Zusammenfassung
»Gestern«, schreibt Clemens Brentano am 10. Dezember 1811 an Achim von Arnim (NR 73a), »erhielt ich von Savigny die Nachricht, daß Heinrich von Kleist sich vor 14 Tagen […] erschossen. Diese Nachricht hat mich wenigstens wie ein Pistolenknall erschreckt. Der arme, gute Kerl, seine poetische Decke war ihm zu kurz, und er hat sein Leben lang ernsthafter, als vielleicht irgendein neuer Dichter, daran gereckt und gespannt.«
Alle Zeitungen zusammengenommen ergeben die Weltgeschichte, und ihre Leser, die die Dinge nicht bis ins Detail kennen (und das ist die Mehrzahl), halten sich an das, was ihnen berichtet wird.
Casanova, ›Il duello‹
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Anmerkungen
Johann Jakob Rühle von Lilienstern, Bericht eines Augenzeugen von dem Feldzuge der während den Monaten September und Oktober 1806 unter dem Kommando des Fürsten zu Hohenlohe-Ingelfingen gestandenen Königl. preußischen und Kurfürstl. sächsischen Truppen, Tübingen (Cotta) 1807. Vgl. Wolf Kittler, Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie. Heinrich von Kleist und die Strategie der Befreiungskriege, Freiburg 1987, S. 276 ff.
Vgl. die Briefe an Ulrike von Kleist, 14.7., 17.9. und 17.2. 1807, und dazu Helmut Sembdner, Zur Geschichte der Zeitschrift [Phöbus]. In: Phöbus. Ein Journal für die Kunst, Reprint: Darmstadt 1961, S. 603 ff.
Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt a.M., Berlin und Wien 1982, S. 27.
— Die Habermas-Floskel natürlich aus: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Neuauflage, Frankfurt a.M. 1990, S. 275. Für eine Kleist-Analyse in deren Fahrwasser vgl. Heinrich Aretz, Heinrich von Kleist als Journalist, Stuttgart 1983.
Zitate aus ›Der Erzähler‹ und ›Der Autor als Produzent‹ nach: Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a.M. 1991, Bd. II.2, S. 444, 686 u. 691.
— Für eine hieran orientierte Skizze der Journalistik Kleists siehe Helmut Arntzen, Kleists kleine Prosa, in: Freiburger Universitätsblätter 91/1986, S. 45–56.
Dirk Grathoff, Die Zensurkonflikte der »Berliner Abendblätter«. In: Klaus Peter et al., Ideologiekritische Studien zur Literatur, Frankfurt a.M. 1972, S. 35–168, hier: 87 f., einer Weichenstellung folgend, die (spätestens) Steig fixiert hat;
vgl. Reinhold Steig, Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe, Berlin und Stuttgart 1901, S. 51: »Von der politischen Haltung Kleist’s und seiner Freunde hing das Wohl oder Wehe der Berliner Abendblätter ab.«
Vgl. zusammenfassend den editorischen Anhang in DKV III, 1090f.: »In Preußen galt damals noch das sogenannte Wöllnersche Zensuredikt von 1788 in der Fassung vom 24.11.1808. Nach den Bestimmungen unterlagen politische Schriften und Zeitungen der Zensur durch das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, nichtpolitische Schriften und Zeitungen derjenigen durch das Ministerium des Innern, das diese Aufgabe an die Polizeibehörde delegierte. In Berlin gab es damals zwei privilegierte politische Zeitungen, die ›Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen‹ (die ›Spenersche Zeitung‹) und die ›Königlich privilegierte Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen‹ (die ›Vossische Zeitung‹). Beide Zeitungen waren verpflichtet, Verlautbarungen der Regierung abzudrucken, und konnten als halboffiziöse Blätter gelten.«
So Eichendorff im Kleist-Abschnitt seiner ›Geschichte der poetischen Literatur Deutsch-lands‹ (1857): Joseph von Eichendorff, Werke. Bd. III: Schriften zur Literatur, München 1976, S. 876.
Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt a.M. 1981, S. 175.
Vgl. dazu auch Bernhard J. Dotzler, MarionettenTheaterSzenen oder Von Kleist bis Virilio: Polare Machtverhältnisse, erscheint in: Rudolf Maresch und Niels Werber (Hg.), Kommunikation — Medien — Macht, Frankfurt a.M. 1998, wo der Kleistschen Denkfigur in ihren Filiationen in kybernetische Apparaturen nachgegangen wird, während es hier darum geht, die dortige Fortführung wiederum auf Kleist selbst zurückzubeziehen.
Paul de Man, Ästhetische Formalisierung: Kleists ›Über das Marionettentheater‹. In: Ders., Allegorien des Lesens, Frankfurt a.M. 1988, S. 205–233 (hier: 209).
dieses Sogs vgl. zuletzt sogar eine Sammlung von Studien, von der man bessere Sachkenntnis hätte erwarten wollen: Knut Radbruch, Mathematische Spuren in der Literatur, Darmstadt 1997, S. 86–94, besonders S. 92 f.
Vgl. in diesem Sinn über den Paralleltext ›Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden‹: Günter Blamberger, Das Geheimnis des Schöpferischen oder: Ingenium est ineffabile?, Stuttgart 1991, S. 13.
Novalis, Schriften, ed. Kluckhohn und Samuel, Stuttgart 1960ff., II, 242 und III, 517f.
Johann Wolfgang Goethe, Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, in: Ders., Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche, I. Abteilung: Sämtliche Werke, Bd. IX, hg. von Wilhelm Voßkamp und Herbert Jaumann, Frankfurt a.M. 1992, S. 1058.
Mehr dazu bei Bernhard J. Dotzler, Papiermaschinen. Versuch über Communication & Control in Literatur und Technik, Berlin 1996, hier besonders S. 56.
Vgl. Wolf Kittler, Todesarten. Literatur und Kybernetik in Thomas Bernhards »Jagdgesellschaft«. In: Bernhard J. Dotzler (Hg.), Technopathologien, München 1992, S. 223–246, hier S. 227.
zu Kleist: S. 519ff. Vgl. neuerdings auch Harro Segeberg, Literatur im technischen Zeitalter. Von der Frühzeit der deutschen Aufklärung bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs, Darmstadt 1997, S. 63–68.
Joseph Conrad, Das Duell. Sechs Erzählungen, Zürich 1989, S. 163.
Vgl. Helmut Sembdner, Die Berliner Abendblätter Heinrich von Kleists, ihre Quellen und ihre Redaktion, Berlin 1939, S. 8 , oder auch das Zitat der fraglichen Stelle bei Aretz (wie Anm. 4), S. 126, Anm. 17.
Vgl. Heinrich Zschokke über seinen ›Schweizerboten‹ (1798/99): »Ein echtes Volksblatt, sagt‹ ich ihm [Pestalozzi], müsse kein Regierungsblatt [wie das von Pestalozzi herausgegebene], sondern unabhängig sein, nicht nur Sprache, Witz und satirische Laune der schweizerischen Landleute annehmen, nicht nur all und jedes wie für Kinder in Geschichten einkleiden, sondern sogar auf grobem Papier gleich Bauernkalendern mit rotem Titel, breitem Druck erscheinen. Aus dem Stegreif macht‹ ich ihm sogar noch einen Titel dazu: ›Der aufrichtige und wohlerfahrene Schweizerbote, welcher nach seiner Art einfältiglich [!] erzählt, was sich im lieben Vaterlande zugetragen, und was außerdem die klugen Leute und die Narren in der Welt tun‹. Pestalozzi […] lachte und meinte ich sollte den Versuch machen. Ich tat es« (zit. nach dem Nachwort von Volker Michels zu: Heinrich Zschokke, Hans Dampf in allen Gassen. Humoristische Erzählungen, Novellen und Fabeln, Frankfurt a.M. 1980, S. 414). Der Vorbildcharakter (abgesehen vom breiten Druck) für die BA ist deutlich — und wäre es nicht durch Autopsie (und dadurch Erinnerung beispielsweise an die Anekdote von dem Tambour, der »mit seinem Witz, aus seiner Sphäre als Trommelschläger nicht herausging«;
Vgl. Sembdner (wie Anm. 23), S. 237ff, bzw. DKV III, 1188, und/oder die CD-ROM zu BKA II/7–8.
vgl. systematisch-konzeptionell ferner: Klaus Kanzog, Prolegomena zu einer historisch-kritischen Ausgabe der Werke Heinrich von Kleists, München 1970, S. 190–206.
Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit I: Der Wille zum Wissen, Frankfurt a.M. 1977, S. 36f.;
vgl. auch Walter Seitter, Menschenfassungen. Studien zur Erkenntnispolitikwissenschaft, München 1985, S. 55–133.
Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, B XXV, hier nach: Werke in zwölf Bänden, hg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1968, Bd. III, S. 30.
— Zu Kleists Berührung mit einer solchen Rekonfiguration der Gesetzeskraft und ihrer Durchsetzung siehe etwa die von Manfred Schneider wiederentdeckte »akademische Vorlesung« von Johann Gottlieb Münch, Ueber den Einfluß der Criminal-Psychologie auf ein System des Criminal-Rechts, auf menschlichere Gesetze und Cultur der Verbrecher, Nürnberg 1799 — demnächst Wiederabdruck in: Bernhard J. Dotzler (Hg.), Grundlagen der Literaturwissenschaft. Exemplarische Texte, Köln 1998 -, die sich u.a. auf Ludwig Gottfried Madihn beruft, von 1773 bis 1811 Professor in Frankfurt, dessen »Collegia« Kleist laut Brief v. 26.8.1800 besuchte (vgl. DKV IV, 88 mit 545, 625 u. 644).
Gotthold Ephraim Lessing, Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und der Poesie, in: Werke und Briefe in zwölf Bänden, hg. v. Wilfried Barner et al., Bd. V.2: Werke 1766–1769, Frankfurt a.M. 1990, S. 93.
Im Sinne der »poetischen Funktion der Sprache« nach Roman Jakobson, Linguistik und Poetik (»Closing Statement«). In: Ders., Poetik. Ausgewählte Aufsätze 1921–1971, Frankfurt a.M. 1979, S. 83–121.
Helmut Sembdner, Nachwort zur Reprint-Ausgabe der BA, Wiesbaden 1980, S. 1*.
Friedrich Schiller, Die Horen. Einladung zur Mitarbeit. In: Ders., Sämtliche Werke, hg. v. Gerhard Fricke u. Gerhard G. Göpfert, Bd. V, München 1984, S. 868.
So spricht Adam Müller in einem Brief an Johannes v. Müller (17.12.1807) von einem »Ausschluß […] aller Kritik der Zeitbegebenheiten« (LS 200a), und so waren die ›Horen‹ förmlich mit einem »Verbot« aller »Beziehungen auf den jetzigen Weltlauf« belegt, siehe Schiller, Ankündigung. Die Horen. In: Ders., Werke (wie Anm. 45), S. 870.
Genannter Verfasser freilich ist Karl Curths, der seine vier Bände (Der Niederländische Revolutionskrieg im 16ten und 17ten Jahrhundert, Leipzig 1808–10) als »Anhang« zu Schillers Werk veröffentlichte. Umso bezeichnender, daß Kleist von ersterem nur als »der Verf.« spricht, letzteren jedoch beim Namen nennt.
Vgl. zuletzt etwa Saskia Herrath, An den Rändern der Sprache. In: Beiträge zur Kleist-Forschung 1997, S. 176–181.
Friedrich Schlegel, Literarische Notizen 1797–1801. Literary Notebooks, hg. von Hans Eichner, Frankfurt a.M.
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Dotzler, B.J. (1998). »Federkrieg«. In: Blamberger, G. (eds) Kleist-Jahrbuch 1998. Kleist-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03755-8_3
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