Zusammenfassung
Auch Flugreiseberichte von Frauen dokumentieren Grenzüberschreitungen. Welchen Grad von persönlicher ›Freiheit‹ erreichten reisende Pilotinnen, die sich durch den Eintritt in die Männerdomäne der Fliegerei scheinbar eindeutig gegen übliche Normen ihrer Gesellschaft stellten? Emanzipierten sie sich allein von tradierten Vorstellungen weiblicher Lebensführung oder auch von anderen, politischen und kulturellen Wertmustern ihrer Heimat? Bedeuten ungewöhnliche Reisen von Frauen automatisch Gesellschaftskritik, oder verteidigten emanzipierte, fortschrittliche Frauen auch konservative und nationale Ideale?
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Anmerkungen
Gertrud Pfister: Fliegen — Ihr Leben. Die ersten Pilotinnen, Berlin 1989, S. 9.
Als Beispiel dafür kann die Biographie Melli Beeses gelesen werden, die 1911 nach 114 Männern als erste deutsche Frau den Pilotenschein erwarb. Die meisten der zahlreichen Schwierigkeiten und Handicaps, die Beese in der Welt der Fliegerei zu überwinden hatte, ergaben sich aus ihrem Geschlecht als Frau. Nur ihrer persönlichen Hartnäckigkeit ist es zuzuschreiben, daß sie schließlich den Pilotenschein erhielt und sich einige Zeit als Berufspilotin halten konnte. Ihre erfolgreiche Karriere als Fluglehrerin mit eigener Flugschule und als Flugzeugkonstrukteurin wurde vom Ersten Weltkrieg unterbrochen. Ihre Ehe mit einem Franzosen (Charles Boutard) brachte mit der französischen Staatsbürgerschaft im Klima des Weltkrieges weitere Probleme. Nach dem Krieg gelang es Beese nach Inflation und Fehlinvestitionen nicht mehr, in ihrem Beruf Fuß zu fassen. Sie erschoß sich 1925 in einer Berliner Pension. Vgl. Pfister, a.a.O., S. 48ff. und ausführlicher Barbara Spitzer: Melli Beese. Bildhauerin, Pilotin — eine ungewöhnliche Frau, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, Heimatmuseum Treptow, 2. Juni bis 20. September 1992, Berlin 1992.
Hans-Joachim Braun: Konstruktion, Dekonstruktion und der Ausbau technischer Systeme zwischen 1914 und 1945, in: Wolfgang König (Hg.): Propyläen Technikgeschichte, Bd. 5, Energiewirtschaft, Automatisierung, Information, Berlin/Frankfurt am Main 1992, S. 11–282, S. 202.
Marga Garnich: Morgen fliegen wir nach Afrika. Eine Reise über drei Erdteile, Berlin 1935, S. 15.
Beispielsweise hatten die von der Troposphäre unbeeinflußten Maschinen, die nach 1945 im zivilen Transatlantikflug eingesetzt wurden, ihre Vorbilder in den us-amerikanischen Transport- und Bombenflugzeugen, die während des Zweiten Weltkrieges entwickelt worden waren. Ähnliches gilt für die Phase des ›Kalten Krieges‹: Die forcierte Entwicklung des Strahlenantriebes für Militärmaschinen gewann für die zivile Luftfahrt des Jet-Zeitalters große Bedeutung. Vgl. Hermann Glaser: Industriekultur und Alltagsleben. Vom Biedermeier zur Postmoderne, Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe, Frankfurt am Main 1994, S. 246.
Vgl. Richard Halliburton: Der fliegende Teppich. Übers. v. E. Mc Caiman, Leipzig ca. 1934.
