Veränderungen Handzüge vorhanden sind. Insgesamt 11 Klaviere haben sowohl Hand- als auch Fußhebel, nur 3 Instrumente (aus den Jahren 1775–1777!) sind überhaupt nicht mit handbetätigten Zügen ausgestattet.

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  11. Die Feststellung von David Sutherland (Domenico Scarlatti and the Florentine piano, in: Early Music 23, 1995, S. 243–256, hier S. 251), „the Cristofori action was employed largely unchanged in instruments made by Gottfried Silbermann from the mid-17408 and by his nephew, Johann Heinrich Silbermann, into the mid-1770s“ kann demnach nur für die Hammermechanik selbst und deren technische Gestaltung gelten, nicht für das Instrument als Ganzes.

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  12. Kurze Anleitung zu einer richtigen Kenntniß und Behandlung der Forte-Pianos, a. a. O., S. 16. Selbst beim modernen Konzertflügel bewirkt die Dämpfungsaufhebung eine deutliche Lautstärkeerhöhung, vergleiche: J. Burghauser, A. Spelda, Akustische Grundlagen des Orchestrierens. Handbuch für Komponisten, Dirigenten und Tonmeister, deutsch von A. Langer, Regensburg 1971, S. 60 f.

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  13. Der Walter-Hammerflügel (vermutlich 1782/84; vergleiche: R. Maunder, Mozart’s keyboard instruments, in: Early Music 20, 1992, S. 207–219, hier S. 216) aus dem Besitz Wolfgang Amadeus Mozarts ermöglicht ebenfalls eine differenzierte Dämpfungsaufhebung. Der zweigeteilte Kniedrücker ist — anders als bei den Hammerflügeln von Johann Andreas Stein — so konstruiert, daß bei Betätigung des rechten Teils die gesamte Dämpfung aufgehoben wird, bei Betätigung des linken Teils jedoch nur die Dämpfung der Baßhälfte. (Vergleiche hierzu: D. Rowland, A History of Pianoforte Pedalling, a. a. O., S. 18 f.)

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  14. E. Zacharias, Das Kunstpedal an Klavier-Instrumenten, Wien 1874, S. 5; Hervorhebungen im Original.

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  15. Des Marchese, Scipio Maffei, Beschreibung eines neuerfundenen Claveceins [sic!], auf welchem das piano und forte zu haben, nebst einigen Betrachtungen über die Musicalische Instrumente, in: J. Mattheson, Critica Musica, S. 335–342, hier S. 336; vergleiche auch J. H. van der Meer, Bartolomeo Cristofori und das „Gravecembalo col piano e forte“, in: Das Musikinstrument 9, 1986, S. 18–22, hier S. 22.

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  16. Im Zusammenhang mit der Rekonstruktion von Wolfgang Amadeus Mozarts Pedal-Fortepiano und Überlegungen zu dessen musikalischem Einsatz kam David Rowland neuerlich zu dem Schluß, es sei kein Nachteil, wenn man beim Spiel des Pedals die Dämpfungsaufhebung nur sehr selten einsetzen könne, „since an extensive use of the lever [for the damper-raising] would in any case be highly dubious from a stylistic point of view.“ (R. Maunder und D. Rowland, Mozart’s pedal piano, in: Early Music 23, 1995, S. 287–296, hier S. 295). Daß man gerade diese Vorrichtung möglichst gar nicht genutzt haben sollte, vermag schwerlich zu überzeugen, eine unvoreingenommene Diskussion ihrer angemessenen und sinnvollen Verwendung erscheint daher dringend geboten.

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Günther Wagner

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Ahrens, C. (1998). Prellmechanik und Dämpfungsaufhebung. In: Wagner, G. (eds) Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03756-5_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03756-5_5

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