Zusammenfassung
Eine Verballhornung, weiß jeder, ist eine Verbesserung, die verschlechtert, eine Verschlimmbesserung, eine Verschlechterung aus einem Bestreben zu verbessern, das unglücklicherweise mit Unvermögen geschlagen ist. Man kann es so nachsehen, ob im Duden, bei Paul oder schon bei Campe. Dennoch mag auch heute noch, ja vielleicht heute erst recht zutreffen, womit ein Artikel beginnt, den Kleist aus dem ›Korrespondenten von und für Deutschland‹ vom 31.12.1810- unverändert — in die Abendblätter‹ (BA, Nr. 18) übernommen hat:
Über das Sprichwort: Verbessert durch Johann Balhorn.
Bekannt genug ist das Sprichwort: »Verbessert durch Johann Balhorn.« Allein unter hundert Personen mögen keine fünf seyn, welche den Ursprung desselben anzugeben wissen; daher es für Manchen vielleicht nicht unangenehm ist, etwas Näheres über die Veranlassung desselben zu erfahren. Das Lübecksche Stadtrecht wurde im 13ten Jahrhundert schriftlich verfaßt, und in Mecklenburg, Pommern u.s.w. eingeführt, aber erst im 16ten Jahrhundert gedruckt. Daher kam es denn, daß die einzelnen Exemplare voll Schreibfehler waren, und sich sogar hie und da widersprachen. Als nun mehrere Städte auf den Druck desselben drangen, so erhielten drei Ratsherren in Lübeck den Auftrag, die Handschriften durchzusehen, und die Gesetze in eine bessere Ordnung zu bringen. Dieß geschah, und das Werk wurde in Lübeck durch Johann Balhorn gedruckt, unter dem folgenden Titel: »Lübecksche Statuta und Stadtrecht, aus alter sächsischer Sprache ins Hochdeutsche gebracht, von neuem übersehen und verbessert. Durch Johann Balhorn gedruckt.« Dieser Druck aber machte viel Bewegung in Deutschland, und fand großen Widerspruch, indem Viele es übel nahmen, daß die Statuta gedruckt worden seien. Manche tadelten daher dasselbe öffentlich und sagten: »Es sei verbessert durch Johann Balhorn;« indem man das Punktum nach »verbessert« auf dem Titel ausließ, und damit die folgenden Worte verband. Diese Spottrede ergriffen nun viele Richter, Advokaten u.s.w., welche dem neuen Recht feind waren, und daher kommt es denn, daß man heut zu Tage sich dieses Ausdrucks bei verschlimmerten Sachen zu bedienen pflegt.
Anmerkungen
Helmut Sembdner, Die Berliner Abendblätter Heinrich von Kleists, ihre Quellen und ihre Redaktion, Berlin 1939, S. 372.
Johann Wolfgang Goethe, Gesamtausgabe der Werke und Schriften in 22 Bänden, Stuttgart o. J. (d.i.: Neue Gesamtausgabe des Originalverlags), Bd. II, S. 807 (Maximen und Reflexionen, Nr. 1060).
Jacques Lacan, Schriften I, Frankfurt a.M. 1975, S. 29.
Georg Christoph Lichtenberg, Schriften und Briefe, Bd. I: Sudelbücher I, hg. von Wolfgang Promies, München 1980, S. 317 (D 580).
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Blamberger, G. (1998). Kleist mit Ballhorn. In: Blamberger, G. (eds) Kleist-Jahrbuch 1998. Kleist-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03755-8_18
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