Vgl. Dela Thenen: Im Schnellzug, Danzig 1889; C. G. Schillings: Mit Blitzlicht und Büchse, Leipzig 1907;
Else Grüttel: Im Luftschiff über Hamburg, Schleswig-Holstein, Stuttgart 1913;
Hans von Kahlenberg (= Helene Keßler, = Eva von Kahlenberg, = Helene von Kahlenberg): Mit Kursbuch und Scheckbuch. Waggonbetrachtungen eines Mitteleuropäers, o.O. 1914;
Hans Hermann Schomburgk: Bwakukama. Fahrten und Forschungen mit Büchse und Film im unbekannten Afrika, Berlin 1922;
Clara Ratzka: London aus der Vogelschau, in: Die Gartenlaube, (1924/I), Nr. 7, S. 505–507;
Thea Rasche: Start in Amerika, Berlin 1928;
E. Mittelholzer: Kilimandscharo-Flug, 2. Auflage, Zürich 1930;
Käte Stocks: 9 Menschen fliegen, in: Die Gartenlaube, (1931/I), Nr. 7, S. 142–144;
Marga von Etzdorf: Kiek in die Welt. Als deutsche Fliegerin über drei Erdteilen. Geleitwort von H. Junkers, Berlin 1931;
Käte Stocks: Fertig zum Start, in: Die Gartenlaube, (1932/I), Nr. 24, S. 472–473;
Elly Beinhorn: Ein Mädchen fliegt um die Welt, Berlin 1932;
Elly Beinhorn: 180 Stunden über Afrika, Berlin 1933;
Maria Piper: Ein Tag auf der japanischen Eisenbahn, in: Westermanns Monatshefte, 76 (1933), Nr. 152, S. 431–438;
Kadidja Wedekind: Mein erster Flug, in: Die Gartenlaube, (1933/II), Nr. 48, S. 1128–1129;
Marga Garnich: Morgen fliegen wir nach Afrika, Berlin 1935;
Tilla Grabbe: III. Klasse durchs Rote Rußland, in: Die Gartenlaube, (1936/II), Nr. 43, S. 1004–1006, und ebd., (1936/II), Nr. 44, S. 1031–1032;
L. E. Almasy: Unbekannte Sahara. Mit Flugzeug und Auto in der libyschen Wüste. Bearb. von H. v. d. Esch, Leipzig 1939;
Katja Heidrich: Und es lohnt doch!, Leipzig 1939;
Gustav Paul Henze: Das erste Flugzeug über Deutsch-Südwest. Abenteuer eines deutschen Fliegers im afrikanischen Busch, Berlin 1941;
Liesel Bach: Bordbuch D 2495. Vorwort von General der Flieger Christiansen, Berlin 1941;
Elisabeth Schucht: Eine Frau fliegt nach Fernost, Berlin 1942.
Vgl. Ohne Herausgeber: Von der Sänfte zum Aeroplan. Album des Kaufhauses N. Israel, Berlin 1911;
E. E. Pauls: Von der Postkutsche zum Flugzeug, Lübeck 1926;
A. Weise: Vom Wildpfad zur Motorstraße. Streifzüge durch die Geschichte des Verkehrs, Berlin 1933.
Vgl. Hans Stuck, E. G. Burgaller: Das Autobuch, Berlin 1933; Die Eroberung der Luft. Sammelbilderalbum der Garbáty-Cigarettenfabrik, 2 Bände, Berlin ca. 1935;
H. Leip (Hg.): Das Hapagbuch von der Seefahrt. Mit Illustrationen von Gulbransson, Leip, Kubin, Arnold, Loederer u.a. und mit literarischen Beiträgen von Binding, Hauptmann, Edschmid, Leip, Hamsun u.a., München 1936;
Oskar Ursinus (Hg.): Flugsport. Illustrierte flugtechnische Zeitschrift und Anzeiger für das gesamte Flugwesen, Frankfurt am Main 1942.
Felix Philipp Ingold: Der Autor im Flug. Daedalus und Ikarus, in: Ders.: Der Autor am Werk. Versuche über literarische Kreativität, München/Wien 1992, S. 11–106, S. 64.
Rolf Italiaander: Drei deutsche Fliegerinnen. Elly Beinhorn, Thea Rasche, Hanna Reitsch. Drei Lebensbilder, 2., verbesserte Auflage, Berlin 1941, S. 26.
Vgl. Hanna Reitsch: Fliegen — mein Leben, Erstauflage 1951, Frankfurt am Main/ Berlin 1988, S. 106.
Vgl. Beate Uhse: Mit Lust und Liebe. Mein Leben. Aufgezeichnet von Ulrich Pramann, Frankfurt am Main/Berlin 1989, S. 69f.
An anderer Stelle wird — in umgekehrtem Verhältnis zu den hier angeführten Beispielen — das Bewußtsein Beinhorns dafür, daß die neuen Techniken sich werbewirksam einsetzen ließen, darin deutlich, daß sie sofort nach ihrer Landung in Australien die Gelegenheit zu einer ›Direktübertragung‹ wahrnahm. Vgl. die Abbildung »Bis nach Berlin sendeten wir ein Interview über Kurzwelle«, in: Elly Beinhorn: Alleinflug. Erinnerungen. Reprint der erweiterten und ergänzten Ausgabe von 1981, Frankfurt am Main/Berlin 1988, Abbildungsteil, o.S.
Werner Sombart: Der Bourgeois, Berlin 1920, S. 224.
Vgl. Italiaander, a.a.O., S. 18; Carl Maria Holzapfel, Käte und Rudolf Stocks: Frauen fliegen. Sechzehn deutsche Pilotinnen in ihren Leistungen und Abenteuern. Mit einem Geleitwort von Hauptmann a.D. Dr. e.h. Hermann Köhl, Berlin 1931, S. 16.
Vgl. Charlotte Köhn-Behrens: Ehe mit 200 PS. Im Heim des Sportlerehepaares Elly Beinhorn und Bernd Rosemeyer, in: Die Gartenlaube, (1936/II), Nr. 49, S. 1151–1152. Ein vergleichbares Paar waren die international bekannten Piloten Amy Johnson und Tom Mollison.
Vgl. Paul Birringer: In der Luft gefunden. Die Liebesgeschichte der berühmten Fliegerin Amy Johnson-Mollison, in: Die Gartenlaube, (1936/II), Nr. 39, S. 911–913.
Melitta Schiller, zitiert nach: Holzapfel, Käte und Rudolf Stocks, a.a.O., S. 77. Daß die Fliegerei 1941 »längst zum Volksport« geworden sei, wie der Korpsführer des NS-Fliegerkorps und General der Flieger Christiansen behauptet, kann als propagandistische Verfälschung betrachtet werden. General der Flieger Christiansen: Geleitwort, in: Peter Supf: Der deutsche Flugsport. Ein Bildwerk. Mit einem Geleitwort vom General der Flieger Christiansen, (Erste Auflage Berlin 1938), 2. Auflage, Berlin 1941, o. S.
Vgl. auch Wulf Bley: Motorflugzeug und Sport, in: Westermanns Monatshefte, 75 (1930/31), Nr. 149, S. 195–198; Anonym: Moritz fällt vom Himmel.
Eva Schmidt, Deutschlands jüngste Kunst- und Segelfliegerin ist erst 19 Jahre alt, in: Die Gartenlaube, (1933/II), Nr. 48, S. 1128–1129.
Vgl. Beryl Markham: Westwärts mit der Nacht, (Zuerst 1942 als West with the night) Berlin 1993, S. 428ff. Carberry gewann für Markham sogar entscheidende Bedeutung, indem er ihr ein Flugzeug zur Verfügung stellte, mit dem sie 1936 die erste Ost-West-Überquerung des Atlantiks im Alleinflug durchführte. In Markhams Biographie verbinden sich widersprüchlichste Elemente. Unter ungewöhnlichen Umständen war sie in Afrika aufgewachsen. Die engen Kontakte, die sie seit ihrer Kindheit mit ihren schwarzen Landsleuten verbanden und durch die sie einen unvermittelten Einblick in deren Lebenskultur gewann, machten, zusammen mit ihrer Zugehörigkeit zur Kolonialgesellschaft — sie kannte beispielsweise Tania Blixen, Baron Bror Blixen und Denys Finch Hatton — aus ihr eine schillernde Persönlichkeit. Weitere Facetten bildeten ihre Bekanntschaft mit Schriftstellern wie St. Exupéry und Hemingway, ihre großen Erfolge bei der Zucht von Rennpferden und als Pilotin sowie ihre verschiedenen Ehen und ihre skandalumwitterte Schönheit. Vgl. Markham, a.a.O., Pfister, a.a.O., S. 209ff. und Martha Gellhorn: Vorwort, in: Markham, a.a.O., S. 7–14.
Vgl. Beinhorn, Alleinflug, a.a.O., S. 212ff. Ein Jahr später flog die Pilotin mit einer ›Taifun‹ anderer Motorstärke innerhalb eines Tages drei Kontinente an. 1993 gab es eine neue Taufe. Eine während des Krieges in Tunesien aufgegebene ›Taifun‹ wurde in die Sammlung der Berlin-Stiftung der Lufthansa aufgenommen. Beinhorn taufte diese Maschine auf ihren eigenen Namen ›Elly Beinhorn‹. Vgl. Dieter Vogt: Das beste Flugzeug seiner Klasse, in: Neue Zeit, (5.6. 1993), Nr. 128. An diesem Kuriosum der doppelten Namengebung durch Beinhorn wird außer der ungebrochenen Popularität Beinhorns der übliche Musealisierungseffekt deutlich: Namen und Gegenstände, die in der ersten Phase ihrer Bekanntheit für grenzüberschreitendes Abenteuer, Experimentierfreude und Innovation gestanden hatten, wandern hinter die festen Wände musealer Archive, werden zu Repräsentanten überholter Entwicklungsstufen.
Vgl. Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938–1945, Herrsching 1984, Bd. 6, Nr. 152, (9. Januar 1941), S. 1889.
Hans Schwarz von Berk: Das politische Flugzeug, in: Westermanns Monatshefte, 79 (1934/35), Nr. 157, S. 510–511, S. 510.
Vgl. Deutsche Flugillustrierte, Mädel von heute, (28. Jan. 1934), Nr. 4.
Ohne Autor: Frauen helfen siegen. Bilddokumente vom Kriegseinsatz unserer Frauen und Mütter. Geleitwort von Gertrud Scholtz-Klink, Reichsfrauenführerin, 2. Auflage, Berlin 1942, ohne Paginierung.
Vgl. Renate Janssen: Vom ›Nationalen Frauendienst‹ zur ›Flakhelferin‹, in: Dies.: Frauen ans Gewehr, Köln 1983, S. 11–29.
Die DVL war von den Folgen des Ersten Weltkrieges stark betroffen. Eine Stabilisierung zeichnete sich erst in der zweiten Hälfte der 20er Jahre ab. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 114 im Jahr 1925 auf 543 im Jahr 1928. Vgl. Gerhard Brakke: Melitta Gräfin Stauffenberg. Das Leben einer Fliegerin, Frankfurt am Main/ Berlin 1993, S. 34. In diesem Konjunkturaufschwung wurde Schiller angestellt. Ihre Arbeitsbereiche umfaßten »aerodynamische Untersuchungen theoretischer wie experimenteller Art« (Ebd., S. 35.) und entsprachen dem Niveau ihrer Ausbildung.
Diese Folgerungen bestätigen die Ergebnisse anderer Arbeiten zu karrierebewußten Frauen im Nationalsozialismus. Vgl. Angelika Ebbinghaus (Hg.): Opfer und Täterinnen. Frauenbiographien des Nationalsozialismus, Hamburg 1987. (Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt am Main 1996.) Am Beispiel der medizinischen Experimente an Menschen wies Ebbinghaus nicht nur nach, daß Frauen bei der Ausführung dieser Experimente mitarbeiteten. Manche von ihnen wandten aus eigener Initiative noch brutalere Methoden an als ihre männlichen Kollegen. Obwohl sich Godele von der Decken in ihrer Untersuchung zum Frauenbild im Nationalsozialismus hauptsächlich auf konservative Autorinnen stützt, stellt sie fest, daß im ›Dritten Reich‹ neben der Bäuerin die Kameradin und Heldenfrau stand, der je nach den Zwecken des NS-Staates relativ großer Handlungsraum zugestanden wurde. Vgl. Godele von der Decken: Emanzipation auf Abwegen. Frauenkultur und Frauenliteratur im Umkreis des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1988, S. 70f.; S. 113; S. 142ff.
Vgl. auch Dagmar Grenz: Kämpfen und arbeiten wie ein Mann — sich aufopfern wie eine Frau. Zu einigen zentralen Aspekten des Frauenbildes in der nationalsozialistischen Mädchenliteratur, in: Wirkendes Wort, 36 (1986), Nr. 3, S. 190–210.
Julia Menz: Maha djalan. West-östliche Reise, Hamburg 1940, S. 16.
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Fell, K.D. (1998). Im Flug: Neue Perspektiven?. In: Kalkuliertes Abenteuer. Ergebnisse der Frauenforschung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03752-7_8
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